Manövriermasse Parteien-Konstellationen

rot-rot-grün Vor Wahlen tauchen Antworten auf Fragen auf, die niemand gestellt hat, wie etwa der Verweis auf „eine klare Mehrheit für die Mitte-Links Parteien“ (Misik im Freitag).

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Eigentlich ist es traurig, dass in den Medien turnusmäßig die gleichen Fragen gestellt werden, und überraschenderweise immer wieder die gleichen Antworten gegeben werden. Eine solche Antwort ist der Verweis auf „eine klare Mehrheit für die Mitte-Links Parteien“ (Robert Misik im Freitag vom 5.9.2013) oder „eine linke Mehrheit“ (Mit Hurra in die Opposition, http://sz.de/1.1766214). Dabei stellt sich gleich ein Bündel von Fragen, von der langweiligen selbstreferentiellen Frage, was links sei, mal abgesehen. Die Frage abstrahiert die Parteien von den Parteimitgliedern, die im Falle der Sozialdemokraten und der Mitglieder von Bündnis 90/DIE GRÜNEN von ihren Parteispitzen seit über einem Jahrzehnt immer wieder hören und lesen, mit den LINKEN sei keine Koalition zu machen. Spannend dabei ist, dass die Bündniszugehörigkeit zur NATO, außer im Bündnisfall oder in Konfrontation zur UN, kaum jemals so häufig thematisiert wird, als im Falle des Ausschlusses einer Koalition mit den LINKEN.

Die Aktiven der drei Parteien kenne sich und es kommt jenseits der Parteigrenzen auch zur Zusammenarbeit. Wird der politische Mensch als Parteimitglied angesprochen, kann niemand die rot-grüne Regierungszeit vergessen. Den Sozialdemokraten und Grünen, die in ihren Parteien blieben, wurde von den Partei- und Fraktionsspitzen bewusst so viel zugemutet (Außenpolitik: Kriegseinsätze, Arbeitsmarktpolitik: Hartz-Reformen, Niedriglohnsektor), dass daraus eine veränderte Grundposition entsprang. Die Gründung der Linkspartei, war dabei nur das äußere Zeichen dafür, dass Sozialdemokraten und Grüne einen programmatisch wichtigen Teil ihrer Mitgliederschaft verloren.

Aus Sicht der Ausgetretenen waren die verbliebenen Sozialdemokraten politische Wendehälse und diese warfen den Mitgliedern der WASG und später den LINKEN Dogmatismus vor. Gerade für letztere, die aus Überzeugung aus einer Volkspartei ausgetretenen waren und in eine Oppositionspartei (die im Westen noch Kinderschuhe trug) eintraten, bedeutete dies ein riesiger Schritt. Die emotionale Komponente, die damit auf beiden Seiten verbunden war, darf nicht unterschätzt werden, zumal sich die Kontrahenten auf lokaler Ebene nicht gerade schonten.

Diese Fraktion innerhalb der LINKEN, aber auch die Mitträger der rot-grünen Koalition, haben jeweils einen Weg hinter sich gebracht, der weiter war, als von Berlin aus sichtbar ist. Die Forderung nach rot-rot-grün übersieht sowohl die menschliche Seite, als auch die unterschiedlichen Haltungen, die am Anfang dieses Weges standen. Gerade für die Mitglieder der westlichen Landesverbände ist eine solche Koalition nur rational nachvollziehbar, emotional wäre dies der Nachvollzug des Wendemanövers der SPD und der Grünen, dessentwegen sie ja einen anderen politischen Kurs gewählt hatten. Personifiziert wird bzw. wurde dies an dem Beispiel Oskar Lafontaines, dessen Haltung als unverantwortlich und als rein persönlich dargestellt wird – dabei ist diese lediglich exemplarisch.

Entsprechend ist es regelmäßig die LINKE, die den schwarzen Peter zugeschoben bekommt. Etwa im zitierten SZ-Artikel: „Die Linke will also bleiben, wie sie ist, ändern sollen sich die anderen - es ist wohl diese Haltung, die eine linke Mehrheit und damit den von der Partei geforderten Politikwechsel verhindert.“ Auf die Frage, ob ein Politikwechsel stattfinden kann, falls sich die LINKE ändert, wird gar nicht eingegangen, ganz zu schweigen davon, was ein gemeinsames rot-rot-grünes Projekt wäre.

Ob sich Bündnis 90/DIE GRÜNEN tatsächlich als links sieht und ob die beiden anderen Parteien jeweils das gleiche unter links verstehen, ist die nächste Frage. Der Verweis auf eine linke Mehrheit scheint daher fast eine "Feststellung", die eine Anklage gegen die drei Parteien enthält, da hier nach Ansicht der JournalistInnen offenbar etwas „natürliches“ verhindert wird. Dabei ist der Verweis auf das Naturhafte das Gegenteil von Politik.

Rot-rot-grüne Gedankenspiele, die von diesen Erfahrungen der westdeutschen Basen zu Gunsten einer theoretischen Machtoption keine Kenntnis nimmt, höhlen die Parteien weiter aus und führen weiter auf den Weg zu post-demokratischen Parteien.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden