In Kooperation mit Lausitz Festival 2025

Facettenreich: Theater beim Lausitz Festival

Das Festival verwandelt außergewöhnliche Orte der Region in Bühnen für internationales Theater. Ob Shakespeares Sonette in einer Brikettfabrik oder szenische Lesungen in einer Synagoge – all das spiegelt die wechselvolle Geschichte der Lausitz wider

Foto: Nikolai Schmidt

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Lausitz Festival

Lausitz Festival

Europas Kunstfestival

Zahlreiche Veranstaltungsorte in der Lausitz

Vom 24. August bis 14. September 2025!

In Kooperation mit Lausitz Festival 2025

Lausitz Festival

Sonettfabrik

Ein musikalisch-poetischer Theaterabend nach Sonetten von William Shakespeare (Uraufführung)

24./25. August und 6./7. September 2025, 19 Uhr | Brikettfabrik Louise, Domsdorf | Ticket kaufen

Shakespeares Sonette gelten als ein Höhepunkt der Renaissance-Dichtung und der europäischen Lyrik überhaupt. Sie stehen künstlerisch im Rang der Dramen des Dichters, die von je her einen Schwerpunkt der Theaterproduktion des Lausitz Festivals ausmachen. Die 154 lyrischen Meisterwerke des Engländers wurden als Zyklus im Jahre 1609 veröffentlicht. In ihnen wendet sich ein Sprecher an einen jungen Mann und eine geheimnisvolle, dunkle Dame. In diesem Dreieck des textuell-sexuellen Begehrens kreisen alle Gedichte um Grundthemen menschlichen Daseins – Liebe, Schönheit, Vergänglichkeit, Tod –, und entfalten im intimen lyrischen Dialog zwischen Ich und Du ein vielstimmiges gemeinsames Wir.

Die Theatralisierung der Shakespeares-Sonette hat Tradition; sie wird bei der Eröffnung des diesjährigen Lausitz Festivals fortgeschrieben. Denn die Gedichte können als dramatische Vignetten aufgefasst und in Szene gesetzt werden, wendet sich doch in ihnen ein Sprecher an eine:n Adressat:in und evoziert damit ein potenziell dramatisches Geschehen. Und auch wenn ein Gegenüber nicht vernehmbar ist, scheint die lyrische Rede doch immer Antwort auf eine unhörbare Äußerung zu sein oder den Anlass für eine darauffolgende Erwiderung zu liefern. In jedem Falle ist der Raum, den Shakespeares Texte eröffnen, ein dialogischer Raum. Dessen Leerstellen erwecken und befeuern unsere bildliche und szenische Fantasie. Insofern liegt die Verwandlung des lyrischen Sprechens in ein dramatisches Sprechen nahe; das Lesen oder Vorlesen eines Gedichts wird in theatralisches Geschehen transformiert.

Der österreichische Theaterkünstler Michael Sturminger, der als Regisseur und Autor in allen Bühnengenres zuhause ist, bringt zur Eröffnung des diesjährigen Lausitz Festivals Shakespeares Poesie mit der Schönheit der stillgelegten Brikettfabrik Louise in einen lebendigen Dialog. Er schickt das Publikum auf einen szenisch-musikalischen Parcours durch Innen- und Außenwelten von Sprach- und Kohlestaubverdichtungen und lässt die Zuschauer:innen in Antlitz und Eingeweide von Vers- und Industriearchitektur blicken.

Fortbestand durch Verwandlung – wenn man so will, finden die alte Brikettfabrik und Shakespeares lyrisch-monodramatischen Miniaturen darin einen gemeinsamen Nenner. Wie die Fabrik ihre aktive Zeit lange hinter sich hat, sind auch die geliebten und begehrten Adressat:innen der Sonette unweigerlich der Vergänglichkeit unterworfen. Und wie die eine kraft ihrer Transformation in ein Industriemuseum und einen Austragungsort kultureller Veranstaltungen neu und anders aufblüht und fortbesteht, erwachen die in den Sonetten angesprochenen Geliebten eben durch Shakespeares Dichtung und deren theatralische Vergegenwärtigung zu neuem, ewigem Leben. So heißt es etwa im 18. Sonett »Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?«:

» […] Doch soll dein ewger Sommer nicht ermatten,

Noch alles Schöne, das du hast, vergehn,

Noch wandern du in Todes dunklem Schatten

Wenn du in ewgem Vers wirst fortbestehn

Solang, wer atmet, Augen hat zu lesen

Solang lebt dies und in ihm lebt dein Wesen.«

In dieser Korrespondenz wird die Brikettfabrik »Louise« zur sinnlich-sinnfälligen Bühne für eine Inszenierung der Shakespeare-Sonette.

Amadoka / амадока

Szenische Lesung nach dem Roman-Epos von Sofia Andruchowytsch. Im Anschluss Gespräch mit Sofia Andruchowytsch

7. September 2025, 18 Uhr | Kulturforum Görlitzer Synagoge| Ticket kaufen

Romana, eine Archivarin aus Kyjiw, erkennt in einem namenlosen Soldaten, der schwer verletzt aus dem Krieg im Donbass zurückkehrt, ihren Ehemann. Mit allen Kräften versucht sie, ihm sein Gedächtnis wiederzugeben. Mittel zum Zweck sind vier alte, weit gereiste Koffer voller Fotos, Papiere, ein in Leder gebundenes Notizbuch und ein geheimnisvoller Löwenkopf aus Stein. All diese stummen Zeugen sollen Anlass liefern für Erinnerung. Sie führen in die 1930er-Jahre, in das galizische Städtchen Butschatsch mit seiner multiethnischen Bevölkerung. Hier zeigt der halbwüchsige Pinkas, Sohn des Schochet, dem ukrainischen Mädchen Uljana den Ort des legendären, verschwundenen Sees Amadoka, der sich einstmals in stolzer Größe über die Karten Europas erstreckte.

Uljanas Vater, der zwischen den Kriegen ukrainische Nationalisten und Unabhängigkeitskämpfer versteckt hatte, versucht während der nationalsozialistischen Besatzung unter Lebensgefahr seinen jüdischen Nachbarn zu helfen. Im Zeitalter der Vernichtung und Todesangst werden aus Priestern Partisanen, aus Nachbarn Spitzel, aus ukrainischen Kindern Mörder, aus Juden Hilfspolizisten, aus Opfern Täter. Oder umgekehrt. Ob Hilfe und Rettung von den anrückenden Sowjets zu erwarten ist, wird je nach Standpunkt und Erfahrung unterschiedlich bewertet. Zu Romanas Erstaunen ist es nicht der Löwenkopf der Statue des heiligen Onufrij, der die Erinnerungen des kranken Mannes weckt. Es sind die Briefe eines Dichters und Wissenschaftlers, der während der stalinistischen Säuberungsaktionen unter der Intelligenzija in der Sowjetukraine eine zweifelhafte Rolle spielte.

Sofia Andruchowytschs hochkomplexes, ein ganzes Jahrhundert umspannendes Panorama zeigt eindrucksvoll, dass die Gegenwart der Ukraine nur aus ihrer Geschichte heraus zu verstehen ist. Zugleich steht das große und großartige Werk auch als Parabel für die Unzuverlässigkeit von Erinnerung und für die Manipulierbarkeit von Identität.

»Wenn je ein Roman eine Form und einen Ton gefunden hat für die Geschichte der Ukraine in alle ihrem Leid und all ihren Abgründen, dann ist es dieses schwindelerregende Epos«, schrieb Sonja Zekri in ihrer Rezension in der »Süddeutschen Zeitung«.

Im Anschluss findet ein Autorengespräch mit Sofia Andruchowytsch statt (Simultanübersetzung Ukrainisch-Deutsch)

»Es kotzt mich an. Ihr Kroppzeug!« – Forster Bürger proben den Coriolan

Uraufführung

10./11./12. September 2025, 19 Uhr | Forster Hof, Forst | Ticket kaufen

Die Geschichte vom Aufstieg und Fall des großen Individualisten Coriolanus ist faszinierend und brandaktuell. Cajus Marcius, nach dem Sieg bei der Stadt Corioli mit dem Zunamen Coriolanus versehen, ist ein scheinbar unbezwingbarer und grenzenlos stolzer Krieger; ein freies Radikal und ein radikal Freier, der die Spielregeln und gemeinschaftsstiftenden Gepflogenheiten der Römischen Republik zutiefst verachtet. Nach der Unterdrückung eines Hungeraufstands der Plebejer und dem Sieg über die benachbarten Volsker strebt er das höchste politische Amt des Konsuls an. Doch wählen lassen möchte sich Coriolanus nicht, denn er hält sich für auserwählt. Um seine Unabhängigkeit nicht aufgeben und sich nicht unterordnen zu müssen, begeht er einen verhängnisvollen Verrat…

Viele Autoren widmeten sich dieser herausfordernden und provokanten Figur: William Shakespeare in seiner Römertragödie »Coriolanus«, Bertolt Brecht in seiner Bearbeitung des Shakespeare-Stücks »Coriolan«, Plutarch in seiner Biografie, T.S Eliot in Gedichten und Günter Grass und Heiner Müller in ihren Theaterstücken »Die Plebejer proben den Aufstand» und »Germania 3«, in denen Theaterproben zum Brecht-Stück »Coriolan« stattfinden und von der gesellschaftlichen Wirklichkeit eingeholt und gewissermaßen selbst auf die Probe gestellt werden. Historisch entsteht die republikanische Demokratie u.a. aus der Überwindung eines Herrschertyps, wie ihn Coriolanus verkörpert; heutzutage arbeiten neue Coriolane weltweit an der Überwindung demokratischer Gemeinwesen.

Anlass genug, den autokratischen Patrizier und freiheitlichen Egomanen Coriolanus in einem vielstimmigen Theaterabend in den Blick zu nehmen. Jürgen Kuttner, Kulturwissenschaftler, Radiomoderator und Theaterkünstler, entwickelt und inszeniert »Es kotzt mich an. Ihr Kroppzeug!« in Forst und nähert sich der komplexen Figur aus verschiedenen Richtungen an. In seinen Theaterarbeiten und theatralischen Soloabenden widmet sich Kuttner immer wieder gesellschaftlichen, kulturellen, politischen und künstlerischen Phänomen, Themen und Fragestellungen und knüpft auf unterhaltsame Weise Verbindungen zwischen Naheliegendem und Entlegenem. (Zwischen 2018 und 2020 trat er etwa am Staatstheater Cottbus mit seinen »Videoschnipseln« auf.) In einer Mischung aus Show, Revue, Bühnenessay, Theaterstück und Vortragsabend entstehen so vielgestaltige Netzwerke aus Lebens- und Kunstwelten. In verschiedenen künstlerischen und theatralischen Ausdruckformen mäandert Kuttner durch Geschichte und Geschichten und wirft erhellende Schlaglichter auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Zusammen mit vertrauten und neuen künstlerischen Partnern und einem Bürgerchor aus Forst und Umgebung sammelt Kuttner Splitter des Coriolanus-Stoffes, wirft und schüttelt sie durcheinander und bringt sie in kaleidoskopartigen Konstellationen zur Anschauung. Bruch- und Fundstücke von der Antike bis heute werden in dieser hybriden Theaterarchäologie vorgestellt. Als Spielstätte von »Es kotzt mich an. Ihr Kroppzeug!« fungiert der multifunktionale Veranstaltungssaal im ehemaligen Grand Hotel und späteren Kulturhaus »Forster Hof« in Forst, in dessen Architektur und Nutzungsgeschichte sich eine besondere Verbindung von Kunst, Politik und Soziokultur manifestiert und den das Lausitz Festival durch sein Theaterprogramm wiederbelebt.

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