Konsumkritik: You Tube sperrt kritische Musik

Massentierhaltung Ich bin (Bio-)Hobbygärtner, blogge, setze mich gegen Lebensmittelverschwendung ein. Kürzlich entdeckt: Ein Musikvideo über Massentierhaltung. Von You Tube gesperrt.

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Mal auf ein Wort: Massentierhaltung, gesunde Ernährung, Ezetara, Ezetara…

Heute habe ich echt Kreuzschmerzen, denn gestern wurden Herbstsalate gesät, im Garten gewühlt, um- und eingetopft, 20 Tomatenstöcke im Topfgarten gebändigt und nach dem Regen habe ich Pflanzlöcher für ein paar der letzten, selbstgezogenen Sommerblüher und Stauden ausgehoben, echt ein Akt mit ultralehmigem Boden. Warum man sich sowas gibt?! Nicht nur weil es letztlich Spaß macht, sondern man, neben den Blümchen, die wiederum so ausgesucht sind, dass sie Bienen viel Nahrung spenden, sich sein eigenes Gemüse anbaut. Ein selbstgezogener Salat, eben gerade geerntet, der knackige Kohlrabi, das eigene Suppengemüse, wirklich sonnengereifte Tomaten, frische Kräuter vom Topf direkt in die Tomatensauce, einfach lecker, garantiert chemiefrei und der Mühe wert. Null CO2-Fußabdruck, garantierter Herkunfts- und Inhaltsnachweis.

Was mir dabei zwischen dem ganzen Vogelgezwitscher und Bienensummen aber immer wieder in den Kopf geschossen ist, ist der Song von Ezetara, 1 Milliarde. Eine Milliarde Menschen hungern auf dieser Welt aus vielfältigen Gründen und die Menschheit frönt dem Billigfleisch, dem Fast Food, weitgereistem Gemüse zu ultrabilligen Preisen und mit „A“ und „O“ werden E-Nummern zum Genuss.

Immer mit auf dem Teller oder im Pappkarton: Die in jeglicher Hinsicht unwürdige, ungesunde und alles andere als umweltfreundliche Massentierhaltung. Einer der Gründe, gerade in Deutschland: Die Gier nach Billigfleisch. Billig, in Massen und unwürdigen Bedingungen produziert (anders kann man die industrielle Massentierhaltung nicht nennen), mit vielerlei Folgen und Zusammenhängen. Der Song, frisch aus dem Schnitt Ende Juni und auf You Tube gestellt, hatte sofort 4.000 Seher. Und wurde wohl wegen eindeutigen Bildern einer Pappschachtel und der Erwähnung der entsprechenden Fastfoodkette entfernt. Oder waren es doch die schlimmen Bilder von Tierleid?! In einer Zeit, in der stets um 20 Uhr die Tagesschau, spätestens RTL regelmäßig Leichen serviert.

Global gesehen – oder nehmen wir nur Deutschland – ernähren wir uns auf Kosten anderer. Warum wird eine Musikband – muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen – da aus dem Netz genommen? Allmacht der Konzerne? Welcher es auch immer war… Massentierhaltung und nachhaltiger Konsum, sehr wohl ein wichtiges Thema und wenn es im Rap daher kommt, ja, warum nicht? Das erreicht dann vielleicht nicht nur die Leser großer Zeitungen sondern das "Musikvolk".

Mit unabsehbaren Folgen: Massentierhaltung, Lebensmittelindustrie, vergifteter Planet, Gedankenlosigkeit

Das fängt bei Waldrodungen in den sensibelsten Ecken unseres Planeten für Anbauflächen an, wofür hunderttausende von Menschen von ihrem Land vertrieben werden, reicht über den Einsatz von Gentechnik für Kraftfutter wie Soja und Co., das wiederum mit unglaublichen Mengen an Pestiziden, Herbiziden und sonst was angebaut wird, mit einem der vielen Nebenwirkungen, dass die Bienen sterben.

Aber das Elend, dass Flo von Ezetara mit seinem Rap eine Milliarde anprangert, ist noch viel, viel weitgreifender. Drei Beispiele in einem großen System mit unzähligen Nebenwirkungen, die bis heute die Wissenschaft gar nicht greifbar machen kann oder will und die Konzernen völlig egal sind? Die einen kennen diese längst andere nicht.

Billiges Palmöl – benötigt für unzählige Alltagsprodukte, von der Margarine über billige Schokolade oder Fertiggerichte, bis hin zum Duschgel, der Bodylotion oder dem Putzmittel –, wofür tausende Hektar Regenwald in Indonesien tagtäglich zerstört werden. Die Orang-Utans, unsere nächsten Verwandten werden es uns danken. Denn wenn sie von den Rodungsarbeitern nicht erschossen und erschlagen werden, dann verschwinden diese wundervollen Tiere von ganz alleine. Ohne Lebensraum, bis 2020. Eine von tausenden Spezien, aber weil er ach so putzig aussieht, ein Symbol dafür, was die Menschheit mit diesem Planet anstellt und was Billigkonsum auslöst. Tag für Tag.

Ein anderes Beispiel, diesmal direkt aus der Massentierhaltung: Maßloser Antibiotikaeinsatz, um eingepferchte Tiere irgendwie gesund zu halten. 1.700 Tonnen jedes Jahr, nur in Deutschland. Das sind 750 LKW-Ladungen. Die großen Fahrzeuge, die auf unseren Autobahnen immer Lebensmittel aus fernen Ländern ankarren oder auch die Billigklamotten aus fernen Ländern,… und eben auch das Antibiotika für die Massentierhaltung. Alleine ein Billig-, oder sollte man Standardhuhn in der heute üblichen Massentierhaltung sagen?, bekommt in seinem kurzen Leben von unter 40 Tagen bis zu sieben Mal Antibiotika. Das beim Menschen Resistenzen auslöst, im Trinkwasser nachweisbar ist, Ezetara pepe.

Und das dritte Beispiel, welches nur im kleinen Rahmen andeutet, was wir mit unserem Planeten durch Billigkonsum anstellen: In den letzten Jahren sollen fünf Millionen Menschen dank massivem Pestizideinsatz für krankheitsfreie Baumwollplantagen erkrankt sein. Eine geschätzte halbe Million ist daran gestorben. Wer glaubt, dass das in der Lebensmittelproduktion anders ist, der irrt. Es gibt nur leider in diesem Bereich keine Zahlen. Schelm wer Böses dabei denkt…

Ezetara oder Lebensmittel in einem industriellen Kreislauf

Unmenschliche Massentierhaltung, die für den Menschen in vielerlei Hinsicht ungesund ist – vom Tierleid mal ganz abgesehen –, Giftcocktails wie hormonell wirkende Pestizide in unserem Gemüse, deren Auswirkung noch keiner abschätzen kann, zwei Beispiele unter vielen, die wohl die Band Ezetara auch zu ihrem erschütternden und wachrüttelnden Song brachten.

Da ich nur zu gerne kritische Themen hinterfrage und gerne darüber schreibe, habe ich den bekennenden Vegetarier Flo von Ezetara mal gefragt, wie es eigentlich zu dem Song eine Milliarde kam.

Seine Antwort: „Als Künstler schreibe ich den ganzen Tag und suche ständig Input. Als ich Vegetarier wurde und mich intensiv mit der vegetarisch/veganen Lebensweise auseinandergesetzt habe, hat sich der Gedanke mein Leben so zu führen gefestigt.
Eines Abends schwirrten mir ein paar Ideen im Kopf rum die ich dann in einem Schwung zu Papier brachte.“ Und weiter sagt Flo von Ezetara „Es lag mir schon lange auf der Seele. Und die Musik ist mein Medium. Es ist so eine Art innerer Zwang für mich, zu schreiben was mich bewegt. Und es musste einfach raus. Viele Nachrichten bestätigen, dass es der richtige Schritt war! Musik erreicht jeden!“ Richtig. Wenn sie frei zugänglich ist.

Ezetara, Food Fighters und Massentierhaltung: Wann wird endlich umgedacht?

Wie Flo von Ezetara, der übrigens genial von Rebecca Ragusa unterstützt wird, so sehen es auch die Food Fighters, die ebenfalls gegen die unsägliche Lebensmittelverschwendung kämpfen und die traurigen Fakten diesbezüglich in die Öffentlichkeit bringen möchten. Mehr als ein Drittel der Lebensmittel landen im Müll. Werden auf unseren Äckern zerstört, weil sie nicht der Norm entsprechen, verschimmeln im Kühlschrank (was Ezetara übrigens auch besingt, nicht nur die Massentierhaltung) und werden dann Geiz-ist-Geil und wir lieben, nein, nicht Lebensmittel, sondern billig. Doch, Viele die kritisch an das Thema nachhaltigen Konsum rangehen haben es schwer. Warum eigentlich?

Ezetara bekam übrigens für seinen Song eine Milliarde nicht nur positives Feedback. Auch richtige Hassmails gingen bei der Band ein, wie er mir berichtete. Dabei waren so Sprüche und Klischees wie „wegen Deinem sch… Lied lasse ich mir mein Schnitzel nicht verderben…“. Logisch, darum geht es auch gar nicht. Aber den Sinn von Ezetaras Song eine Milliarde muss man auch eben erstmal verstehen. Verstehen wollen in einer allzu bequemen Konsumwelt in der man lieber beim Discounter kauft, um Geld für den nächsten Malle-Trip oder den nächsten XXXL-Fernseher zu sparen. Auch ein Klischee. wie das verbotene Schnitzel.

Konsumverhalten überdenken, auch eine Message von Ezetara und 1 Milliarde

Überdenkt einfach mal Euren Konsum will Ezetara mit 1 Milliarde sagen, denn, so heißt es in dem Song „nur Du, Du bist allein in der Lage, zu entscheiden wie weit wir diesen Weg noch gehen…“

Das Video: Ezetara, 1 Milliarde

Ob man nun Rap mag oder nicht. Alleine der Message wegen: Wer es noch nicht gesehen hat, hier das Video von Ezetara „eine Milliarde“ mit teils drastischen Bildern, die leider Realität sind und vor allem eine Zielgruppe erreichen kann, die man mit elitärem Gerede über Nachhaltigkeit, nachhaltigem Konsum, gesunde Ernährung oder Tierqual nicht oder nur selten erreicht:

Liebe Kollegen und Medienschaffende: Kommen zu viele Pressemitteilungen tagtäglich reingeflattert, die man abtippt oder abtippen muss, ist das Thema zu langweilig, nicht massenfähig oder kennt sich keiner mit der Sache rund um den nachhaltigen Konsum aus?! Würde ich es veröffentlichen können – erst recht mit zum Himmel stinkender Zensur – dann würde ich das auch tun. Auf meinem Blog steht jedenfalls meine Meinung dazu.

P.S. Der Text hat nicht den Anspruch, im klassischen Sinne besonders gut journalistisch aufgebaut zu sein (die Fakten stimmen aber alle). Ich gebe hier einfach mal meine Meinung ab und will ein klein wenig auf die wirklich wichtige Aussage von Ezetaras Song eine Milliarde aufmerksam machen. Ein Song, bei dem es nicht um das Schnitzel selbst geht, sondern um unser ganzes Konsumverhalten… Und ein Song über den bis dato noch kein Medium, in welcher Form auch immer, berichtet hat. Dabei aber wieder auf bereits über 4.000 Klicks kam. Damit jetzt 8.000. Und ein Song, der mit so einer wichtigen Message einfach aus der öffentlichen Erreichbarkeit gestrichen wird... Schon ganz schön komisch.

Sorry, ich hatte jetzt echt ein Problem, ob ich das dem Ressort Politik, Kultur oder Alltag zuordnen soll... Ist doch irgendwie alles...

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Geschrieben von

JayRB

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