Soziales Hetzwerk

Mordaufruf Facebook hat mit einer unverblümten Aufforderung zum Mord offenbar kein Problem und läßt unzweideutige Hetze auch nach mehrfachen Beschwerden von Usern unmoderiert

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Frei nach Distelmeyer: Wohin mit dem Hass?
Frei nach Distelmeyer: Wohin mit dem Hass?

Foto: Justin Sullivan/Getty Images

Wenn ich einen Text im Netz finde, der mich thematisch interessieren könnte und über den durchaus angeregt diskutiert wird, den ich mangels entsprechender Sprachkenntnisse aber nicht im Original lesen kann, dann muß ich mich logischerweise auf eine Übersetzung verlassen. Das kann – gerade im Falle der Terrorismus- und Extremismusforschung – durchaus eine heikle Sache sein. Im vorliegenden Fall erschien mir die Angelegenheit trotz der gravierenden Vorwürfe, die erhoben wurden, von Anfang an entsprechend plausibel, auch weil nach kurzer Zeit z.B. SPIEGEL ONLINE einen entsprechenden Bericht über diesen Fall präsentierte und die Diskussionen seitdem weiter zugenommen haben. Worum geht es dabei? So einfach wie krass: um einen Aufruf zum Mord.

Auf Facebook findet man (zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Textes) einen unverblümten Mordaufruf gegen den Autor Hamed Abdel-Samad ("Entweder Broder"). Ein offener Aufruf zu einer solchen Straftat dürfte, so die Annahme, durchaus auch für Facebook ein Thema sein, schließlich kann der Sinn des Netzwerks gemäß seines Selbstverständnisses kaum darin liegen, Menschen gegeneinander aufzuhetzen. Doch Facebook stört sich offensichtlich nicht an diesem Aufruf. Auf meine Beschwerde erhalte ich nämlich binnen weniger Stunden folgende Antwort (Zum Lesen anklicken):

http://www.internetsoziologie.at/de/wp-content/uploads/2013/06/facebookantwort-abdelsamad-300x103.png

Abgesehen von der holprigen Sprachqualität/dem wilden Sprachmix und den fehlenden Alternativen, die hier angepriesen werden, aber nicht zu finden sind und damit den negativen Gesamteindruck dieser Facebook-Meldung verstärken (es sei denn, man sieht "Feedback einsenden" oder das Löschen der Antwort von Facebook als Alternative an): mit diesem Ergebnis kann ich nicht viel anfangen. Und ich bin nicht der Einzige, wie Diskussionen auf Facebook und auch bei SPIEGEL ONLINE vermuten lassen. Das Feedback von anderen Empörten, welches ich erhalte, ist ebenfalls ziemlich eindeutig. Man kann es wohl drehen und wenden, wie man will: Auch im Lichte einer extrem großzügig ausgelegten Meinungsfreiheit erscheint es meines Erachtens höchst zweifelhaft, wenn dieser Art von Hassrede kein Riegel vorgeschoben wird. Das Ganze wird in meinen Augen sowohl inhaltlich als auch formal von Facebook - äußerst diplomatisch formuliert - etwas lapidar gehandhabt. Es ist insgesamt kein repräsentatives, jedoch ein sehr bedenkliches Live-Beispiel für Extremismus im Internet und wie Facebook damit umgeht.

Völlig richtig: Hass verschwindet nicht automatisch aus den Köpfen, wenn man ihm das digitale Forum entzieht. Doch das kann kein Argument dafür sein, jeglichen Mist einfach stehen zu lassen. Ignoranz ist sicherlich auch keine Lösung, vor allem dann nicht, wenn man sich selbst durchaus hehre Ziele in Sachen sozialer Vernetzung vorgibt.

Dieser Fall ist jedoch nicht nur das bereits erwähnte Live-Beispiel für digitalen Extremismus und Facebooks Umgang damit: wenn wir davon ausgehen, daß der digitale Raum uns ganz neue Möglichkeiten der Empörung über Missstände bietet, dann ist dieser Fall jetzt und hier eine sehr konkrete Gelegenheit, gegen menschenverachtende Hetze vorzugehen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Stephan Humer

Stephan G. Humer

Promovierter Diplom-Soziologe u. Informatiker; Professor und Leiter Forschungs- und Arbeitsbereich Internetsoziologie, Hochschule Fresenius Berlin; Koordinator Spitzenforschung, Netzwerk Terrorismusforschung e.V.

Stephan Humer

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