Prison no.5
Zehra Doğan | Einzelausstellung | ab dem 2. Juni
Der Gorki KIOSK öffnet seine Reihe des 5. Berliner Herbstsalons 2021 – 2022 mit der Einzelausstellung der kurdischen Künstlerin, Journalistin und Aktivistin Zehra Doğan. Die Auswahl in der Ausstellung besteht aus Gemälden, Zeichnungen und Tagebüchern, die Doğan während ihrer dreijährigen Inhaftierung in der Türkei angefertigt hat.
Verurteilt wegen der Verbreitung von »terroristischer Propaganda«, für ein einziges Bild, das sie in den sozialen Medien teilte, schloss sich Doğan der kollektiven Widerständigkeit an, die sie im Gefängnis erlebte und verwandelte die Umstände ihrer Inhaftierung in grenzenlose Kreativität. Wegen der strengen Vorschriften der Gefängnisverwaltungen und des fehlenden Materials, das sie für ihre künstlerische Arbeit benötigt, musste sie mit jenem improvisieren, was sie im Gefängnis vorfand. Aus Stoffen von Kleidern, die ihre Mutter bei den Besuchen mitbrachte, leeren Briefseiten und großen Umschlägen, die ihr Naz Öke und andere Freund*innen schickten, aus Essensresten, den Farben von gemahlenen Gewürzen und ihrem Menstruationsblut entstanden so Arbeiten, die von Doğans Widerständigkeit gegenüber dem patriarchalen und politischen Druck und den schweren Bedingungen der Gefangenschaft zeugen.
Die ausgestellten Zeitschriften und kollektiv produzierten und handbeschriebenen Zeitungen zeigen Doğans journalistisches Engagement und ihre Rolle als Zeugin, als die sie die Absurditäten des Gefängnisalltags, ungerechte und chauvinistische Vorschriften des türkischen Staates, verbale und körperliche Übergriffe, aber auch Akte der Solidarität unter den Häftlingen und ihren gemeinsamen Widerstand dokumentierte.
museum of small things
Video-Installation | ab dem 2. Juni
»Ihr werdet einmal mehr erkennen, dass kein Verbot, keine Repression, keine Isolierung jemals imstande sein werden, einen denkenden Geist einzuschränken.« – Can Dündar
Das museum of small things („Museum der kleinen Dinge“) von Can Dündar und Hakan Savaş Mican erzählt anhand von alltäglichen Objekten die Geschichten von politischen Gefangenen in der Türkei – die meisten dieser Objekte stammen aus dem »größten Journalistengefängnis der Welt«, der Haftanstalt Silivri, in der auch Can Dündar inhaftiert gewesen ist. Die scheinbar kleinen Dinge aus dem Alltag 12 Gefangener – ein über das Telefon gesummtes Lied, eine Flaschenpost oder ein Unterhemd, welches als Leinwand genutzt wird – sind Ausgangspunkt für die Schauspieler*innen Sesede Terziyan und Taner Şahintürk auf etwas viel Größeres hinzuweisen: Gedanken kann man nicht einsperren. Oder wie Ahmet Altan schrieb: »Sie können mühelos durch Wände gehen.« Der Journalist Can Dündar hat die Geschichten von Osman Kavala, Selahattin Demirtaş oder Deniz Yücel und weiteren Menschen, die derzeit aus politischen Gründen in der Türkei in Haft sind oder es gewesen sind, gesammelt und niedergeschrieben, um ihre Kreativität und Kraft in ausweglos erscheinenden Situationen herauszustellen. Indem er ihre Geschichten erzählt, weist er auf die Situation aller politischen Gefangen in der Türkei hin, die zu Unrecht inhaftiert wurden und werden.
Aufgeschrieben und kuratiert wurden die Geschichten von dem Journalisten Can Dündar, inszeniert wurde die Video-Installation museum of small things („Museum der kleinen Dinge“) von Hakan Savaş Mican.
SİLİVRİ. prison of thought
Installation | ab dem 2. Juni
»Sie sehen nicht nur eine Gefängniszelle, vielmehr ist es eine Miniatur der Türkei, des größten Journalistengefängnisses der Welt.« – Can Dündar
Silivri, das Hochsicherheitsgefängnis für Männer außerhalb von Istanbul, ist mehr als eine Haftanstalt. Es steht als Symbol für die prekäre Situation, aber auch den kaum zu brechenden Kampfgeist kritischer Denker*innen in autoritären Systemen. Denn auch hinter Mauern wird weiter gedacht. Bekannt als »größtes Journalistengefängnis« sind dort zahllose Journalisten, Intellektuelle und Menschenrechtsaktivisten inhaftiert. Auch der renommierte Journalist Can Dündar, ehemaliger Chefredakteur der Zeitung Cumhuriyet, war dort in Haft.
Im Berliner Exil kuratiert Dündar mit SİLİVRİ. prison of thought eine abstrahierte, beinah maßstabsgetreue Nachbildung einer Zelle – ein Raum mit einer Grundfläche von 3,94 mal 3,71 Metern, beengt und lebensfeindlich. Die Zelle, von Shahrzad Rahmani entworfen als freistehendes, transparentes Objekt, verweist auf mehr als das individuelle Schicksal der Insassen. In einer Zelle dieser Art saßen und sitzen neben prominenten Gefangenen wie Ahman Altan, Osman Kavala, Peter Steudtner oder Deniz Yücel auch zahllose andere Intellektuelle. SİLİVRİ. prison of thought konfrontiert die Besucher*innen mit einer politischen Realität, in der Journalist*innen, Künstler*innen oder Menschenrechtsaktivist*innen für ihre Arbeit, für ihre Kunst, ihre Worte, ihr Denken verhaftet werden.
Witness
Timur Çelik | Ausstellung | ab dem 2. Juni
2014 besuchte der in Berlin lebende Maler Timur Çelik während seiner Reise in die Türkei auch den östlichen Teil des Landes. Die psychologische und politische Spannung nach dem Scheitern der Friedensverhandlungen zwischen der türkischen Regierung und dem kurdischen Widerstand hinterließ bei ihm einen starken Eindruck.
Er begann, die beunruhigende Ungewissheit zu malen, die er wahrnahm, und die nicht nur die kommende Zerstörung und weitere Unterdrückung in der Region vorwegnahm, sondern auch die politische Depression, die das ganze Land erfassen würde.
Neben Gemälden dieser neuen Serie versammelt Çeliks Einzelausstellung eine Gruppe von Porträts von Künstler*innen, Intellektuellen und Menschenrechtsaktivist*innen in der Türkei sowie prominenten Persönlichkeiten aus der Partei HDP, die entweder aufgrund falscher Anschuldigungen gefangen gehalten oder durch endlose Prozesse und Verhöre schikaniert wurden.
In dieser Auswahl zeigt Timur Çelik eine subjektive Faszination für seine Protagonist*innen, indem er der zarten Plastizität ihrer Gesichter eine emotionale Intensität verleiht, die sich aus Leid, Trauer, Trotz und Beharrlichkeit speist.
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