Nationalpark und Welterbe Yasuni - Ecuador

YASUNI 1 Zerstörung eines der reichsten Ökosysteme der Erde und seine geopolitischen Hintergründe in drei Folgen

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Foto: Wikimedia Commons, Nationalpark Yasuni, hellgrün: Huaorani Territorium

Seit dem 15. August 2013 ist der „Fall Yasuni“ nicht nur ins nationale ecuadorianische Blickfeld gerückt, sondern schlägt auch international hohe Wellen. An diesem Tage erklärte der ecuadorianische Präsident Rafael Correa den Rücktritt von der sogenannten „Yasuni-ITT-Initiative“, die die Unverletzbarkeit des vielleicht reichsten Ökosystems der Erde sicherstellen sollte.

Folge 1

Einführung in die Problematik von „Yasuni“

Statt eines Vorwortes:

Zeugnis von Moi Enomenga (Huaorani, Bewohner des Yasuni Parks):

Übersetzung aus dem Spanischen eines Artikels von „Yasuni depende de ti“ (CE)

“Uns wurde die Legende überliefert, dass es einmal einen riesigen Ceibo-Baum gab, der bei seinem Einsturz das gesamte Amazonasgebiet und das Volk der Huaorani schuf. Deswegen sind wir ein Teil des Waldes und wissen in ihm zu leben.

Früher durchwanderten unsere Großeltern unser gesamtes Heimatgebiet, schützten es in seinen Grenzen und zeigten uns die Pfade, Flüsse und die Orte, wo unsere Vorfahren begraben sind. Vater Puma war spiritueller Führer, Wahrsager und Heiler, der die Zauberkunst besaß, unserem Volk den Weg zu zeigen, und der uns die Kraft gab, Krieger zu sein und im Urwald zu leben. Die Macht des Pumas verteidigt unsere Heimat.....

Unser Heimatland war ein einziges geschlossenes. Wir kannten kein Geld, auch keine Ölkonzerne. Weil wir nicht wussten, was sie vorhatten, haben wir sie ins Land gelassen. Einige meines Volkes begannen, für die Konzerne zu arbeiten, weil sie kein Jagdgebiet und keine Fischgründe mehr besaßen. So waren wir gezwungen zu lernen, wie man in den Erdölcamps arbeitet, und wir begannen Nahrungsmittel zu kaufen und auch Medikamente, um die neuen Krankheiten zu bekämpfen.....

Ich war ein Jahr alt, als die evangelischen Missionare meine Familie in ein „Protektorat“ (von den Missionaren eingerichtete Dorf-Gemeinschaft) steckten, wo fast unsere gesamte Gemeinde eingepfercht wurde. Der größte Teil meiner Familie starb, als wir im „Protektorat“ ankamen, weil wir keine Impfungen gegen die neuen Krankheiten, die die Missionare einschleppten, besaßen......

Ich habe viele Geschichten und Ideen, die ich Ihnen erzählen möchte, doch der Platz hier zur langen Geschichte meines Volkes reicht nicht aus. Aber wir werden weiterhin im Urwald leben und lassen uns nicht mundtot machen. Meine Großeltern waren starke Krieger und ließen die Fremden nicht ins Land. Ich bin heute ein Freund anderer Völker und möchte, dass wir gemeinsam kämpfen, um meine Heimat zu schützen und auch die Heimat meiner Brudervölker der „Tagaeri - Taromenane“, die in Freiheit leben und keinen Kontakt zur unserer Zivilisation haben.“

Liebe dF-Gemeinde,

ich werde in meinem Beitrag zwar auf laufende Ereignisse zu dem Yasuni-Komplex eingehen, aber mir scheint es ebenso wichtig, Hintergründe zu erhellen, die aktuelle Ereignisse in ihren historischen und gesellschaftlichen Kontext einbetten. Die hier geäußerten Ansichten beruhen auf eigenem Erleben und einer zwei Jahrzehnte dauernden Anwesenheit auf dem lateinamerikanischen Kontinent, jedoch sind sie, und wie könnte es anders sein, subjektiver Natur. Hauptsache ist, dass sie zu Nachdenken über den Umgang mit unserer Natur und über unsere Solidarität mit anderen Völkern der Welt, vor allem den indigenen Völkern, anregen.

Von Menschen verursachte Zerstörung von Lebensraum hat in kapitalistischen Gesellschaftssystemen primär die Aufgabe, Kapitalverwertung sicherzustellen und diese optimal zu mehren. Das trifft auf die deutsche Braunkohleförderung im Tagebau sowie auf die Erdölförderung im ecuadorianischen Amazonasgebiet und dort ganz besonders auf die Förderung im Yasuni Nationalpark zu. Nur wird in Ecuador die Zerstörung dieses einmaligen Ökosystems auf der Welt von seinem Präsidenten Rafael Correa dadurch schöngeredet, dass der Eingriff in die Natur der Mehrung der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt diene.

In diesem Zusammenhang ist es für den deutschen Beobachter interessant, einen kurzen Vergleich der beiden Hauptakteure der deutschen und der ecuadorianischen Politik zu ziehen. In unserem heutigen Zeitalter, in dem leider weltweit die Völker immer noch nicht ihre Souveränität bei der Politikgestaltung erreicht haben und nach wie vor von politischen und wirtschaftlichen Eliten/Oligarchien beherrscht werden, veranschaulicht dieser Vergleich die unterschiedlichen politischen Handlungsweisen und ihre dahinterstehenden Antriebskräfte.

Merkel und Correa sind unbestritten die beiden „Zampanos“ der Politik in Deutschland und in Ecuador, die sie beide „eisern“ im Griff halten. Allerdings erschöpft sich damit ihre Gemeinsamkeit. Merkel, die ohne eigene politische Vorstellungen und Ideen im Nebel der deutschen Politik herumstochert, ihr Ohr den deutschen Kapitalinteressen leiht und schließlich auf vermeintliche Mehrheitsmeinungen bauend den gesellschaftlichen „status quo“ zu sichern sucht, ist in ihrer „lächelnden“ Unerbittlichkeit und „Alternativlosigkeit“ ebenso effektiv machtvoll wie der autoritäre, „messianische“ Correa. Merkels Macht gründet sich nicht auf dem Willen nach politischer Gestaltung, mit dem sie die Deutschen hinter sich zu bringen versucht. Nein, ihre Macht gründet auf dem Streben nach gesellschaftlichem Stillstand, und darin weiß sie sich einig mit dem mehrheitlich bequemen, satten Untertan/Bürger, dem materielle Besitzstandserhaltung oberstes Lebensziel ist, und der politische Macht solange nicht hinterfragt, wie genügend Geld für Bier, Glotze und Bundesliga vorhanden ist. Die Losung der Adenauer-Politik „Keine Experimente“ bestimmt das politische Leben in Deutschland vom ersten Kanzler Adenauer bis zur jetzigen Kanzlerin Merkel. Schleichender kultureller, sozialer und ökologischer Zerfall der Nation sowie die nachhaltige Gestaltung der Zukunft ist bestenfalls ein Thema für eine kleine gesellschaftliche Minderheit.

Ganz anders dagegen Correa. Ebenso machthungrig wie Merkel ist er jedoch besessen von Gestaltung der Politik, von gesellschaftlicher Veränderung seines „Dritte Welt“-Landes zu größerer Unabhängigkeit in einer Zeit der Herausbildung von neuen regionalen politischen und wirtschaftlichen Machtblöcken. Correa versucht dieses mithilfe des gesellschaftlichen Paradigmas des „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“, deren theoretische Grundlagen u.a. von Deutschen erarbeitet wurden (H. Dieterich, A.Peters).

Jüngste Entwicklungen im „Fall Yasuni“

Am 15. August 2013 kündigt Präsident Correa das in der Welt einmalige Pilotprojekt „Yasuni ITT“ auf. Der Nationalpark Yasuni (9.820 km2), der 10 Jahre nach seiner Gründung 1989 von der UNESCO zum Umwelt-Erbe der Menschheit erklärt wurde, wurde 2007, ein Jahr nach Amtsantritt von Correa und der Verabschiedung der neuen ecuadorianischen Verfassung, in der erstmalig in der Welt neben Menschenrechten auch Naturrechte festgeschrieben wurden, als unantastbares Ökosystem erklärt, in dem die unterirdischen Rohstoffe nicht gefördert werden dürften. Das allerdings mit der Auflage, dass die internationale Gemeinschaft beitragen solle, mindestens die Hälfte der geschätzten Einnahmen aus der Ausbeutung von bekannten Erdölreserven in einen von der UN verwalteten Treuhandfonds einzuzahlen. Würde das nicht geschehen, sähe sich die ecuadorianische Regierung gezwungen, die Förderung des Erdöls in Angriff zu nehmen. Dadurch könnte der allmähliche Rückgang der nationalen Reserven für weitere 30 Jahre gestoppt und so die für die Entwicklung des Landes notwendigen Deviseneinnahmen gesichert werden (augenblicklich ist der Erdölexport für etwa 40% dieser Einnahmen verantwortlich). Die Aufkündigung des Yasuni-Projektes ist auch unter dem Aspekt der bis 2016 dauernden Amtszeit des Präsidenten zu sehen, in der er das Land auf einen nachhaltigen Entwicklungsweg gebracht haben will. In den Jahren 2007 bis 2013 wurden von den anvisierten mehr als 3,6 Mrd. US$ lediglich 13 Mio. eingezahlt.

Der Grundgedanke, der hinter dem Pilotprojekt steht, existiert seit jeher in der Diskussion um die Erhaltung des für das Klimagleichgewicht auf der Erde unerlässlichen Amazonasgebietes. Insbesondere hat die brasilianische Regierung jede Kritik an der Ausbeutung des Amazonasgebietes mit dem Argument zurückgewiesen, dass auch die Industrieländer ihre natürlichen Ressourcen bis zur Neige ausbeuteten, um sie für die Entwicklung ihrer Länder auszunutzen. Warum also sollten das die „Dritte Welt“-Länder mit ihren sozialen Problemen (im Durchschnitt mit der Hälfte oder mehr der Bevölkerung, die unterhalb der Armutsgrenze von 2 US/Kopf/Tag lebt) nicht ebenso tun dürfen. Und wenn den Industrieländern die Erhaltung der größten Waldreserve der Welt soviel wert sei, dann sollten sie ausreichende Entwicklungsfonds zur Verfügung stellen, um die Zerstörung dieser Reserve zu verhindern.

Auf die Ankündigung des Präsidenten, auf die unmittelbar darauffolgende Bestätigung des Parlamentes und auf den sofortigen Beginn der Vorbereitungen für die Ausbeutung der Ölreserven im Yasuni ITT-Gebiet erfolgten zahlreiche Proteste aus dem In- und Ausland. In Ecuador formierte sich umgehend eine von den indigenen Völkern und Umweltorganisationen der Zivigesellschaft ausgehende Initiative einer Volksbefragung, die, um durchgeführt zu werden, knapp 600.000 Unterschriften (5% der Wahlberechtigten) benötigt. Die Befragung lief im Oktober vergangenen Jahres an und dauert bis zum kommenden März.

Der Präsident, ein mit allen Wassern gewaschener „Volkstribun“, setzte umgehend über die seiner Partei angehörigen Bürgermeister eine Gegeninitiative ingang, die ebenfalls eine Volksbefragung erwirken will, um die Ausbeutung von Yasuni ITT zu legitimieren. Deren Unterschriftensammlung begann am 21. Januar. Das Argument für die Ausbeutung der Erdölreserven ist die zukünftige finanzielle Stärkung und Ausstattung der Kommunen, um öffentliche Güter wie Erziehung, Gesundheit und Transport zugunsten der überwiegend armen Bevölkerung des Amazonasraumes bereitstellen zu können. Correa befürchtet, falls keine finanziell attraktive Alternative der Initiative der Umweltschützer gegenübersteht, könnte die Mehrheit der Bevölkerung tatsächlich zum ersten Mal in der Regierungszeit des Präsidenten seine Politik abschmettern.

Im Zuge dieses Machtkampfes um unterschiedliche Entwicklungsmodelle, einerseits die rigorose Ausnutzung der nationalen natürlichen Ressourcen zugunsten einer industriellen Entwicklung und andererseits eine auf Ressourcenschonung basierende Politik, die u.a. den indigenen Völkern eine selbstbestimmte Entwicklung ermöglichen soll, bereiten die öffentlichen Behörden der Protestbewegung beinahe täglich Schikanen. So soll der Protest gegen die Politik des Präsidenten bereits im Keim erstickt werden. Correa begann seine erste Präsidentschaft aufgrund der massenhaften Unterstützung durch die Organisationen der indigenen Völker. Inzwischen spaltet er die Angehörigen dieser Völker in demagogischer Weise: Entweder sie folgen seiner Politik und werden Nutznießer seiner materiellen Wohltaten oder aber sie werden zu Ausgegrenzten innerhalb der ecuadorianischen Gesellschaft. Die Politik seiner „revolución ciudadana“ (Bürger-Revolution) wird ebenso rigoros von Oben durchgepeitscht wie seit 14 Jahren schon in Venezuela. Und bisher ist seine von Staats wegen durchgeführte Umverteilung von Reichtum zuungunsten der bisherigen herrschenden nationalen Oligarchie auf fruchtbaren Boden gefallen und hat parallel zu Venezuela und Bolivien zu einer etwa 60prozentigen Unterstützung durch die Bevölkerung geführt.

Ende der 1. Folge

LG aus Panamá, CE

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Costa Esmeralda

35 Jahre Entwicklungsberater, Lateinamerika, Afrika, Balkan. Veröff. u.a. "Abschied von Bissau" und "Die kranke deutsche Demokratie".

Costa Esmeralda

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