Geht in den Wald und trinkt!

Precht Es gibt viele Gründe, warum Richard Davids Prechts Show im ZDF nicht funktioniert: Hier drei Re-Formvorschläge zur Güte

Wäre man nun zufällig in einer Zeitungsredaktion, einer Universität oder im Fahrstuhl mit Peter Sloterdijk, mit ein paar wohlfeilen Witzen über Richard David Precht fände man schnell Anschluss. Im Bashing des Volks-, Talkshow-, Hauptsatz-, „Hier-könnte-ihr-Begriff-stehen“-Philosophen kommt man gern zusammen. Und jetzt, da Precht im ZDF Premiere hatte, ergoss sich die Häme so routiniert wie vorhersehbar.

Sie geht am Problem der Sendung allerdings vorbei. Zur Frage „Skandal Schule – Macht Lernen dumm?“ war der Hirnforscher Gerald Hüther geladen. Das Studio genügte sich in zwei Hockern, einem Bistrotisch und einem Kronleuchter aus Schreibtischlampen. Das wirkte angenehm reduziert und ist optisch ein erheblicher Fortschritt zum Autohaus-Ambiente, in dem die Vorgänger vom Philosophischen Quartett hausten. Inhaltlich lässt sich die Sendung jedoch in drei Sätzen zusammenfassen: Kinder sollten keine Fakten, sondern das Lernen lernen. Jedes Kind hat Potenziale, die man fördern muss. Deutsche Bildungspolitik ist eine Katastrophe. Wer glaubte, das alles schon x-mal gehört zu haben, der wurde von Hüther noch bestätigt, als dieser resümierte: „Wir haben kein Erkenntnisdefizit“. Darüber waren sich die beiden 45 Minuten lang so auffallend einig, dass man am Sinn der Veranstaltung zweifeln musste. Kein Diskurs. Nirgends.

Die Gründe dafür, dass die Show nicht funktioniert, beginnen mit der intellektuellen Selbstkastration durch ein allzu schmissiges Thema und enden im servilen Duktus des Gastgebers. Es steht aber zu befürchten, dass es unterm Strich nicht besser geworden wäre, hätten da zwei andere Leute gesessen. Nicht nur das Philosophische Quartett hatte so seine Probleme, sondern auch um vergleichbare Formate in Frankreich und Großbritannien steht es nicht gut. Es scheint hier ein Formproblem zu geben: Die konventionelle Dramaturgie der Talkshow lässt ein Denken, das sich behutsam entfaltet und dann überrascht, kaum zu. Sieht man vom äußerst unkonventionellen Alexander Kluge ab, endet Bildungsbürger-TV zwangsläufig irgendwo zwischen Selbstbespiegelung und müdem Frage-Antwort-Spiel. Deshalb drei Re-Formvorschläge zur Güte:

1. Minimalismus: Philosophie findet seit Diogenes bekanntlich in der kleinsten Tonne Platz. Warum also nicht zurück zur One-Man-Show? Die Vorlesungen von Michael Sandel, Ethik-Professor in Havard, sind intelligent, charmant, unterhaltsam – und haben auf Youtube bis zu vier Millionen Klicks. Fände man den Richtigen oder die Richtige, warum nicht Telekolleg 2.0?

2. Zurück zur Natur: Frische Luft beflügelt das Gespräch. Mit einem Waldspaziergang hatte es etwa Gero von Boehm, jetzt Regisseur und Produzent von Precht, geschafft, Peter Handke, dem wohl scheusten Reh unter hiesigen Intellektuellen, ein spannendes Interview abzutrotzen. Ebenso drehte die kanadische Filmemacherin Astra Taylor mit Examined Life eine wunderbare Dokumentation über Philosophen, indem sie mit Michael Hardt rudern oder mit Martha Nussbaum spazieren ging.

3. Alkohol: Ultima Ratio wäre, das Studio mit Hochprozentigem zu versorgen. Im aktuellen ZDF-Format Roche & Böhmermann zeigt das zwar keinen spürbaren Effekt, was aber womöglich an der Abwesenheit von Philosophen liegt. Einer bacchantischen Atmosphäre sind unter ihnen die wenigsten abgeneigt. Einen Versuch wär’s wert.

Vielleicht muss man Precht aber auch nur Zeit geben. In der nächsten Sendung zum Thema „Freiheit“ kommt zwar nicht Joachim Gauck, aber dafür ein anderer Philosoph von Rang: Springer-Chef Mathias Döpfner.

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