Mit Personalcomputern ist derzeit kaum Geld zu verdienen. Compaq-Chef Capellas spricht schon von der PC-Branche als Teil der "Old Economy". In Stückzahlen wuchs der Absatz im Jahr 2000 noch um 15 Prozent weltweit. Für andere Branchen, wie etwa die Autoindustrie, wären das stolze Zahlen, aber nicht für die PC-Industrie, die zehn Jahre lang mit Wachstumsraten von 20 Prozent und mehr protzte. Nach jüngsten Marktdaten gab es - an den Stückzahlen gemessen - im vergangenen Jahr noch ein geringfügiges Wachstum im einstelligen Bereich. In diesem Jahr wird der Absatz wohl bestenfalls stagnieren.
Die Auswirkungen auf die Branche sind dramatisch, weil die Hardware-Hersteller ihre Konkurrenz nur noch über die Preise austragen, aber den Preisverfall nicht mehr wie
t mehr wie bisher über steigende Stückzahlen kompensieren können. Ihr bisheriges Erfolgsrezept ist zugleich das jetzige Dilemma, vor allem auch weil die PC-Hersteller weit unten in der Wertschöpfungskette der Informationstechnik rangieren. Sie sind nur die Montagefirmen des HighTech-Sektors, während Forschung und Entwicklung und damit die eigentliche Wertschöpfung bei den Prozessoranbietern wie Intel und AMD und bei den Softwarefirmen wie Microsoft erfolgen. Der Anteil der Vorprodukte am Umsatz der PC-Hersteller liegt bei über 70 Prozent. Deshalb gibt es seit Jahren - mit Ausnahme von Apple - auch nur noch marginale Qualitätsdifferenzen zwischen den PCs verschiedener Hersteller. Sie konkurrieren vor allem um niedrigste Kosten. Große Einkaufsmacht, effiziente Logistik, schlanke Lagerhaltung und billige Fertigung sind die Erfolgsfaktoren.Ende eines Geschäftsmodells Bis vor wenigen Jahren herrschte in der Branche noch eine andere, für die Hersteller weniger unangenehme Form des Preiskrieges: Jede neue Microsoft-Windows-Version verlangte mehr Computerleistung, also mussten Privat- und Firmenkunden alle paar Jahre den PC-Bestand komplett erneuern. In ziemlich konstanten Abständen wurden neue PC-Generationen mit mehr Speicherkapazität und Extra-Rechenleistung zu höheren Preisen verkauft. Und nach einer kurzen Phase von etwa sechs Monaten pendelten sich die Preise für die jeweils aktuelle PC-Konfiguration wieder auf das Ausgangsniveau ein. Die US-Konzerne Compaq und Dell profilierten sich mit ihrer Marktmacht als Vorreiter in diesen Preiskriegen. Die künstliche Entwertung kaum zwei Jahre alter PCs sorgte - kombiniert mit Extraprofiten zugunsten des jeweils neuesten Modells - für hohe Wachstumsraten und stabile Gewinnmargen, solange die Produktionskosten niedrig, die Stückzahlen hoch, Vertrieb und Distribution effizient und die Märkte noch nicht gesättigt waren. Dieses Geschäftsmodell funktionierte, solange immer neue Kundenschichten jenseits von Kindergarten und Altersheim erschlossen werden konnten und solange die PC-Besitzer regelmäßig die neue Microsoft-Software haben wollten, auch um den Preis der Entwertung ihres alten PCs.Dann - etwa 1997 - bekamen die PC-Preiskriege eine neue Qualität: Mehr Rechenleistung und sonstige Extras rechtfertigten gegenüber dem Vorgängermodell keinen höheren Preis mehr - auch nicht vorübergehend. Der Kunde bekam immer mehr Gebrauchswert und Funktionalität für immer weniger Geld. Das hieß für die Hardware-Hersteller: Die Gewinnmarge - der Anteil des Gewinns am verkauften PC oder Notebook - fiel ständig. Nur soweit die Märkte noch nicht gesättigt waren und sofern die Einkaufskosten für Chips und andere Komponenten gleich blieben oder sogar fielen, wurden aufgrund höherer Stückzahlen immer noch ordentliche Gewinne erzielt.Doch schon im Herbst 1999 kamen die PC-Unternehmen bei steigenden Umsätzen unter Druck, denn der damalige HighTech-Boom - getrieben durch die Nachfrage nach Handys, Digitalkameras, PCs und Notebooks - führte zu einer Verknappung der Komponenten. Im Oktober 1999 kostete am Spotmarkt, wo nicht nur Rohöl, sondern auch Elektronik gehandelt wird, ein Speicherchip, der im Juli 1999 noch für fünf US-Dollar zu haben war, plötzlich 20. Die PC-Hersteller hatten aber keine Chance, ihre höheren Einkaufspreise an die Kunden weiterzureichen. Erstmals kam es auch bei den Marktführern zu Gewinneinbrüchen. Dann das Jahr 2000: Der Extra-Boom wegen des Jahr-2000-Problems war vorbei, die Internet-Euphorie platzte, und dazu kam noch ein - nach den Maßstäben der PC-Branche - miserables Weihnachtsgeschäft. Seither schreiben mit Ausnahme von Dell alle großen PC-Hersteller rote Zahlen.Dell startet durch In dieser Situation startete der von Michael Dell gegründete und mittlerweile zum Weltmarktführer aufgestiegene PC-Direktvertrieb einen neuen Preiskrieg. Allein bis Sommer 2001 sind die Preise für PCs und Server um bis zu 50 Prozent gefallen. Das Kalkül von Dell ist einfach: Weil der Konzern seine Computer zu den weitaus niedrigsten Kosten produziert und konkurrenzlos günstig vermarktet, ist die Gelegenheit günstig, die Konkurrenz vom Markt zu fegen. Dell will seinen Marktanteil von 13,1 Prozent im ersten Quartal 2001 in den nächsten Jahren auf 40 Prozent verdreifachen. Die verlustgeplagte Konkurrenz schreit auf: IBM-Chef Gerstner bezeichnete den neuen Preiskampf gegenüber dem Wall Street Journal als "wirklich dumm", und für Hewlett Packard ist der Preiskrieg "irrational". Was das heißt, ist klar: Bei diesem Preiskrieg zahlen nicht nur IBM, Hewlett Packard und Compaq drauf, sondern alle, auch Dell. Aber wenn Dell konkurrenzlos übrig bleibt, werden die Preise auch wieder steigen.Der Vorsprung von Dell liegt nicht in der Qualität der Produkte oder in technischen Innovationen. Dell produziert schneller und smarter, verbraucht weniger Ressourcen bei der PC-Montage. Dell verkauft die PCs direkt, per Telefon und Internet. Deswegen entfällt die Marge für den Zwischenhandel. Durch den Direktvertrieb kann der Konzern Angebot und Nachfrage auch besser steuern. Wenn eine bestimmte PC-Komponente knapp wird, werden sofort die Lieferanten alarmiert. Falls die nicht liefern können, versucht die Vertriebsmannschaft per Internet und am Telefon, die Nachfrage durch gezielte Lock-Angebote umzusteuern. Dasselbe Spiel funktioniert ebenfalls, wenn die Nachfrage nach bestimmten Produkten einbricht: Auch dann reagiert die Werbung schnell und gezielt. Falls sich der Trend nicht binnen Tagen umkehrt, wird die Herstellung des jeweiligen Produkts eingestellt. Für Dell ist das kein großes Problem: Der Konzern steuert die Produktionslinien in seinen Fabriken weltweit im Zwei-Stunden-Rhythmus.Auch die Dell-Logistik ist einzigartig. Durchschnittlich nur fünf Tage werden PC-Teile in den Lagern des Unternehmens vorgehalten, während der entsprechende Wert der Konkurrenz bei 30 bis 90 Tagen liegt. Bei einem Preisverfall der PC-Komponenten von etwa einem Prozent pro Woche ist dieser Vorteil unschlagbar. Dell kann die fallenden Preise an die Käufer weitergeben und muss nicht ständig Lagerbestände abschreiben. Materialkosten, etwa für Chips, Speicherplatten und Monitore, machen allein 74 Prozent des Dell-Umsatzes aus. Da bringt ein Lagerbestand von nur fünf Tagen fast drei Prozent Ergebnisvorsprung gegenüber einem anderen Hersteller mit zum Beispiel vier Wochen Lagerbestand. Die Materialkosten auch nur in Promille-Graden zu drücken, bringt mehr Profit, als etwa die Effizienz der PC-Produktion um zehn Prozent zu steigern. Und während Dell pro Jahr nur etwa 0,1 Prozent vom Umsatz an Abschreibungen auf Vorräte und Lagerbestände abschreiben muss, liegt der Wert der Konkurrenz bei zwei bis drei Prozent.Positiver Cash Flow Der aktuelle Preiskampf schlägt sich natürlich auch in sinkenden Profiten bei Dell nieder. Aber Dell hat nach wie vor einen positiven Cash Flow, das heißt die Liquidität ist gesichert, vor allem weil die offenen Forderungen binnen 30 Tagen eingetrieben werden, während der Konzern sich bei den Rechnungen 60 Tage Zeit lässt. Angesichts der Marktstärke und Einkaufsmacht von Dell kann sich kein Zulieferer diesem Druck entziehen. Nach diesem Modell sichert das Unternehmen Geldfluss und Zinserträge, auch wenn zeitweilig keine Profite in Sicht sind.Das Timing für Dells Preiskrieg ist clever. Angesichts der Krise schaut die Kundschaft mehr denn je auf die Preise, und die Konkurrenz verliert in jedem Fall. Denn für Preissenkungen hat sie keinen finanziellen Spielraum, und sie hat auch nicht mehr die Zeit, die eigenen Abläufe dem Vorbild von Dell anzupassen. Vermutlich werden nach diesem Preiskrieg nur noch wenige Hardware-Hersteller übrig bleiben.Kein Geld für Innovationen Die Preise fallen nicht nur für PCs, für diese inzwischen technisch ausgereizten Produkte des Technologiesektors. Der Preiskrieg erfasst auch die heißesten Produkte und tobt auch auf relativ jungen, schnell wachsenden Märkten - bei Handhelds, Notebooks, Netzwerk-Routern, bei Servern und Speichersystemen, die in den Unternehmen eingesetzt werden. Speichersysteme von EMC, IBM oder Hitachi - waschmaschinengroße Geräte, die zur Verwaltung riesiger Datenbestände eingesetzt werden - sind im ersten Quartal 2001 um 25 Prozent billiger geworden. Server des US-Unternehmens Sun, die ganze Netze verwalten, verzeichnen einen Preisverfall von 15 Prozent.Investitionen in Forschung und Entwicklung, in Zukunftstechnologien sind unter diesen Bedingungen kaum noch bezahlbar. So lässt etwa der Verfall der Chip-Preise - von DRAM-Speicherbausteinen bis zu Prozessoren und Handy-Bausteinen - wenig Geld übrig, um in neue Entwicklungen und in neue Fabriken zu investieren, die jahrelange Vorlaufzeit brauchen. Nur die Branchenriesen - die Monopole - haben genug in der Kriegskasse, um diese Durststrecke zu überstehen. Es ist im HighTech-Sektor eben anders als zum Beispiel in der Pharmabranche mit ihren geschützten Märkten.Vernunftehe oder Verzweiflungstat? Die wenige Tage vor dem 11. September 2001 angekündigte Übernahme von Compaq durch Hewlett Packard (HP), über die demnächst die Aktionäre der beiden Konzerne und die Kartellbehörden in den USA und Europa entscheiden werden, ist ein weiterer Beleg dafür, dass der PC-Markt eine reife Industrie geworden ist - wie der Markt für Waschmaschinen oder für Stahl. Compaq-Chef Capellas vermied bei der Ankündigung der Fusion bezeichnenderweise das Wort PC; er sprach stattdessen von "access devices", was soviel heißt wie: Endgeräte oder Zugangsgeräte für das Internet. Das Zusammengehen HP-Compaq demonstriert aber auch, dass eine ganze Branche sich "zu Tode gesiegt" hat - mit ihrem Erfolgsrezept, nur über den Preis zu konkurrieren und, statt selbst Forschung und Innovationen voranzutreiben, die Technologien von Intel und Microsoft zu beziehen.Stewart Alsop, Kolumnist des US-Wirtschaftsmagazins Fortune, kommentiert diese Entwicklung so: "Der Ursprung für den HP-Compaq-Deal ist die Art und Weise, wie Microsoft sein Monopol ausspielt. Microsoft nutzt sein Monopol so effektiv, dass Computerhersteller keine Chance mehr haben. Das Ergebnis ist eine todkranke Branche, in der jede Firma - Ausnahme Dell - ums Überleben kämpft. Eigentlich ist der Boss einer PC-Firma zu bedauern. Er managt Milliarden Dollar, aber ohne die Möglichkeit, technisch einzigartige Produkte herzustellen. Das Ergebnis: Der Wettbewerb geht nur über den Preis. Nur Dell hat gelernt, den Preis der Produkte zum eigenen Vorteil zu managen."Durch die Fusion von HP und Compaq entsteht, gemessen an den Marktanteilen, ein beeindruckendes Imperium: Der neue Konzern kontrolliert 44 Prozent des Computer-Marktes und 23 Prozent des Drucker-Marktes. In den USA entfallen auf HP/Compaq 80 Prozent des Umsatzes der größten Computerketten, das Duo besetzt zwei Drittel aller Verkaufsregale. Kleinere Konkurrenten wie Toshiba oder Fujitsu/Siemens können da kaum noch mithalten. Und die Verbraucher müssen damit rechnen, dass sich die Zyklen für neue Produkte verlangsamen. Aber die eigentlichen Gewinner der Fusion sind zunächst wiederum Microsoft und Intel: Das neue Unternehmen stattet seine Rechnerfamilien - vom Handy und Handheld bis zum schnellen Server - vorrangig mit den Betriebssystemen von Microsoft aus. Prozessorhersteller Intel dominiert mit seiner Technologie künftig noch mehr den Chip-Markt, weil Compaq aus Geldmangel die konkurrierende Alpha-Chip-Architektur an Intel verkaufen musste und weil HP seine hauseigene Prozessorfamilie (PA-Risc) zu Gunsten von Intel-Chips auslaufen lässt. Konkurrierende Prozessoren für schnelle Rechner gibt es künftig nur noch von IBM (PowerPC) und von Sun (Sparc). Bei Endgeräten für den privaten Haushalt (PCs, Notebooks) bleibt dann allenfalls noch die Konkurrenz der Athlon-Prozessoren von AMD. Wenn die Fusion HP/Compaq doch scheitert, sind die geschwächten Konzerne allein noch mehr auf Microsoft und Intel angewiesen.Das neue Gespann HP/Compaq ist also nicht besonders gut aufgestellt, wie man in Wirtschaftskreisen zu sagen pflegt. Das Duo dominiert zwar nach Zahlen den PC-Markt, verliert aber Geld dabei. Bei den Computerangeboten für Geschäftskunden hat HP/ Compaq weitaus mehr Prozessorarchitekturen und Betriebssysteme im Angebot als etwa IBM; hier erwartet die Kundschaft Investitionsschutz, also kostspielige Garantien für Weiterentwicklung und Service für Hardware und Software. Bei den Dienstleistungen, die weiter wachsen und noch auskömmliche Margen bieten, ist HP/Compaq besonders am unteren Ende der Wertschöpfungskette - beim Kundendienst für Produkte - vertreten. Die Konkurrenz wie IBM, CSC, EDS, Cap Gemini oder die Beratungsfirmen wie Arthur Andersen, Accenture oder Price Waterhouse verdienen noch gutes Geld mit EDV-Projekten und IT-Beratung.Bleibt das Geschäft mit Druckern: Hier ist HP Weltmarktführer. Aber das eigentliche Geschäft macht HP nicht mit Druckern, sondern mit den Druckerpatronen, die zuletzt 80 Prozent des Konzerngewinns brachten. Das Erfolgsgeheimnis: Durch eine spezielle, chip-geschützte Technik ist die Kundschaft gezwungen, für HP-Drucker nur HP-Druckerpatronen zu benutzen. Das hat wenig mit HighTech-Innovation, dafür umso mehr mit cleverer Ausbeutung der eigenen Marke und der eigenen Marktstellung zu tun. Ebenso verfährt Gillette mit den Mach-Rasierern oder mit den Braun-Zahnbürsten, die fast verschenkt werden, damit anschließend mit Rasierklingen oder mit Bürstenaufsätzen umso mehr verdient wird.
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