Außergewöhnliche Musik an besonderen Orten

Programm 50 Konzerte bieten Gelegenheit zur Selbstreflexion: Vom kontemplativen Versinken in der Kirche mit Morton Feldman über virtuelle Realitäten im Schlaflabor von Alexander Schubert bis zur Verbindung zum Übersinnlichen im »Symposion« des Klangforum Wien
Morton Feldman, Komponist.
Morton Feldman, Komponist.

Foto: National Archief

Passend zum Festivalmotto »Musik Amnesie Gedächtnis« startet ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln am 29. April um 16:00 an einem Ort des Erinnerns: der Musikbibliothek der Stadt Köln. Sein hundertjähriges Jubiläum feiert dieses »kulturelle Gedächtnis« 2022 und stellt ACHT BRÜCKEN den Rahmen für die audiovisuelle Installation »LISTEN« von und mit Stefan Prins, Florentin Ginot, Rebecca Saunders, Francisco Alvarado, Martin Smolka, Juliet Fraser, Janet Sinica und Julius Gass. Im Anschluss an die Vernissage ist akustisches Erinnern und Imaginieren mit dem interaktiven 3D Soundwalk »H.E.I. Köln« ab 18:00 im Rheinauhaufen möglich, bevor um 20:00 das WDR Sinfonierorchester unter Christian Măcelaru mit Sofia Gubaidulina und einer Uraufführung von Liza Lim das Festival im klassischen Rahmen in der Kölner Philharmonie eröffnet und ab 21:00 die DJs Sarah Farina, Viola Klein und Sandilé auf eine lange Klubnacht mit dem Detroiter Duo Dopplereffekt im Gewölbe einstimmen.

Am 30. April lockt der Internationale ACHT BRÜCKEN Kompositionswettbewerb mit der Uraufführung der Finalwerke durch Paulo Álvares, Claudia Chan und Simon Spillner sowie anschließender Preisverleihung ins Alte Pfandhaus, bevor um 17:00 im WDR Funkhaus Wallrafplatz Marcus Schmicklers »Schreber Songs« mit den Kölner Vokalsolisten und dem Ensemble Ruhr erklingen, in denen »Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken« in die Grenzregion zwischen Wahn und Wirklichkeit entführen. Ab 19:00 heißt es dann Kräfte sammeln für das »Symposion«, einen fünfstündigen »Rausch in acht Abteilungen« mit dem Klangforum Wien, bei dem sitzend oder liegend in der Stadthalle Köln-Mülheim zu Musik u. a. von Terry Riley, Morton Feldman und Matthias Krüger gespeist und sinniert werden darf.

Der 1. Mai gehört traditionsgemäß dem ACHT BRÜCKEN Freihafen. In diesem Jahr wird der »ganze Tag Musik bei freiem Eintritt« mit einer Jazzmatinee von MASAA um 11:00 in der Kölner Philharmonie eröffnet. Es folgt die Performance für gemischte Stimmen und Elektronik »Erinneränderungen« von Marcel Sijm und Niels Vermeulen im Foyer der Kölner Philharmonie und im Untergeschoss des Museum Ludwig, bevor das kanadische Ensemble Constantinople seine »Re-Imagination« von Claude Viviers »…et je reverrai cette ville étrange…« im WDR Funkhaus Wallrafplatz präsentiert. Mit einer Klangkontemplation führt die Komponistin Malika Kishino ab 19:30 in der Kölner Philharmonie in das nachfolgende Konzert »ContainerCologne« mit dem Ensemble Musikfabrik unter Yorgos Ziavras ein, das ihr Werk »Shades of Echoes« und Robert HP Platz´ »Taormina Block« uraufführt sowie Peter Eötvös´ »Fermata« zur deutschen Erstaufführung bringt. Eine weitere Uraufführung folgt im Anschluss unter gleicher Besetzung, ergänzt um das Trío Ruído Vermelho, mit Luís Antunes Penas »Das Gedächtnis Gebrauchs-anweisung«. Der ACHT BRÜCKEN Freihafen endet auf dem Heinrich-Böll-Platz unter freiem Himmel, wenn ab 22:30 Volker Ossenkopf-Okada und Julian Rohrhuber ihr astrophysikalisches Musikprojekt »Leuchtstoffraum 1 – Der Kleinmann-Low-Nebel« zum ersten Mal erklingen lassen.

Kontemplativ beginnt der 2. Mai, wenn die Pianistin Hsin-Huei Huang morgens früh um 08:00 Morton Feldmans »For Bunita Marcus« in der Kunst-Station Sankt Peter spielt. Eine vertiefende Auseinandersetzung mit dem Komponisten ermöglichen Vortrag und Gespräch mit der Pianistin und Dr. T. Sofie Taubert im Anschluss um 11:00 in der Karl Rahner Akademie. Am 4. Mai wird das frühmorgendliche Feldman-Konzertformat in der Kunst-Station Sankt Peter wiederholt, dieses Mal mit der Pianistin Helena Basilova und »Triadic Memories«. Das Netzwerk Neue Musik mit der freien Kölner Szene ist mit ON@ACHT BRÜCKEN und drei Projekten in der Deutzer TanzFaktur vertreten. Den Auftakt macht am 2. Mai um 18:00 »Unearthing Melodies« von Valerij Lisac, eine Mischform aus Live-Aufführung und Videoinstallation mit dem Asasello Quartett und EinfachMalSingen, einem Chor für Menschen mit und ohne Demenz.

Am 3. Mai ab 19:30 navigiert das Jazzquartett C.A.R. mit seiner Performance »Oneironauten« durch Träume und Erinnerungen der Ensemblemitglieder und das Laptop-Ensemble Hackmeck performt parallel seine audiovisuelle Performance »bitrot«. »SumA« – Episode Köln« lautet der Titel einer Performance von Mitgliedern der Ensembles Garage und Vortex, die als Ausgangspunkt des kollektiven Komponierens ein gemeinsames Ritual in den Schweizer Bergen gewählt haben und bei der Aufführung am 2. Mai 18:00 in der Tanzfaktur auch das Publikum aktiv werden lassen.

»We are all lichens« behauptet das Projekt um den Kontrabassisten Florentin Ginot und Sopranistin Juliet Fraser, die neue Werke von Martin Smolka und Anna Zaradny am 4. Mai 18:00 in der Kunst-Station Sankt Peter aufführen werden. Am Abend um 20:00 ist dann das Hamburger Ensemble Resonanz mit dem Weltklasse-Cellisten Jean-Guihen Queyras unter dem Dirigat von Ondřej Adámek in der Kölner Philharmonie zu erleben. Es erklingen sowohl ein Werk des Dirigenten als auch Stücke von Carl Philipp Emanuel Bach und eine Uraufführung von Francesca Verunelli. Am 5., 6. und 7. Mai ab 14:00 wird die DuMont Kunsthalle zum Experimentierfeld: Der Multimedia-Komponist Alexander Schubert richtet unter Mithilfe des Luxemburger Ensembles United Instruments of Lucilin, We are Visual, dem Multimedia Kontor Hamburg, Felina Levits und Virtual-Reality Forscher Jonathan Harth ein »Sleep Laboratory« ein, in dem sich der Besucher diverser Realitätsverschiebungen hingeben kann.

»Frisch ausgeschlafen« empfiehlt sich dann am Abend des 5. Mai um 19:30 der Besuch der Kölner Philharmonie, in der zunächst die Amerikanerin Laurel Halo mit ihrer »Ambient Show« und im Anschluss die Grande Dame der japanischen Ambient- und Minimal-Music-Szene Midori Takada zu hören sein werden. Am Tag darauf wird es voller auf der Bühne der Kölner Philharmonie, wenn am 6. Mai um 20:00 die hr-Bigband mit Django Bates und seinen Musikern die Beatles-Hommage »Saluting Sgt. Pepper« des britischen MultiInstrumentalisten aufführen. Ebenfalls aus Großbritannien stammen die Elektro-Künstler Drew McDowall und O Yuki Conjugate, die ab 21:00 mit »Time Machines« bzw. frischem Live-Set das Gewölbe bespielen. Die Lagerstätte für die mobilen Hochwasserschutzelemente ist eine beständige außergewöhnliche Spielstätte des Festivals. Das Jahr über werden hier Schutzelemente zur Bekämpfung des Rhein-Hochwassers gelagert – für ACHT BRÜCKEN öffnet der architektonisch reizvolle Bau seine Türen für Kunst und Musik.

Am 7. und 8. Mai ist der Bau ab 11:00 mit Klanginstallationen von Jeesoo Hong, Caspar Etti und Blanca Barbat akustisch zu erforschen und am 7. Mai um 17:00 als Konzertsaal mit den beiden Multi-Instrumentalistinnen AnnaLucia Rupp und Fama M´Boup, die als Duo Olicía ihr Album »Liquid Lines« präsentieren. Jazzig und elektronisch geht es im Anschluss ab 20:30 im Stadtgarten zu. Nach einem Warm-Up der DJs Frank Dommert und Tim Elzer soll das legendäre Sun Ra Arkestra die Bühne betreten. Mit dabei: der mittlerweile 97-jährige Bandleader und Saxophonist Marshall Allen. In der Kölner Philharmonie sind am selben Tag ab 20:00 zwei bemerkenswerte Stücke der jüngeren Musikgeschichte zu hören: György Ligetis »Atmosphères» und Morton Feldmans »Coptic Light«; für eine Interpretation auf höchstem Niveau sorgt das Amsterdamer Concertgebouworkest unter der Leitung von David Robertson. Ergänzt wird der Konzertabend durch das Vokalensemble Cantando Admont mit Werken von Cristóbal de Morales, Otto Ketting und Beat Furrer. Das neue Werk von Beat Furrer wird in Anwesenheit des Komponisten und im Gespräch mit Philosoph und Biologe Andreas Weber im Format »Des Pudels Kern« von Elisa Erkelenz und David Maria Gramse um 22:00 in der Konzertkasse besprochen.

Am 8. Mai und letzten Festivaltag ist Morton Feldmans Zyklus »The Viola in My Life« zu hören. Am Vormittag erklingt in der Kölner Philharmonie – eingebettet von Leoš Janáček und Richard Strauss – Teil 4 für Viola und Orchester, interpretiert vom Gürzenich-Orchester Köln unter François-Xavier Roth und Ausnahmekünstler Antoine Tamestit an der Viola. Die kammer-musikalischen Teile 1 bis 3 werden um 16:00 im Festsaal in der Flora von Tamestit und Solisten des Orchesters aufgeführt. Zum fulminaten Festivalabschluss steht um 20:00 in der Kölner Philharmonie die derzeit (1915-28) unvollendete »Universe Symphony« von Charles Ives in der Realisation von Jonny Reinhard (1993-96) auf dem Programm. Das selten zu hörende Werk wird von den Bochumer Symphonikern unter der Leitung von Tung-Chieh Chuang aufgeführt.

Zum Programm von ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln 2022

14.04.2022, 14:56

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