Im Kampf um Gerechtigkeit

Horizonte Die Filme der Wettbewerbsreihe DOK.horizonte erzählen von Ungleichheit, Marginalisierung und Unterdrückung und von Menschen, die sich dagegen aufbäumen. Die zehn Nominierten kommen allesamt aus Ländern, in denen dieser Kampf zum Alltag gehört ...
Filmstill aus „The Last Shelter“ von Ousmane Samassékou
Filmstill aus „The Last Shelter“ von Ousmane Samassékou

Foto: DOK.fest München

... Sie konkurrieren um den VIKTOR DOK.horizonte, dotiert mit 5.000 Euro, gestiftet von der Petra-Kelly-Stiftung. Die Reihe wird gefördert durch ENGAGEMENT GLOBAL mit Mitteln des BMZ.

Zehn kraftvolle & außergewöhnliche Filme

BETWEEN FIRE AND WATER

Kolumbien 2020, Viviana Gómez Echeverry, Anton Wenzel, 92 Min.

„Es ist deine Entscheidung, ob du Quillacinga sein willst." Ein idyllisches Dorf im Südwesten Kolumbiens: Camilo wuchs in einer liebevollen Familie auf, eingebettet in die egalitären Strukturen des indigenen Stamms der Quillacinga. Doch heute, als junger Mann, hadert er mit seiner Identität, denn er wurde als Baby adoptiert und ist der einzige Schwarze in der Gemeinde. Wenn er trinkt, hat er Wutanfälle, wird aggressiv. Wir spüren förmlich sein Unbehagen, trotz oder vielleicht gerade wegen des großen Verständnisses, das ihm seine Familie und die Gemeindemitglieder entgegenbringen. Die Regisseurin begleitet Camilo bei seinem Kampf gegen innere Dämonen, bei spirituellen Sitzungen und bei der Suche nach seiner Herkunftsfamilie in der Küstenregion.

BORDERLANDS

Indien 2021, Samarth Mahajan, 67 Min.

Indien grenzt mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern an sechs Staaten. „Alles, was du vor dir sehen, aber nicht überwinden kannst, wird für dich noch attraktiver“, sagt ein Grenzbewohner in Samarth Mahajans bewegendem Geschichtenkarussell. Der junge Regisseur wuchs selbst an der indisch-pakistanischen Grenze auf: „Jede Geschichte in BORDERLANDS zeigt eine einzigartige Facette des Grenzlandlebens. Durch Material, das noch nie zuvor auf Film festgehalten wurde, erleben wir Szenen, die wirklich filmisch sind und das Publikum unabhängig von ihrer politischen Ideologie ansprechen.“ Ohne Politiker oder Terroristen im Bild zeigt er in menschlicher wie emotionaler Weise, dass ein grenzübergreifender Dialog zwischen den Kulturen nie unmöglich ist.

LA CONQUISTA DE LAS RUINAS

Argentinien, Bolivien 2020, Eduardo Gómez, 2020, 88 Min.

"Im Steinbruch ist der Tod immer um die Ecke." Der Alltag im Tagebau Argentiniens ist hart. Mit dem hier gewonnenen Zement werden „Gated Communities“ auf den heiligen Stätten der indigenen Völker errichtet. Unweit der Baustellen spucken Grabungen haufenweise Dinosaurierknochen aus, was wiederum die Errichtung der Neubauten verzögert. Die Folgen: Erzürnte Kaziken-Geister, begeisterte Wissenschaftler, resignierte Bauarbeiter. In so poetischen wie konkreten Schwarz-Weiß-Bildern entwickelt der bolivianische Regisseur Eduardo Gómez einen politischen Essay, der die komplexen Zusammenhänge zwischen den Welten zeigt. Tagelöhner, Paläontologen und Indigene gewähren uns Einblick in ihren Alltag; soziale Gefüge greifen ineinander wie die Epochen der Geschichte.

THE LAST SHELTER,

Frankreich, Mali, Südafrika 2021, Ousmane Samassékou, 85 Min.

Die Wüste ist nicht einfach nur eine Anhäufung von Sand. – Der Wind entlockt ihr ein seltsames Pfeifen. Ist es Rufen oder Klage? Dort, wo es noch ein Zurück geben kann, sammeln sich die, die aufgebrochen sind, auf den langen Weg in ein besseres Leben. Bekommen ein Dach, ein Bett, ärztliche Hilfe. Warten. Tauschen sich aus über Preise, Geheimtipps, spielen Schach in der Halle. Die Mitarbeiter der Caritas-Einrichtung versuchen, sie dazu zu bewegen, wieder nach Hause zu gehen. Doch das scheint unmöglich – für einige, weil die Scham zu groß ist, es nicht geschafft zu haben, und für andere, weil sie erst gar kein Zuhause haben. Ein ergreifender Film über den Mut, leben zu wollen, von afrikanischer Seite aus gesehen.

MORNING STAR

Madagaskar 2020, Nantenaina Lova, 77 Min.

Für das australische Bergbauunternehmen Base Toliara ist das Gebiet im Südwesten von Madagaskar ein Ort voll ungenutzter wertvoller Rohstoffe, für die madagassische Regierung eine Chance auf schnelles Wirtschaftswachstum. Für seine Einwohner jedoch bedeutet es Heimat und Lebensgrundlage. Hier gehen sie fischen, hier liegen ihre Ahnen begraben. In einem Kampf „David gegen Goliath“ leisten sie Widerstand und versuchen, sich den erbarmungslosen Mühlen des globalen Kapitalismus entgegenzustellen. Zum Soundtrack ihrer rituellen Gesänge begleiten wir diese Menschen auch bei ihrem alltäglichen Leben: Ein neues Kanu wird gekauft, die Speerfischer fahren zur See, Kinder planschen im Fluss. Es wird allzu deutlich, was hier auf dem Spiel steht.

SCHOOL OF HOPE

Finnland, Frankreich, Marokko, 2020, Mohamed El Aboudi, 78 Min

„Was bedeutet ‚Hoffnung‘“? Der neue Lehrer malt den Namen der Schule auf das Lehmhäuschen. Die Kinder wissen die Antwort nicht. Sie kennen nur das harte, von zunehmender Dürre geprägte Leben der marokkanischen Nomaden. Der 13-jährige Miloud träumt davon, in die Schule gehen zu dürfen, aber die Herde muss versorgt werden. Auch Fatima wünscht sich nichts sehnlicher. Ihr Vater sieht es nicht ein, aber ihre Mutter kämpft dafür. Der Schulweg ist bis zu zwölf Kilometer lang. Endlich angekommen, genießen die Kinder die Stunden, in denen sie unbeschwert sein dürfen, lernen und spielen. Schule ist vielleicht ihre einzige Perspektive, das zeigt der Film in schönen, ruhigen Bildern. „Hoffnung“ bedeutet, von einer besseren Zukunft zu träumen, erklärt der Lehrer.

SUSPENDED WIVES

Marokko 2021, Merieme Addou, 73 Min.

In Marokko werden Scheidungen im Radio verkündet. Ghita, Latifa und Saadia hoffen nichts sehnlicher, als ihren Namen aus den blechern tönenden Lautsprechern zu hören. Sie leben schon lange getrennt, die Scheidung ist nur eine Formalität, aber eine essentiell notwendige. Etwa, um die von ihnen gebauten Häuser ihren Kindern zu vererben und nicht ihren abwesenden Ehemännern. Oder für den Fall, dass sie amtliche Entscheidungen treffen möchten, ohne deren Erlaubnis einzuholen. Doch das bürokratische System favorisiert das Recht der Männer. Addou begleitet die drei dabei, wie sie eine absurde Hürde nach der anderen nehmen und sich gegenseitig immer wieder Mut geben. Ein beeindruckender Film über Solidarität und Resilienz von Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft.

THINGS WE DARE NOT DO

Mexiko 2020, Bruno Santamaría, 75 Min.

Wie lebt man als Transgender in einem kleinen Dorf in der mexikanischen Provinz? Arturo – Ñoño – kommt auf den ersten Blick ganz gut zurecht. Vor allem die Kinder lieben sie, denn sie bringt ihnen Choreografien auf dem Dorfplatz bei und entwirft glitzernde Kostüme für sie. Doch ihr Alltag hat noch eine ganz andere Seite, für ihre Identität wird sie beschimpft und ausgegrenzt. Was sie sich am meisten wünscht ist, sich als Frau zu kleiden. Dafür erhofft sie sich auch den Segen der Familie – doch wie um etwas bitten, das derart geächtet wird? „Du bist so mutig", sagt der Regisseur aus dem Off. Ñoño selbst ist sich da nicht so sicher. Ein subtiler, sensibler Film, der mit gekonnter Kameraarbeit ein nahes und authentisches Porträt zeichnet.

LA VOCERA

Mexiko 2020, Luciana Kaplan, 78 Min.

Marichuy macht nicht den Eindruck, gerne im Mittelpunkt zu stehen. Und doch ist sie die erste indigene Frau, die für die Zulassung zur Präsidentschaftswahl in Mexiko antritt. In einem Land, das nicht nur von Gewalt und Rassismus, sondern auch vom Druck multinationaler Konzerne geprägt ist, ist sie „La Vocera“, die Sprecherin für die Rechte der Nahua, Yaqui, Maya, Wixárika... Vereinigt im Nationalkongress der indigenen Völker pochen sie und ihre Mitstreiter auf die Einhaltung der Autonomie-Abkommen mit der Regierung, die jedoch von den politischen Parteien mit Füßen getreten werden. Wir begleiten eine charismatische Frau, deren Beispiel zeigt, dass es gemeinschaftliche Wege gibt, eine Bewegung anzuführen.

ZINDER

Niger, Frankreich, Deutschland 2021, Aïcha Macky, 82 Min.

Gewalt hält die nigrische Stadt Zinder in Atem: Junge Arbeitslose, die sich vom Elend ins Exil getrieben fühlen, schließen sich Banden an und rebellieren. Die meisten kommen aus Karakara, einem Viertel das gebaut wurde, um Leprakranke aufzufangen. Außerhalb der medizinischen Einrichtungen haben Sie keinen offiziellen Zivilstand und deshalb kein Recht auf Bildung. Bis zum Tag ihres Aufbegehrens waren sie für die Gesellschaft unsichtbar. Mangels Perspektiven versinken einige in der Kriminalität und landen im Gefängnis, andere schmuggeln. Aïcha Macky, selbst aus Zinder stammend, findet einen einzigartigen Zugang zu aktiven und ehemaligen Bandenmitgliedern. Indem sie ihren Alltag einfängt, erforscht sie die Ursprünge der Radikalisierung, die derzeit in der Region um sich greift.

04.05.2021, 11:50

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