Wahlkampfzeiten sind verrückte Zeiten. Da wird versprochen und umgarnt, da wird vorgegaukelt und gelogen. Nach der Wahl, kaum dass die ersten Hochrechnungen verkündet wurden, gilt das alles nicht mehr. Aber mittendrin gibt es Momente, da scheint ganz klar so etwas wie Wahrheit auf. Da wird deutlich, was nach dem Wahltag tatsächlich zu erwarten ist. Zwei solche wurden in den letzten Tagen gemeldet.
Der erste Moment war am 21. Februar 2013, als das Handelsblatt meldete: "Peer Steinbrück will sich als Partner der Wirtschaft positionieren." Der SPD-Kanzlerkandidat habe sich am Vorabend vertraulich mit Vorständen und Geschäftsführern von Dax- und M-Dax-Konzernen sowie deutschen Ablegern internationaler Weltunternehmen in Berlin getroffen. Dabei habe Steinbrück den Konzernbossen und -vertretern erklärt, wie er den deutschen Wirtschaft- und Industriestandort stärken will. "Steinbrücks Botschaft, so berichten Teilnehmer, sei gewesen: Die Wirtschaft brauche keine Sorge vor einer SPD-Regierung zu haben, auch in der Steuerpolitik werde es keine Wende nach links geben. In der SPD-Zentrale hieß es zu dem Treffen, dass sich Steinbrück jetzt intensiver als 'wirtschaftsnah' positionieren wolle." Nein, überraschend ist das nicht. Wer anderes von Steinbrück erwartet hatte, mag verständliche Hoffnungen gehabt haben. Hoffnungen, weil sich natürlich etwas ändern müsste hierzulande. Aber nicht mit den Sozialdemokraten ...
Und auch nicht mit der Linkspartei: Davon kündete eine Meldung der ZEIT am selben Tag, an dem das Handelsblatt die Meldung zu Steinbrück brachte. Danach empfiehlt Ex-Parteivorsitzender Lothar Bisky seinen Genossen, mit der SPD und den Grünen zusammen Steinbrück als Kanzler zu wählen. Ein "rot-rot-grünes" Bündnis wäre „eine Chance für Die Linke, aus ihrer Enge herauszukommen", meint Bisky laut ZEIT. "Wenn seine Partei klug wäre, so der frühere Parteivorsitzende, würde sie Steinbrück zum Kanzler wählen. 'Ich jedenfalls kann es mir vorstellen, warum denn nicht?'" Doch der heutige Europaparlamentarier der Linkspartei will nicht nur, dass seine Partei sich der todessehnsüchtigen SPD andient. Er enpfiehlt ihr auch, sich endlich mit der Nato zu versöhnen. Während das Kriegsbündnis sich weltweit ausdehnt, soll die Linkspartei ihre außenpolitischen Positionen, etwa zu einem Ausstieg aus der Nato, korrigieren. Den empfohlenen Abschied vom Charakter und der Existenz als Antikriegspartei garniert Bisky laut ZEIT mit realpolitischen "Weisheiten": "Die Linke wird sich auf ihren Glaubenssätzen nicht ewig ausruhen können."
Steinbrück überrascht nicht. Vielleicht hat Albrecht Müller Recht, dass der angebliche Kanzlerkandidat nebst den anderen führenden Sozialdemokraten für ganz andere Leute arbeitet. Bisky überrascht eigentlich auch nicht, wie der Blick auf die Linkspartei in den letzten Jahren zeigt. Solche realpolitischen Ratschläge gab er auch schon, als er noch die PDS führte. Aber das sind keine klugen Hinweise, sondern schlechte Tipps. Sie müssen auch dumm genannt werden. Niemand rät seiner eigenen Organisation ernsthaft, genau das aufzugeben, was sie von anderen unterscheidet. Tut er es dennoch, kann er nur als dumm oder selbstmörderisch bezeichnet werden. Oder es ist mit Albrecht Müller die Frage zu stellen, für wen Bisky arbeitet ... Womit wir wieder bei der Frage nach dem Zustand der bundesdeutschen Demokratie, nicht nur in Zeiten des Wahlkampfes, wären.
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