Tempelhofer Spiele - ein Feld für Interessen?

Öffentlicher Raum Wie funktioniert die Rhetorik der Privatisierung von öffentlichem Raum? Das zeigt das Beispiel des Tempelhofer Feldes und die Kommunikation der Berliner Senatsverwaltung

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100% Stillstand hatte die Senatsverwaltung die Initiative zur Erhaltung der vollen Freifläche auf dem ehemaligen Flughafengelände genannt. Der Vorwurf: Es seien die egoistischen Interessen der AnwohnerInnen des Tempelhofer Feldes, die nun gegen den so dringend gebrauchten öffentlichen Wohnungsneubau stehen würden. Diese Interpretation der Dinge ist natürlich Teil des Ringens um die Deutungshoheit im öffentlichen Diskurs im Vorfeld des Volksentscheides im Mai. Eine kritische Betrachtung der Frage, um welche Interessen es hier eigentlich geht, mit welchen Werte, durch wen legitimiert und mit welchen Effekten hier eigentlich implizit argumentiert wird, scheint lohnenswert.

Zunächst einmal: Dass Politik überhaupt sich mit dem Ausgleich und der friedliche Konfliktbearbeitung von verschiedenen Interessen beschäftigt, ist ja nun eigentlich nichts neues. Man könnte hier die Interessen der AnwohnerInnen, der TouristInnen und der sonstigen BerlinerInnen, die den einzigartigen Luxus einer ausgedehnten Weite eines für Berlin so typischen historischen Denkmals wie es ein Flugfeld mitten in der Stadt eben darstellt, auf der einen Seite sehen. Auf der anderen Seite ständen dann die legitimen Interessen einer anonyme Masse aller MieterInnen in Berlin, inklusive der Zukünftigen, die keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden. Das wäre sozusagen die Schwarzweissvariante der "Nullsummenspiel"-Interpretation. Ein Interesse gegen das andere und wer mehr Leute für sich mobilisiert, hat gewonnen. Eigentlich fair, oder?

Doch so einfach steht es nicht. Es sind nämlich eben nicht die gleichartigen, ökonomisch orientierten Interessen von BerlinerInnen, die hier gegenüber stehen, sondern vor allem das öffentliche Interesse gegen das Private. Denn auch so kann man es sehen: Von 355 ha Fläche, die derzeit der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, werden nach den Plänen der Senatsverwaltung mehr als ein Drittel privatisiert und kommerziellen Zwecken für einige wenige zugeführt. Wer will, kann darin eine an vielen Orten Berlins wirkende unheilvolle Verstrickung der Bauwirtschaft und Politik sehen, die vor allem den kurzfristigen privaten Interessen einiger Bauunternehmungen dient und am Ende natürlich irgendwie baut und Wohnungen schafft. In diesem Sinne müsste man ja auch dankbar für die Wohnungen auf dem Gelände des Kiki Blofelds, der EastSideGallery und am Mauerpark sein. Auch die nehmen ja irgendwie Druck aus dem "Kessel" des hochpreisigen Wohnungsmarktes und bieten diese neuen Wohnungen alten und neuen BerlinerInnen an. Dass dies jedoch zu einem Mietenanstiegsstopp führen würde oder gar mit sozialem Wohnungsbau zu tun hätte, kann nur ein Zyniker behaupten.

Denn Berlin verfügt über viele Brachflächen, die vielleicht nicht so einfach zugänglich, vielleicht versiegelt oder sonstwie nicht gerade zu den Premiumflächen für schicke Neubauviertel gehören, jedoch städtebaulich und sozial geradezu danach rufen, bebaut zu werden. Würde der Senat gerne etwas für die Stadt und gegen soziale Härten durch Mietsteigerungen tun, könnte er Geld in die Hand nehmen und selber oder mittels der vielen städtischen Wohnungsbaugesellschaften an diesen vielen Brachflächen einfache, aber moderne Familienwohnungen bauen.

Die geplanten 5000 Wohnungen für gerade mal 10.000 Menschen (also durchschnittlich 2 Menschen pro Wohnung) auf dem Tempelhofer Feld würden jedenfalls ein Tropfen auf dem heißen Stein sein in Anbetracht einer 3.4 Millionen Stadt. Dafür würden aber den Millionen jährlichen BesucherInnen und NutzerInnen des Tempelhofer Feldes ein Drittel der Fläche und vor allem die luxuriöse Weite des Himmels genommen werden. Gar nicht zu sprechen von dem weltweit einmaligen Kulturdenkmal des Tempelhofer Flughafens. Hier steht Öffentlich gegen Privat – Zersiedelung gegen Verdichtung und Bauwirtschaft gegen ökologische und moderne Stadtentwicklung.

Wenn der Senat diese privaten Interessen einiger Investoren und zukünftiger BewohnerInnen des Tempelhofer Feldes als zielführend im Sinne des Allgemeinwohls darstellt, kann dies nicht weiter als ein schlechter Treppenwitz aus der Berliner Provinzpolitik betrachtet werden. Es bleibt zu hoffen, dass die BerlinerInnen angesichts unzähliger missglückter Bauvorhaben und einer traditionell betonorientierten Stadtplanung nicht schon zu unpolitisch geworden sind, um dieser Posse aufzusitzen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
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Diggity Diskurs

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