Musik und Kosmos

Zum Programm Kompositionen von Künstlern wie Karlheinz Stockhausen, John Cage oder Gérard Grisey nehmen die Zuhörer mit in klingende Sphären, kosmische Welten und galaktische Räume. In der Kölner Philharmonie kann neuen Klangwelten gelauscht werden
Laura Totenhagen tritt im Rahmen des Festivals mit ihrem Quartett auf
Laura Totenhagen tritt im Rahmen des Festivals mit ihrem Quartett auf

Foto: Laura Andreas Wiszkirchen/ ACHT BRÜCKEN | Musik

Eröffnet wird ACHT BRÜCKEN in diesem Jahr am 30. April mit der Aufführung von Karlheinz Stockhausens »Sternklang« im RheinEnergieSTADION. Die Birmingham Contemporary Music Group und Das Neue Ensemble spielen diese in den 1970er Jahren entstandene »Parkmusik für fünf Gruppen«, für deren Entstehung der Komponist Sternkonstellationen herangezogen hat. Der freie Blick in den Himmel ist als Bestandteil der Komposition sowohl für die Interpreten als auch für das Publikum vorgesehen.

Der 1. Mai und zweite Festivaltag verspricht mit dem ACHT BRÜCKEN Freihafen nicht minder ereignisvoll zu werden. Ein ganzer Tag Musik bei freiem Eintritt beginnt um 11:00 mit einer von Jutta Seiler geführten Meditation in der Kölner Philharmonie. Die Meditation stimmt ein auf John Cages »Etudes Australes«, die in der Interpretation von Rei Nakamura um 12:00 am selben Ort erklingen. In direkter Nachbarschaft, der artothek – Raum für junge Kunst, eröffnet um 13:00 die Ausstellung »The Secret of Life« mit beweglichen Klangskulpturen von Simon Rummel und Vera Lossau.

Ein ganzer Tag freier Eintritt

Mit der Performance »112 ins All« von Marcel Sijm und Niels Vermeulen wird um 13:00, 14:00 und 16:00 Uhr das Foyer der Kölner Philharmonie und das Untergeschoss des Museum Ludwig bespielt. Eine Premiere und gleichzeitig Abschlusspräsentation eines partizipativen Projektes, das mit Textbeiträgen von Kölner Kindern konzipiert wurde und mit Sängerinnen und Sängern aller Altersgruppen aus Köln realisiert wird. Um 15:00 kommen Fans von Jazz-Orchestern und Gesang auf ihre Kosten, wenn das Kölner Subway Jazz Orchestra mit der Vokalistin Tamara Lukasheva und dem Projekt »Homotopie« im WDR Funkhaus Wallrafplatz antritt. Ein Festivalhighlight und Meisterwerk des Komponisten Gérard Grisey erfüllt um 17:00 die Kölner Philharmonie: »Les espaces acoustiques« setzt an mit einem ausgedehntem Bratschensolo und steigert sich in alle Schattierungen eines satten, großvolumigen Orchestersounds.

Diese Odyssee im Klangraum wird von der Jungen Deutschen Philharmonie und dem Ensemble Modern dargeboten. Gut eingestimmt auf Grisey ist ein weiteres Werk des Komponisten um 20:00 im Theater am Tanzbrunnen zu erleben: In »Le noir de l’étoile« hat der Franzose die Frequenzen zweier schnell rotierender Neutronensterne verarbeitet und ein »kosmisches Metronom« geschaffen, das in der Interpretation des sechsköpfigen Slagwerk Den Haag eine raumfüllende und spektakuläre Percussion-Perfomance zu werden verspricht. Wer seinen Platz im Theater am Tanzbrunnen beibehält, kann ab 22:00 in die Metaphysik von Karlheinz Stockhausen abtauchen. Seine elektronischen Werke »FREITAGS-GRUSS« und »COSMIC PULSES Nr. 93« aus dem monumentalen Opernzyklus LICHT und unvollendeten Zyklus KLANG bilden einen würdigen Ausklang des Tages.

Intergalaktischer Jazz

Am 2. Mai landet das intergalaktische Sun Ra Arkestra im Gloria-Theater. Der mittlerweile 95-jährige Saxophonisten Marshall Allen leitet das Free-Jazz-Musikerkollektiv und erhält die Visionen der Legende Sun Ra am Leben. Der Sun Ra-Film »Space is the place« lädt am Mittag im Filmforum zur Einstimmung auf das Konzert ein. Mit Ambient-Sounds und psychedelischen Klanggebilden von O Yuki Conjugate und Drew McDowall endet der Abend ab 21:00 im Gewölbe am Hans-Böckler-Platz. »bright darkness« verspricht das Werk des österreichischen Komponisten Klaus Lang. Am 3. Mai wird es im WDR Funkhaus Wallrafplatz vom Ensemble asamisimasa aufgeführt und mit einer Lichtperformance der Live-Bewegtbild-Künstler Warped Type in eine visuelle Ebene überführt. Ein attraktiver Rahmen für die Uraufführung von drei neuen Werken der Komponistinnen Mirela Ivičević, Vasiliki Krimitza und Annesley Black.

Der 4. Mai beginnt am Mittag mit einem Vortrag des Musikwissenschaftlers Marcus Erbe über Manuel Göttsching und Suzanne Ciani. Die beiden Pioniere elektronischer Musik stehen am Abend auf der Bühne der Kölner Philharmonie. Bevor der Berliner Manuel Göttsching sein legendäres Projekt »E2-E4« aufführt, performt die 74-jährige Amerikanerin Suzanne Ciani ihre »Improvisation on Four Sequences«. Zuvor ist am frühen Abend die Abschlusspräsentation des Schülerprojektes Response in der Comedia zu erleben und am späten Abend dann das erste ACHT BRÜCKEN Lounge-Konzert mit der Band JO. Wie jedes Jahr bei freiem Eintritt, aber in diesem Jahr in der neuen Spielstätte King Georg – Club & Bar am Ebertplatz.

Hommage an die Beatles

Ein Schultanzprojekt mit Videoeinspielungen der Hochschule für Musik und Tanz Köln mit Schülerinnen und Schülern des Kölner Montessori-Gymnasiums wird zum ACHT BRÜCKEN Lunch am 5. Mai in der Comedia unter dem Titel »Bewegter Kosmos« aufgeführt. Am frühen Abend laden der Deutsche Komponistenverband und das Neue-Musik-Netzwerk ON, in der Alten Feuerwache zu einem Gespräch mit der Komponistin Chaya Czernowin ein, deren Werk »The Fabrication of Light« am übernächsten Tag in der Kölner Philharmonie uraufgeführt wird.

Die Bühne der Kölner Philharmonie gehört am Abend des 5. Mai der hrBigband, den Eggs Laid by Tigers und Django Bates. Der britische Multi-Instrumentalist, Komponist und Arrangeur hat den Beatles mit seinem »Saluting Sgt. Pepper« ein HommageProjekt geschrieben. Sämtliche Songs des legendären Beatles-Albums werden in originaler Tonart und Reihenfolge, aber eben in neuem Gewand erklingen. In der ACHT BRÜCKEN Lounge steht am Abend das Quartett der Sängerin Laura Totenhagen auf der Bühne. Das Orchester der Hochschule für Musik und Tanz Köln, fester Bestandteil des Festivals, bringt zum Lunchkonzert am 6. Mai Casper Johannes Walters »Gekrümmte Räume« in der Hochschule selbst zu Aufführung. Am Abend erklingt ein Festival-Highlight mit historischem Wert in den Sartory-Sälen: Charles Ives beschloss vor über 100 Jahren, die ganze Welt mit sinfonischen Mitteln in Töne zu fassen, der Grundstein für seine »Universe Symphony« war gelegt. Ihm selbst gelang es nicht mehr, das Mammutwerk zu vollenden. Dank Johnny Reinhards Aufführungsfassung von 1996 ist das Werk dennoch zu erleben; gespielt wird es am 6. Mai von den Bochumer Symphonikern. Die ACHT BRÜCKEN Lounge am Abend lockt mit zwei Saxophonisten und ihrem Jazzquartett Schmid’s Huhn.

Der 7. Mai beginnt mit einer öffentlichen Probe des Gürzenich-Orchesters Köln in der Kölner Philharmonie. Die klassische Anordnung von Musikern auf der Bühne und Publikum im Saal wird zum Lunchkonzert noch aufrecht erhalten, zum Konzert am Abend dann aber gebrochen: Für Iannis Xenakis’ Stück »Terretektorh« werden 88 Musiker (Ensemble Musikfabrik und NDR Jugendsinfonieorchester) im Publikum verteilt. Eine beeindruckende Aufführungssituation, insbesondere als Klang-Raum-Erfahrung für die Konzertbesucher, die auch bei den Aufführungen von James Tenneys »Form 3« und Chaya Czernowins »Fabrication of Light« eine Rolle spielt. In die ACHT BRÜCKEN Lounge laden Mount Meander ab 22:00 zum Ausklang des Festivaltages.

Klänge aus dem Weltall

Mit dem Projekt »Leuchtstoffraum 1 – Der Kleinmann-Low-Nebel« des Astrophysikers Volker Ossenkopf-Okada und des Musikprofessors Julian Rohrhuber trifft am 8. Mai Astrophysik auf elektronische Komposition. Für das Werk, das unter freiem Himmel auf dem Platz vor den Physikalischen Instituten der Universität zu Köln aufgeführt wird, wurden exakte Messresultate elektromagnetischer Strahlung des Herschel-Weltraumteleskops herangezogen. Das genaue Verfahren wird in einem Vortrag am Mittag auf der Empore der Kölner Philharmonie erläutert. Auch der Komponist Georg Friedrich Haas hat sich für sein Werk »Joshua Tree«, das am frühen Abend von der Basel Sinfonietta uraufgeführt wird, von den Weiten des Kosmos inspirieren lassen. Sein Werk hat er unter freiem Himmel im kalifornischen Joshua Tree National Park verfasst.

Der Himmel ist auch Gegenstand in Michael Jarrells »… Le ciel, tout à l’heure encore si limpide, soudain se trouble horriblement…», das Phänomen der Zeit hingegen prägt Harrison Birtwistles »Deep Time«. Alle drei Werke werden mit besonderer Lichtgestaltung in der Kölner Philharmonie erklingen. Zur »Groove Night« in die ACHT BRÜCKEN Lounge laden im Anschluss Simon Oslender & Friends. Der tägliche ACHT BRÜCKEN Lunch lädt am 9. Mai zu einer öffentlichen Probe mit dem WDR Sinfonieorchester in die Hochschule für Musik und Tanz Köln ein. Im Anschluss daran wird am selben Ort der Film »Karlheinz Stockhausen: VORTRAG ÜBER HU« gezeigt, in dem der Komponist über sein Werk INORI spricht.

Eva Zöllner, Spezialistin für zeitgenössische Akkordeon-Musik und Klarinettistin Heather Roche, lassen am Nachmittag in der Lagerstätte für die mobilen Hochwasserschutzelemente unter dem Titel »out of sight« neue Klangwelten entstehen. Im WDR Funkhaus am Wallrafplatz werden zum ersten Mal die Werke der diesjährigen Gewinner des Internationalen ACHT BRÜCKEN-Kompositionswettbewerbs in der Interpretation des Kollektiv3:6Koeln zu hören sein. Bevor dann am späten Abend der Tag mit der ACHT BRÜCKEN Lounge und der Band ZOLA ausklingt, steht noch ein Großereignis in der Kölner Philharmonie auf dem Programm: Eine Vielzahl an Musikern der freien Kölner Szene hat sich zum ON Allstars-Ensemble formiert und wird John Cages »Atlas Eclipticalis« und »Winter Music« simultan aufführen, eine wahre Kunst der Kombinatorik und des Loslassens.

Musik für Außerirdische

Mit fünf Konzerten der Extraklasse beschließt ACHT BRÜCKEN seine Festivalausgabe »Musik und Kosmos« am 10. Mai. Den Tagesauftakt macht das Gürzenich-Orchester Köln mit dem Raschèr Saxophon Quartett in der Kölner Philharmonie. Jean-Féry Rebels »Les Élémens« und die Uraufführung von Bernhard Ganders »Evil Elves: Level Eleven« stehen auf dem Programm, das in der zweiten Hälfte um einen Klassiker der Musik der Moderne ergänzt wird: Igor Strawinskys »Le Sacre du printemps«, eines der Werke, die 1977 von der NASA in Form einer goldenen Schallplatte ins All geschickt wurden, als man sich fragte, welche Musik einer fremden Lebensform unsere Welt in Klängen schildern könnte. Der Nachmittag des Abschlusstages gehört dem Trio Catch und David Barski, die in der Lagerstätte für die mobilen Hochwasserschutzelemente mit einem Familienkonzert musikalisch »Eine Reise durch das Weltall« unternehmen; erklingen werden u. a. Werke von John Williams, Beat Furrer und Karlheinz Stockhausen. »celestial objekts« lautet der Titel des Konzerts im WDR Funkhaus Wallrafplatz am frühen Abend.

Das European Workshop for Contemporary Music führt neue Werke von Matthias Krüger und Teoniki Rożynek sowie Tristan Murails »Le Lac« und Matthias Pintschers »celestial object I« auf. Die Solistenrolle der Trompete in Pintschers Werk wird von Simon Höfele eingenommen. Eine öffentliche Probe zu diesem Konzert findet beim ACHT BRÜCKEN Lunch statt. Ein spektakuläres Konzert mit Karlheinz Stockhausen hat das Festival eröffnet, ein nicht minder beeindruckendes Werk des Komponisten wird es beschließen: Stockhausens »INORI«, eine »Anbetung für einen oder zwei Solisten und großes Orchester« wird vom WDR Sinfonieorchester und den Tänzern Jamil Attar und Emmanuelle Grach in der Hochschule für Musik und Tanz Köln aufgeführt. Die selten zu erlebende Aufführung dieser Fassung zeigt eindrucksvoll die kreativen Überlegungen des Komponisten, der in seinem Werk die heilige Zahl 13 mit verschiedenen Gesten des Betens aus unterschiedlichsten Kulturen kombiniert. Das Kölner Jazzkollektiv KLAENG feiert 10-jähriges Bestehens und den Abschluss der Festivalausgabe »Musik und Kosmos« mit der KLANEG TEN Party in der ACHT BRÜCKEN Lounge.

31.01.2020, 00:14

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