Hommage an eine Ikone

Zum Film Sie war eine Ikone der Nouvelle Vague: Die US-amerikanische Schauspielerin Jean Seberg sorgte nicht nur durch ihre Rollen, sondern auch durch ihr Engagement für die radikale Bürgerrechtsbewegung der Black Panthers in ihrer Heimat für Aufsehen ...
Kristen Stewart in der Rolle der Jean Seberg
Kristen Stewart in der Rolle der Jean Seberg

Foto: 2019 PROKINO Filmverleih GmbH

Beim Dreh ihres allerersten Films im Jahr 1957, „Saint Joan“ von Otto Preminger, spielte die gerade einmal 18-jährige Jean Seberg (Kristen Stewart) die Heilige Jungfrau von Orleans. In der großen finalen Szene auf dem Scheiterhaufen züngeln die Flammen um sie herum auf und das Unfassbare geschieht: Jean steht für einen kurzen Moment tatsächlich in Flammen und erleidet schwere Verbrennungen. Die innerlichen und äußerlichen Narben dieses Ereignisses werden ihr für immer bleiben.

Im Jahr 1968 ist der Schock von einst verdaut. Nachdem Jean Seberg Hollywood nach nur drei Filmen den Rücken gekehrt hat und dem Ruf Jean-Luc Godards nach Frankreich gefolgt ist, wird sie mit ihrem Auftritt in„A bout de Souffle“ („Außer Atem“) als jolie fille an der Seite von Jean-Paul Belmondo zum weiblichen Sinnbild der Nouvelle Vague, zur Stilikone, zum Superstar: Eine moderne Amerikanerin mit keckem Kurzhaarschnitt und dem berühmten lässigen „New York Herald Tribune“-T- Shirt. Sie ist verheiratet mit dem Piloten und Schriftsteller Romain Gary (Yvan Attal), mit dem sie einen Sohn hat. Jean will wieder in den USA Fuß fassen und ein Comeback in Hollywood wagen. Die Unruhen auf den Straßen in Paris im Rahmen der 1968er-Bewegung hat sie wahrgenommen, aber sie lassen sie kalt. Jeans Herz schlägt für die Aktivisten in den USA, die gegen den Vietnamkrieg auf die Straße gehen und sich für Bürgerrechte einsetzen.

Zum Argwohn ihres Agenten freundet sie sich auf dem Flug zurück in die USA mit dem charismatischen Black-Power-Aktivisten Hakim Jamal (Anthony Mackie) an. Als das Flugzeug landet, stellt sie sich auf dem Rollfeld spontan zu Hakim und einer Gruppe schwarz gekleideter Männer aus dem Black Panther-Clan und macht im Blitzlichtgewitter das Friedenszeichen. Eine blonde weiße Frau, die sehr zierlich wirkt in ihrem cremefarbenen Kleid. Ihr Enthusiasmus ist echt, ihre politische Überzeugung genuin. Sie will etwas bewegen, aber sie wirkt auch Fehl am Platze. Und sie ist sich nicht darüber im Klaren, welche fatale Folgen dieser spontane Medienauftritt für sie haben wird. Das FBI, das die schwarzen Revolutionäre und andere wichtige Figuren der Bürgerrechtsbewegung auf Schritt und Tritt beobachtet, wird auf Jean Seberg aufmerksam. Dass sie bereits seit dem 14. Lebensjahr Mitglied der NAACP – eine der ältesten und einflussreichsten schwarzen Bürgerrechtsorganisationen der USA – ist und der Black Panther Party ganz offen Geld spendet, macht sie verdächtig. Dass sie ihre noble Villa in Los Angeles für Veranstaltungen der Revolutionäre zur Verfügung stellt und eine Affäre mit dem verheirateten Jamal beginnt, macht sie brandgefährlich. Und angreifbar.

Von seinem Vorgesetzten (Colm Meaney) erhält der junge FBI-Agent Jack Solomon (Jack O’Connell) derweil den Auftrag, im Rahmen der umstrittenen COINTELPRO- Operation Jean Sebergs Zuhause zu verwanzen und mit seinem erfahrenen und reaktionären Kollegen Carl Kowalski (Vince Vaughn) ein Team von Überwachungsspezialisten zu leiten, das die Schauspielerin rund um die Uhr abhören und kontrollieren soll. Sie wollen so viel Material wie möglich über ihre dubiosen Aktivitäten und ihre geheime Affäre sammeln, um dieser später gezielt gegen die Schauspielerin einzusetzen. Jack wird zum Schatten von Jean. Er folgt ihr pflichtvergessen, aber auch fasziniert, und kann seine Arbeit nach Dienstschluss nicht ablegen, wenn er zu seiner Frau Linette (Margret Qualley) nach Hause kommt. Sie spürt bald, dass etwas nicht stimmt mit ihrem Mann.

Jean befindet sich derweil in einem Zustand zwischen rauschartiger Ekstase und tiefer Depression. Sie spürt, dass ihre Ehe an einem Scheidepunkt angelangt ist und sorgt sich um ihr Kind. Ihre Karriere ist ins Stottern geraten und die wirklich spannenden Rollen, die sie spielen will, scheinen unerreichbar. Mehr und mehr fühlt sie sich entfremdet in ihrem Beruf, ausgenutzt, als Objekt behandelt. Sie ist in einem fragilen Zustand. Und sie spürt, dass sie beobachtet wird. Das Knacken in der Leitung, wenn sie telefoniert, sind die Spuren, die die Agenten hinterlassen, wenn sie die Wanzen in ihren Hotelzimmern anbringen. Jean Seberg droht aufgrund der andauernden Bedrohung von außen zunehmend paranoid zu werden. Als sie bei einem Filmdreh in Mexiko von einer Zufallsbekanntschaft schwanger wird, nutzt das FBI die Gunst der Stunde und spielt der Presse Informationen zu, dass das Kind von Hakim Jamal stammt. Jean verliert den Boden unter den Füßen: Jamal weist sie zurück, seine Frau Dorothy (Zazie Beetz) macht ihr unmissverständlich klar, dass der Kampf der Schwarzen nicht der Kampf der weißen, privilegierten Frau ist. Den FBI- Agenten Jack Solomon plagen derweil erste Zweifel in Bezug auf seine Mission, bis er erkennt, welchen Schaden er bereits in Bezug auf Jean Seberg angerichtet hat ...

07.09.2020, 17:45

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