Die Branche ist auf rasanter Talfahrt, es trifft Internet-Service-Provider, Telekom-Dienstleister und Mobilfunk-Anbieter ebenso wie die Hersteller der Telekom- und Netzwerk-Infrastruktur. Gerade hat der Siemens-Konzern angekündigt in seiner Netzwerksparte rund 2.000 Arbeitsplätze mehr abbauen zu wollen als ankündigt. In den USA steht die früher allmächtige Telefongesellschaft AT, die noch vor wenigen Jahren einer der größten Konzerne der Welt war und alle US-Haushalte mit Internet und Multimedia beliefern wollte, vor der Zerschlagung in vier Teile. Das AT mit Ferngesprächen wirft immer weniger ab. Die mit dem AT MCI fusionierte Firma Worldcom, die den größten Teil der weltweiten Internet-Infrastruktur besitzt und deren Aktie ein großer
;er Börsenstar der neunziger Jahre war, meldet für 2001 nur noch ein einstelliges Wachstum und kündigt einen Konzernumbau an, weil mit den Datennetzen nicht dass große Geld zu machen ist. Auch die Mobilfunk-Firmen müssen weltweit ihre Umsatz- und Gewinnprognosen zurückschrauben.Was ist passiert? Warum ist eine Industrie, die das kapitalistische Wachstum in den neunziger Jahren zum erheblichen Teil getragen hat, plötzlich im Keller? Zur Klarstellung: Die Branche wächst noch. In den USA werden die Umsätze aus Telekom-Dienstleistungen 2001 weiter um zehn Prozent steigen, und auch der Markt für die Ausrüster der Netz-Infrastruktur wird expandieren. Vor allem den Telekom-Firmen geht es weiter ziemlich gut, die im Festnetz das Monopol auf die sogenannte letzte Meile zum Kunden haben: In den USA sind das die regionalen Telefongesellschaften - Verizon, BellSouth, Qwest und SBC Communications -, in Europa und Japan die früheren Monopolisten - NTT, Deutsche Telekom, France Telecom, Telefonica (Spanien) oder Telecom Italia. Dennoch: Die große Party ist vorbei.Technologie-Sprünge der Kommunikation - Raum und Zeit sprengenSie hatte damit begonnen, dass mit dem Siegeszug der Computer und der Digitalisierung die Branche von Technologiesprüngen überrollt wurde. Am Anfang stand die Digitalisierung der 150 Jahre alten Sprachkommunikation, also die Verwandlung der analogen Sprachsignale in Folgen von Bits und Bytes. Die elektromechanischen Telefonvermittlungen verschwanden und wurden durch Computersysteme ersetzt. Es begann der Siegeszug der ISDN-Hausanschlüsse und der digitalen Nebenstellenanlagen in den Büros. Die digitalisierte Telefonie hat aber dieselbe technische Grundlage wie eine Datenverbindung zwischen Computern, bei der ebenfalls Bits und Bytes transportiert werden. Damit waren die Weichen gestellt für die zunehmende Verschmelzung von Sprachkommunikation und Datenkommunikation.Wachsender Bedarf an schneller Datenkommunikation brachte zudem eine Vielzahl weiterer Innovationen hervor, besonders optische Technologien wie die Übertragung per Glasfaserkabel, also theoretisch in Lichtgeschwindigkeit. Und die Datenströme weiter zu beschleunigen, wurden spezielle optische Vermittlungsgeräte entwickelt, die es mit der sogenannten "Breitband"-Technologie ermöglichten, in einem Glasfaserkabel in Echtzeit beispielsweise das immense Datenvolumen Tausender Kinofilme parallel zu übertragen. Damit hatte die Vernetzung die Grenzen von Raum und Zeit überwunden.Der Siegeszug des Internet in den vergangenen fünf Jahren brachte für die Kommunikationstechnologien weitere drastische Umwälzungen: Erstens stieg das Volumen des Datenverkehrs plötzlich exponentiell. Zweitens wurde das hinter dem Internet stehende Kommunikationsverfahren - das Internet-Protokoll (IP) - zum dominierenden Standard der Netzkommunikation, also auch für die Sprachtelefonie. Und schließlich die mobile Kommunikation: Gerade zehn Jahre ist es her, seit in Europa und Asien der digitale Mobilfunk-Standard GSM Wirklichkeit wurde. In Ländern wie Schweden, Finnland, Italien oder Deutschland ist längst jeder Zweite Mobilfunk-Teilnehmer - teilweise gibt es schon mehr Mobilfunk- als Festnetz-Anschlüsse. Die weitere technische Entwicklung geht in Richtung der Verschmelzung von Mobilfunk, mobiler Datenkommunikation und Internet. Der im vergangenem Jahr eingeführte sogenannte WAP-Standard (Wireless Access Protocol) wird in Europa aber kaum genutzt, weil die Verbindung quälend langsam, auf den Miniatur-Handy-Displays kaum etwas zu sehen ist und die Verbindung zum Internet jedes Mal neu aufgebaut werden muss. Fortschritte sollen jetzt Geräte und Verbindungen nach dem neuen GRPS- und ab 2003 nach dem künftigen UMTS-Standard bringen; dabei ist das Handy ständig mit dem Internet verbunden, breitbandige Funkverbindungen sollen den schnellen Transport großer Datenmengen erlauben.Die technologischen Revolutionen in der Telekommunikation haben erwartungsgemäß einen gigantischen Zustrom von Kapital ausgelöst, es lockten bislang traumhafte Renditen für die Marktführer wie für die Firmen, die eine neue Technologie als erste in profitable Produkte oder neue Dienstleistungen umsetzen konnten. Die weltweite Deregulierung und Privatisierung von vormals staatlich organisierten Telekom-Diensten fesselte ihrerseits enorme Kapitalmassen. So sind Tausende neuer Telekom-Firmen entstanden, die neue Netze gebaut haben - lokale Telefonnetze, schnelle Glasfasernetze zwischen den Wirtschaftszentren, Mobilfunk-Netze und Interkontinental-Verbindungen. Dabei hat sich die Nutzung von Festnetzen zu Mobilfunk-Netzen verschoben - von Schmalband- zu breitbandigen Verbindungen. Kontinuierliche Datenströme übersteigen längst den Sprachverkehr auf Systemen, die für Telefongespräche gebaut worden sind. Das Volumen des Datentransfers in den Netzen verdoppelt sich alle drei bis vier Monate. Warten auf die "Killer"-Angebote: Filmpakete vom ServerDoch jetzt ist zuviel investiert und Marktbereinigung angesagt, damit die Renditen wieder steigen können. Die Pleitewelle rollt schon, nicht nur in den USA, auch in Deutschland. Wie lange dieser Prozess dauern wird, welche sozialen Opfer er kostet, ist schwer absehbar. Auf jeden Fall werden die volkswirtschaftlichen Auswirkungen groß sein, weil die Telekommunikation das Wachstum zuletzt erheblich getragen hat. Gerade im vorgeblichen Zukunftsmarkt Datennetze und Internet ist das Dilemma der Branche besonders deutlich.Die Schicksalsfrage für alle Unternehmen lautet: Wie kann ein explosiv wachsender Datenverkehr in steigende Umsätze und Gewinne übersetzt werden? Die US-Firma Worldcom kontrolliert zwar praktisch das Rückgrat des Internet und viele andere Datennetze, aber das kaum mehr wachsende Fernsprechgeschäft liefert immer noch 60 Prozent der Umsätze. Qwest hat in den USA zwar Extra-Netze für den Datenverkehr gebaut, aber inzwischen sogenannte Voice-Switche installiert, um die Datenleitungen mit Ferngesprächen auszulasten und so die Kassen durch Extra-Umsatz zu füllen. Angesichts des Wirbels über Daten und Internet sprechen die Firmen nicht gern darüber.Fazit: Kein Telekom-Dienstleister hat bislang die magische Formel, wie mit dem Datenverkehr wirklich Geld zu machen ist. Doch die früheren Telefon-Monopole brauchen sie, um zurückgehende Einnahmen aus dem Telefongeschäft zu kompensieren. Und die neuen Firmen brauchen unbedingt Umsätze, um ihre teuren neuen Datennetze zu bezahlen.Im Datenverkehr ist deshalb bislang nicht viel zu verdienen, weil lediglich Pakete von Bits und Bytes von A nach B transportiert werden. Das bieten alle Firmen, folglich sind die Preise niedrig und eine Extra-Wertschöpfung findet nicht statt. Wovon die Firmen träumen, das sind spezielle Angebote, für die sie Premium-Tarife verlangen können: Live-Konferenzen etwa oder Filme oder Musik per Internet in Spitzenqualität, also zeitkritische Angebote, die "per Express" und natürlich mit entsprechendem Aufschlag per Internet transportiert werden. Alle Telekom-Firmen warten auf derartige "Killer"- Angebote, die einen Run auf teure Datendienste auslösen sollen. Und sie warten auf die dafür nötige Hardware und Software der Hersteller, damit Filme per Internet mehr sind als Sequenzen von ruckelnden Bildchen.Solange es diese "Killer"-Applikationen samt Hard- und Software noch nicht gibt, suchen die großen Dienstleister nach zusätzlichen Geschäften: als Anbieter von Software- und IT- Dienstleistungen (so die Deutsche Telekom mit der Akquise von debis), als Internet-Dienstleister und Web-Hoster, die auf ihren Rechnern die Internet-Angebote von anderen Unternehmen halten. Und sie versuchen verzweifelt, die teuren, aber wenig genutzten Datenleitungen mit "Inhalt" zu füllen, also mit mehr oder weniger nützlichen Angeboten, für die mehr Geld verlangt werden kann. Genau das steckt hinter der Allianz der Telekom beziehungsweise von T-Online mit dem ZDF und dem Springer-Verlag. Weil aber alle Telekom-Dienstleister ähnliche Auswege aus der Malaise suchen - eingeklemmt zwischen dem verlustbringenden "Zukunftsmarkt" Datenverkehr und der "alternden Cash Cow" Fernsprechverkehr -, besteht die Gefahr, dass auch die neuen Geschäftsfelder schnell zu Massenmärkten werden, auf denen vor allem der niedrige Preis zählt und nur die Größten mit dem dicksten Geldbeutel überleben. Gut zu besichtigen beim Internet-Providing, das hierzulande binnen weniger Jahre ein Niedrigpreis-Geschäft geworden ist.
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