Die Rezeption des Werks von Pablo Picasso in Nachkriegsdeutschland ist bestimmt von zwei Phasen: Nazi-Zeit und Kalter Krieg.
Die Nazis hatten die Beschäftigung mit Picassos Kunst brüsk abgebrochen. Nach 1945 musste die künstlerische Moderne mühsam aufgearbeitet werden. Doch der Kalte Krieg drängte dem kapitalistischen und dem sozialistischen Deutschland eine je andere Deutung auf. Im Westen wurden Picassos Formenvielfalt und Produktivität gefeiert. Der Osten feierte sein Engagement, denn der Künstler war seit 1944 aktives Mitglied der Kommunistischen Partei Frankreichs.
Unterschiedlich beantwortete man die Frage, wie die Nazi-Zeit zu bewerten sei. Hatten sich die Nazis der Kunst bemächtigt? Musste Kunst fortan von politischen Ansprüchen freigestellt werden? Diesen Schluss zog der Westen. Oder sollte man die Kunst nun erst recht in den politischen Kampf einbeziehen? So dachte man im Osten, und so dachte auch Picasso.
Auf dem Parcours durch das, was Picasso in West und Ost widerfuhr, stoßen wir immer wieder auf diesen Gegensatz. Auch an Überraschungen fehlt es nicht: Picasso wurde auch im Westen verboten. Und obwohl sein Werk in der DDR kaum zu sehen war, verlief dort die Debatte über ihn lebhafter als in der BRD. Außerdem wurde die Staatsgrenze häufig überschritten – und das ist auch Teil der Geschichte des Museum Ludwig.
Der Künstler in der Welt
Wie viele andere französische Intellektuelle trat Picasso 1944 in die Kommunistische Partei ein. Anders als die meisten anderen trat er nicht wieder aus.
Er gab seine Unterschrift für Aufrufe der Partei, gestaltete Plakate, spendete großzügig, prostete Stalin zum Geburtstag zu oder zeigte ihn als jungen Mann (was Anstoß erregte), vor allem zeichnete er unzählige Tauben, das kommunistische Friedenssymbol. Obwohl er nicht gern reiste, nahm er an Treffen der Friedensbewegung im Ausland teil.
Nur nach Deutschland kam er nie. In der Bundesrepublik wurde die Kommunistische Partei 1956 verboten. Während man dort Picassos Engagement für eine Marotte hielt, betonte er selbst, Politik und Kunst gehörten deshalb zusammen, weil der Künstler nicht in der Kunst, sondern in der Welt lebe.
Verbote und Vorwände
In der Nachkriegszeit wurde Picassos Kunst im Westen wie im Osten zensiert. In West-Berlin verhinderte 1952 Joachim Tiburtius, der Senator für Volksbildung, eine Ausstellung von Grafiken, die in anderen Städten zu sehen war. Plakate, auf die die Laufzeit der Station in Berlin noch hätte aufgedruckt werden müssen, waren nun wertlos geworden.
Die Absage wurde mit „Transportschwierigkeiten“ begründet. Tatsächlich erfolgte sie, weil Picasso, wie es im Briefwechsel der Kuratoren heißt, „östlich orientiert“ war.
Die Führung im Osten aber war nicht an moderner Kunst orientiert. Die SED ließ die DDR-Auflage eines Picasso-Buchs des Sammlers und früheren Kriegsberichterstatters Lothar-Günther Buchheim beschlagnahmen, weil es nur die „formalistischen Arbeiten dieses revolutionären spanischen Künstlers“ enthalte. Offiziell wurden andere Gründe angeführt: Das Impressum fehle, das Buch sei zu teuer.
Die Taube als Symbol
Schon für Picassos Vater, den Kunstlehrer José Ruiz Blasco, waren Tauben Lieblingsmotive. Der junge Pablo übte sich im Schnellzeichnen von Tauben. Die Eule ist der einzige Vogel, dem Picasso so viel Aufmerksamkeit gewidmet hat wie der Taube.
Über die Jahre kam eine Vielzahl von Taubenbildern zusammen. Eines wählte der Schriftsteller Louis Aragon 1949 für das Plakat des Weltfriedenskongresses aus. Picasso wies ihn bei der Gelegenheit darauf hin, dass die Taube kein allzu friedfertiges Tier sei.
Als die Taube zum Friedenssymbol geworden war, legten Interpreten sogar die Tauben, die Picasso aus seinem Fenster malte, als symbolisch aus. Er selbst sagte in einem Interview mitNew Masses, dass er „um des Malens willen“ male und so wenig wie ein kommunistischer Schuster auf Bedeutungen abziele. Dennoch bestehe eine Verbindung zwischen Kunst und Politik: „Ich lege es nur nicht auf sie an, das ist alles.“
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