Wiener Wahl, die Zweite

IAEA Der erste Versuch, einen Nachfolger für den Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde, El-Baradei, zu finden, war gescheitert, nun gibt es einen neuen Anlauf

Zwei Bewerber gab es zunächst für den Posten des Generaldirektors der Internationalen Atomenergieagentur IAEA, der kommenden November frei wird. Keiner konnte jedoch die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit der Stimmen erringen. Am 2. Juli nun wollen die 35 Mitglieder des Behördendirektoriums einen zweiten Anlauf unternehmen. Inzwischen haben zwei weitere Bewerber ihren Hut in den Ring geworfen. In der ersten Runde hatten sich zwei eher sehr gegensätzliche Kandidaten um die Führung der IAEA bemüht. Da war zunächst der zurückhaltende 63jährige Berufsdiplomat und Technokrat Yukiya Amano aus Japan, dem Kritiker fehlendes Charisma bescheinigen. Amano studierte an der Tokio Universität Völkerrecht und begann 1972 seine Laufbahn im japanischen Außenministerium. Dort spezialisierte er sich auf die Themen Abrüstung und Nichtverbreitung von Atomwaffen, außerdem arbeitete er an den Botschaften in Vientiane, Washington und Brüssel. Auch als Generalkonsul in Marseille, bei internationalen Vertragsverhandlungen und als Vertreter seines Landes in der Genfer Abrüstungskonferenz sammelte Amano Erfahrungen auf dem diplomatischen Parkett. Zurzeit ist er Japans Botschafter bei der IAEA und bevorzugter Kandidat der USA und der anderen westlichen Mitgliedstaaten im Gouverneursrat.

Sein Herausforderer Abdul Samad Minty wurde am 31. Oktober 1939 in Südafrika geboren, wuchs zunächst in Johannesburg auf und ging mit 18 Jahren zum Studium der Internationalen Beziehungen nach London. Der Student beteiligte sich aktiv an der britischen Anti-Apartheidbewegung und kritisierte jede Form der Kollaboration mit dem rassistischen Regime seiner Heimat scharf. Als es mit der Rassentrennung vorbei war, vertrat Minty Pretoria auf internationalen Konferenzen. Dort setzte er sich engagiert für atomare Abrüstung ein und erinnerte immer wieder daran, dass die fünf Kernwaffenmächte und ständigen Sicherheitsratsmitglieder USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien im Atomwaffensperrvertrag eine völkerrechtlich bindende Verpflichtung zur Abrüstung ihrer Arsenale eingegangen sind. Seit 2006 ist der Diplomat nun Südafrikas Repräsentant bei der IAEA. Hinter ihm stehen China, Indien sowie andere Staaten aus Asien und Afrika sowie die meisten Vertreter Lateinamerikas im Gouverneursrat. In den Debatten um das iranische Atomprogramm verteidigt Minty stets das ebenfalls im Nichtverbreitungsvertrag völkerrechtlich verbriefte Recht Teherans zur Urananreicherung. Nicht zuletzt deshalb versuchte die Bush-Regierung bis zuletzt, Minty zu demontieren.

El-Baradeis Nobelpreis

Da Yukiya Amano im März das Votum im dritten Wahlgang zwar gewann, aber die erforderlichen 24 Stimmen knapp verfehlte, wurde neu ausgeschrieben, so dass weitere Bewerber hinzukommen: Der Spanier Luis Echavarri und der frühere belgische Vize-Premier und Verteidigungsminister Jean-Pol Poncelet. Erstere gilt als Chef der in Paris ansässigen Atomenergiebehörde der OECD als ausgewiesener Nuklearexperte. Poncelet wiederum arbeitete zu Beginn seiner beruflichen Karriere als Ingenieur für Plutonium-Brennstoffe und war später Energieminister seines Landes. Bei einer letzten Probeabstimmung konnte Amano triumphieren, er erhielt 20 Stimmen, der Südafrikaner Minty elf und der Spanier Echavarri vier – das wäre für keinen die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit.

Die bisherige Argumentation der USA, die IAEA habe eine "rein technische Aufgabe", und "die Politisierung der Organisation durch ihren Generaldirektor" müsse aufhören, zielte auf Amtsinhaber El-Baradei. Zwar hatten ihn die Amerikaner 1997 selber als Kompromisskandidaten vorgeschlagen. Nachdem El-Baradei jedoch vor dem Irak-Krieg im Frühjahr 2003 der Behauptung der Bush-Administration im UN-Sicherheitsrat widersprach, es gebe eindeutige Beweise für ein illegales irakisches Atomwaffenprogramm, avancierte er zu Washingtons Lieblingsfeind. Danach versuchten die USA, El-Baradeis Wiederwahl als Behördenchef zu verhindern, was allerdings misslang. Stattdessen erhielt der Rechtsprofessor aus Ägypten gemeinsam mit der IAEA den Friedensnobelpreis.

Obamas "Brennstoffbank"

Die Bedeutung der 146 Mitgliedstaaten zählenden IAEA wird künftig weiter wachsen. Die Behörde ist am besten geeignet, sich der Achillesferse des Atomwaffensperrvertrages anzunehmen. Der dort vertraglich erlaubte friedliche Gebrauch der Kernenergie, inklusive Urananreicherung, kann zugleich für ein geheimes Atomwaffenprogramm missbraucht werden. Ein Ausweg wäre möglicherweise die Errichtung einer internationalen „Brennstoffbank“, wie sie Präsident Obama kürzlich anregte. Das würde bedeuten, die Produktion neuen Spaltmaterials, aber auch die Kapazitäten zur Urananreicherung und Wiederaufbereitung von in Atomkraftwerken verbrannten Plutonium-Brennstäben sowie die Lagerung nuklearer Abfälle nicht durch Einzelstaaten, sondern die IAEA zu managen. Auch gegen eine weitere Bedrohung der internationalen Sicherheit ist die Behörde aktiv: Mögliche Terroranschläge mit Kernwaffen oder radioaktivem Material. Bereits seit Jahren verfolgt sie ein umfangreiches Programm zur Verstärkung der nuklearen Sicherheit. So beschloss die IAEA vorbeugende Sicherheitsmaßnahmen gegen Sabotage an Atomanlagen und Diebstahl von atomaren Stoffen und fördert nachdrücklich die Umsetzung der Konvention gegen Nuklearterrorismus. Je nachdem wie die Wahl ausgeht, erwarten Beobachter auch eine Richtungsentscheidung. Der scheidende El-Baradei hat nach zwölf Jahren im Amt einen guten Rat für seinen Nachfolger: „Auf diesem Posten kann man es keinem recht machen, und sollte es vielleicht auch gar nicht erst versuchen.“

Die bisherigen IAEA-GeneraldirektorenNameZeitraumMohamed El-Baradei, Ägypten1997-2009Hans Blix, Schweden1981-1997Sigvard Eklund, Schweden1961-1981W. Sterling Cole, USA1957-1961

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