Wie der Titel bereits verrät, ist die Ausstellung ganz der Fantasie dieser außergewöhnlichen Künstlerin gewidmet und blättert wie ein Wörterbuch, das ihre Sprachen definiert, oder ein Alphabet, das ihre Geschichten entschlüsselt, ihr vielseitiges und langjähriges Œuvre auf. Die Ausstellungsräume der Kunsthalle werden zur Bühne, zum Filmset, zum Studio, zum Backstage, zum Archiv und zum lebendigen Museum. Fotografische Bilder kartieren einen Atlas jener Orte auf der Welt, an denen sie ihr Leben verbracht hat, während installative Elemente und skulpturale Formen ihr Verständnis von Körpern widerspiegeln. Filmische Räume, die ihre Politik des Erzählens und ihre politischen Statements in vielen verschiedenen Formen wiedergeben, schaffen Zwischenräume durch eigene Einsichten und Perspektiven.
Das Werk dieser Pionierin der avantgardistischen Filmkunst besticht durch seine unverwechselbare Ästhetik. Ihr feministischer Blick auf vergangene und aktuelle Zeitgeschehen und die Darstellung queerer Persönlichkeiten stellen einen Anknüpfungspunkt zu gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Diskussionen her.
Der Ausstellungsrundgang führt anhand von Drehbüchern, Filmrequisiten, Objekt- und Kostüminstallationen, Stoffcollagen, Fotografien durch die extravaganten Filmwelten der Künstlerin.
Die Ausstellung endet mit der Präsentation von Ottingers Malereien, die sie als junge Künstlerin in Paris schuf. Mit ihren Gemälden gilt sie als eine der bedeutendsten Repräsentantinnen der Pop-Art in Europa. Diese Arbeiten erinnern daran, dass eine kritische und kreative Auseinandersetzung mit Problematiken, die bereits vor fünfzig Jahren in den studentischen Protesten in Paris angeprangert wurden, unablässig sein muss.
Von Filmbegeisterten zu Kunstinteressierten, von Flanierenden zu Reisenden, von Zuschauer*innen zu Performer*innen – die Besucher*innen in Baden-Baden werden ganz unterschiedliche Positionen einnehmen, während die Ausstellung die wichtigsten Stationen aus Ottingers Oeuvre Revue passieren lässt. Reminiszenzen an ihre einzigartigen Werke wie Freak Orlando (1981) oder Dorian Gray im Spiegel der Boulevardpresse (1984) sowie Beispiele ihrer subtilen Regietätigkeit in anderen Bereichen, von der Fotografie bis zur Malerei, bilden eine Storyline, um zu verstehen, wie Ottinger sich erinnert und ihre eigene Art des Erzählens rekonstruiert. Im Kontext des Ausstellungmachens sind diese Fragen heute sehr aktuell: Wie schaffen wir einzigartige Räume der Filmgeschichte in einem musealen Umfeld? Und wie können wir diese historischen Elemente früher queerer, feministischer und politischer Themen für die nächsten Generationen wiederbeleben?