Wilhelm Schelsky, der Sohn des bekannten Kölner Soziologen Helmut Schelsky, hatte Ende der achtziger Jahre in Erlangen eine clevere Geschäftsidee: Warum nicht aus der Angst der Unternehmer vor Gewerkschaften und Kommunisten - das wurde früher oft gleichgesetzt - ein Geschäft machen und die Gewerkschaftsabwehr als Personaldienstleistung anbieten? Aus dieser Idee entstand bald die AUB - die Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger -, die Dienstleistungen wie Recruiting, Management-Training oder Personalberatung in ihrem Leistungskatalog weit oben platziert hatte.
Dabei verstand sich die AUB von Anfang nicht als Anwalt von Arbeitnehmern oder Betriebsräten, sie wollte auch keine Klientel-Gewerkschaft oder ständische Organisation sein, die Sonderinteressen gegenüber den Arbeitgebern vertrat. Statt dessen hatten für die AUB stets die Interessen des Unternehmens und die Abgrenzung zu den Gewerkschaften Vorrang, was besonders der Siemens-Konzern als AUB-Großkunde zu schätzen wusste. Immer schon kennzeichnete es schließlich den "Herr im Hause"-Standpunkt dieses Unternehmens, dass firmenfremde Personen und Verbände wie die Gewerkschaften möglichst draußen zu bleiben hatten.
Als Muster und Vorbild galten die Verhältnisse in der US-Wirtschaft, wo der Gedanke einer absoluten Freiheit des Kapitals stets die Basis der Arbeitsverfassung blieb. Folglich behauptet sich das "Union-busting", das professionell von darauf geeichten Firmen oder Agenturen betriebene Kleinhalten der Gewerkschaften im Betrieb, als boomender Geschäftszweig mit renommierten Kunden wie Walmart, General Motors, der Siemens-Tochter Osram und anderen.
Weil aber in Deutschland - im Unterschied zu den Vereinigten Staaten - bis heute die für manche Unternehmer lästige gesetzliche Auflage existiert, einen Betriebsrat oder einen mitbestimmenden Aufsichtsrat wählen zu lassen, sind die Handreichungen eines externen Personaldienstleisters höchst willkommen, lässt sich rechtzeitig vor der nächsten Betriebsratswahl das unabhängige Kaninchen AUB aus dem Zylinder ziehen. Denn nach der deutschen Sozialverfassung wird ein Unternehmen die lästigen Gewerkschaften im Betriebsrat am Besten los oder hält sie wenigstens klein, wenn es sich etwas Eigenes schafft. Interessenten dafür finden sich unter den Beschäftigten immer: Vorrangig unter höheren Angestellten, die auf einen diskreten Wink der Geschäftsleitung hin kandidieren, vielleicht weil für sie ohnehin keine andere Karriere mehr in Aussicht steht. Ausgehend vom gemeinsamen Interesse des Hauses Siemens und der AUB ist es selbstverständlich, dass die AUB-Kandidaten vor einer Betriebsratswahl für Monate von der beruflichen Tätigkeit freigestellt werden, damit sie ganz im Wahlkampf aufgehen können. Bei der Bewerbersuche für die AUB ist die Personalabteilung gewiss behilflich.
Allerdings kann es bei betrieblichen Konflikten schon einmal krachen, wenn die Interessen des Personaldienstleisters AUB mit denen der dort engagierten Betriebsratsmitglieder kollidieren. So geschehen im Siemens-Betrieb Hofmannstraße in München: Als im Herbst 2003 die AUB-Zentrale - also Schelsky - nach Absprache mit der Siemens-Führung einen ganzen Münchener Stadtbezirk mit Großplakaten gegen die IG Metall und gegen den Betriebsrat überzog, weil der (auch mit den Stimmen der AUB-Betriebsratsmitglieder !) einen massiven Personalabbau blockiert hatte, distanzierten sich viele AUB-Mitglieder klar von der AUB- und der Siemens-Spitze. Die Intrige ging nach hinten los, wie die Betriebsratswahlen kurz darauf zeigten: Die AUB wurde dezimiert, die Liste der IG Metall legte zu.
Der Fall AUB, der Kauf einer antigewerkschaftlichen Dienstleistung, ist nicht vergleichbar mit den Bestechungsversuchen von einzelnen Betriebsräten. Bleibt die rechtliche Würdigung: Nach den deutschen Gesetzen müssen sich das Unternehmen und auch jede nicht direkt an der Abstimmung beteiligte Person aus Betriebsratswahlen strikt heraushalten - die Behinderung der Betriebsratstätigkeit ganz allgemein sowie die Begünstigung oder Benachteiligung einzelner Betriebsratsmitglieder stehen unter Strafe.
Die Realität sieht freilich oft anders aus - was zumeist deutlich spürbar, aber eben auch schwer nachweisbar ist. Immerhin hat Siemens hier gegen das "11. Gebot" verstoßen und sich doch erwischen lassen. So hat die IG Metall Anfang April Strafantrag nach Paragraf 119 des Betriebsverfassungsgesetzes wegen möglicher Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern der AUB gestellt. Man habe den Verdacht und Indizien dafür, dass die AUB durch Siemens finanziert wurde, um eine Art Gegengewerkschaft zur IG Metall aufzubauen, so deren Erster Vorsitzender Jürgen Peters. Es wird aufschlussreich sein, ob die Justiz den Fall AUB nutzt, um die Unabhängigkeit der Betriebsräte gegenüber den Unternehmensinteressen zu stärken und einem "Union-Busting" nach dem Geschäftsmodell AUB Grenzen zu setzen.
Wolfgang Müller arbeitet bei der IG Metall Bayern. Er hat das Siemens-Team der IG Metall geleitet und war bis Ende Januar 2007 Mitglied im Siemens-Aufsichtsrat.
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