Ganz oder gar nicht

Crashgefahr Spaniens Banken stehen am Abgrund. Die eigene Regierung ist machtlos, so dass der Euro-Krisenfonds zur letzten Hoffnung wird. Es winkt eine europäische Bankenunion

Als EU-Krisenfonds noch nicht wirksam, aber schon überholungsbedürftig – der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) hinkt der Megakrise hinterher, die ihn hervorgebracht hat. Das Siechtum von Banken in Spanien, ebenso in Portugal, Italien und teilweise in Frankreich zwingt dazu. Diesem gemeinsamen Kapitalstock der Euroländer winken plötzlich Aufträge, für die er nicht gedacht war. Die Frage lautet, soll der ESM ab 1. Juli außer verschuldeten Staaten auch maroden Banken wieder Leben einhauchen? Die EU-Kommission sagt ja und sieht keinen anderen Ausweg. Milliarden-Transfers aus dem ESM könnten Geldhäusern zugute kommen, die sich wie der spanische Sparkassen-Konzern Bankia, die Banca Civica und andere am Immobilienmarkt total verhoben haben. Sie alle sind im Mai von den Rating-Agenturen auf die Bonitätsnote BB+ und damit das Prädikat „spekulativ“ herabgestuft worden. Im Klartext: Als Schuldner „vermindert sicher“.

Sollte der ESM wirklich Klienten, Geld zu leihen, die bei jedem anderen Investor abblitzen, weil sie nicht mehr kreditwürdig sind? Und überhaupt, zunächst einmal würde der ESM-Vertrag ein solches Auftragsplus nicht ohne weiteres erlauben. Ihn anzupassen, könnte bedeuten, sich auch ein erneutes parlamentarisches Plazet in den einzelnen Eurostaaten holen zu müssen. Und das kann dauern. Bevor es dazu käme, wäre ohnehin die alles entscheidende Frage zu klären, woher bezieht der ESM das Geld für mögliche Banken-Rettungen und wie? Gilt das Modell EFSF, also des bisherigen Euro-Rettungsfonds? Das würde bedeuten, die für den Stabilitätsmechanismus aufkommenden Staaten besorgen sich ihren Beitrag am Kapitalmarkt, zahlen Zinsen und haften dafür, falls unterstützte Klienten pleite gehen. Beim EFSF zählten dazu allein Staaten, deren Bankrott – Griechenland hin oder her – weniger wahrscheinlich ist als der Totalabsturz abgewirtschafteter Geldhäuser wie der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008.

Nationale Bankenaufsicht muss Federn lassen

Soll der ESM auch künftig Banken auffangen, muss es einen Modus geben, der die beteiligten Staaten absichert. Denkbar wäre eine Banklizenz, die den ESM dazu berechtigt, selbst Kredite aufzunehmen. Etwa bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Der Vorteil läge auf der Hand: Es käme dann ein Zinssatz in Betracht wie jener spartanische Aufschlag von einem Prozent, als es die gigantischen Liquiditätsschüben von 489 Milliarden und 530 Milliarden Euro gab, mit denen die EZB seit Dezember zweimal die Finanzmärkte flutete. Ein Banklizenz für den ESM erscheint aus volkswirtschaftlichen Gründen auf jeden Fall geboten, um nationale Haushalte und damit den Steuerzahler zu schützen.

Zudem sollte dem ESM-Management – der so geannnte Gouverneursrat der Finanzminister – der Recht zustehen, hoffnungslos überschuldete Banken aus dem Verkehr zu ziehen und gerettete zu übernehmen. Die Staaten der europäischen Gemeinschaft als Gesellschafter der mit EU-Hilfen aufgemöbelten Geldhäuser – dies sollte kein Ausnahme, sondern die Regel sein. Die Vereiningten Staaten von Europa sollten Banken verstaatlichen dürfen oder eben abschreiben. Das in Deutschland gern bemühte Kriterium der Systemrelevanz, dem die Hypo Real Estate (HRE) und die Commerzbank ein Leben nach dem Tode verdanken, bliebe davon gewiss nicht unberührt. Mit anderen Worten, die nationalen Bankenaufsichten müsste wohl Federn lassen. Die Schulden zu europäisieren, dies aber bei der Bankenpolitik zu unterlassen, wäre absurd und teuer. Wie es scheint, führt an einer europäischen Bankenunion schon bald kein Weg mehr vorbei. Es melden sich in der EU zu viele Akteure zu Wort, die begriffen haben, dass die Situation zu einem solchen Integrationsschub zwingt. Die Bundesregierung wird ihre reservierte Haltung aufgeben müssen. Eher früher als später.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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