Geschichte um eine Pankower Straßenbenennung

Prof. Herta Hammerbacher - Wie die erste Professorin an der TU Berlin in die Mühlen einer versimpelten Aufarbeitungsdebatte geriet.

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Seit Jahren engagiert sich die AG Spurensuche des Pankower Frauenbeirates dafür, Frauen, die im Bezirk oder auch darüber hinaus Spuren durch ihre Arbeit und ihr Wirken hinterlassen haben, zu würdigen. Das geschieht u. a. durch Gedenktafeln an Häusern aber auch durch Straßenbenennungen. In Pankow - Heinersdorf entsteht ein neues Wohnviertel und wir waren angefragt, würdige Kandidatinnen für die Straßenbenennung zu nennen. Weil die Gegend früher Gartenland war, kamen wir u. a. auf den Namen Professor Herta Hammerbacher, die zu den erfolgreichsten und bedeutendsten deutschen Garten- und Landschaftsarchitekten des vergangenen Jahrhunderts gehörte, nach 1945 die erste Architektur- Professorin überhaupt an der TU Berlin war, und mit ihrer Gestaltungs- und Lehrtätigkeit sehr prägend wirkte.

Ein energisch bekämpfter Vorschlag

Dieser Vorschlag wurde nach einiger Zeit aus der Berliner Bezirksversammlung per Beschluss energisch bekämpft und dies medial umfassend verbreitet. Es erschien in der „Berliner Zeitung“ mehrfach ein Beitrag der immer wieder die Wendung Ehre dem braunen Daumen von Herta Hammerbacher enthielt. Die Beiträge tauchten die Arbeit Herta Hammerbachers in ein Licht, das nahelegte, sie habe dem NS Regime sehr nahe gestanden. Herta Hammerbacher hat in der NS-Zeit Aufträge unterschiedlichster Art ausgeführt und einige auch über ihren Bruder erhalten, der eine höhere Funktion innerhalb der NSDAP innehatte.

Die Pressearbeit und der Antrag an die BVV, den Bezirksamtsbeschluss zur Straßenbenennung nach Herta Hammerbacher aufzuheben, waren eingebettet in eine generelle Kritik am „Bornimer Kreis“ [1] und an der Konzeption des Naturgartens, dem auch der Gärtner, Schriftsteller und Philosoph Karl Foerster anhing, wenngleich ohne jeden Dogmatismus.

Es wurde also ziemlich weit ausgeholt vonseiten der Gegner dieser Straßenbenennung. Das und diese merkwürdig starre Einordnung veranlassten die AG Spurensuche, selbst noch einmal das Lebenswerk Herta Hammerbachers in Augenschein zu nehmen. Es ist gut dokumentiert in der Doktorarbeit der koreanischen Wissenschaftlerin Dr. Jeonghi Go in der sie Herta Hammerbacher als „Virtuosin der Neuen Landschaftlichkeit“ würdigt und in der sehr viel Biographisches enthalten ist. [2]

Offensichtlich spielte die Tatsache, dass Herta Hammerbacher schon in frühen Jahren zur „Roten Hilfe“ gehört hatte, sich konsequent als "links" verstand keine Rolle bei der Bewertung ihres Lebens. Dass sie – auch das hat sie deutlich artikuliert – mit der NS-Ideologie niemals sympathisierte, ging aus der Doktorarbeit hervor.

Das Wort der Angehörigen

Dass sie einen jüngeren Bruder hatte, der als Homosexueller, inhaftiert war und mit ihrer Hilfe dem KZ entkam, darüber informierte Herta Hammerbachers Neffe Aring Hammerbacher die BVV, aber das wurde nicht zur Kenntnis genommen. Weder er noch Hammerbachers Enkel Fabian Zimmermann erhielten lange Zeit überhaupt gar keine Antwort.

Aber die AG Spurensuche nahm Kontakt zu den beiden ersten Angehörigen auf und das Bild von Herta Hammerbacher ist ein völlig anderes als das in kurzen Zeilen polemisch entworfene.

Dr. Jeonghi Go wandte sich gegen das veröffentlichte Zerrbild

Auch die Verfasserin der Doktorarbeit über Herta Hammerbacher Dr. Jeonghi Go wandte sich in einem Schreiben gegen die Behauptung in der „Berliner Zeitung“ sie habe darin aufgedeckt, dass Herta Hammerbacher NS-Aufträge ausgeführt hätte. Sie beklagte, dass durch die Artikel ein Zerrbild vom Leben und Schaffen Herta Hammerbachers entstanden sei. Der Verfasser versuche, das Leben und Schaffen dieser bemerkenswerten Frau auf die NS-Zeit zu reduzieren, und die aus fachlicher Sicht höchst interessante Gartenkonzeption von Herta Hammerbacher in die nationalsozialistische Ideologie hineinzudeuten.

Es sei verständlich, dass man stutzig wird, wenn man zum ersten Mal über die sogenannten „Kriegswichtigen“ Projekte, die sie durchgeführt hat, stolpert, erklärte sie und fragte: „Wurde nicht das gesamte deutsche Volk in dieser unglücksseligen Zeit zu irgendwelchen kriegswichtigen Aktivitäten herangezogen? Ihre männlichen Kollegen waren z.B., als Landschaftsanwälte zur Landschaftsverschönerung an den Autobahnen verpflichtet, in besetzten Gebieten für landschaftlich-landwirtschaftliche Projekte in ganz Europa unterwegs.

Herta Hammerbacher war eine moderne, selbstbewusste Frau, die unbeirrt ihren, für damalige Verhältnisse emanzipierten Überzeugungen nachging. Sie hat wie die meisten ihrer Zeitgenossen*innen weitergearbeitet und überlebt. Vermutlich musste sie ihre individuellen Überzeugungen verstecken. Insofern stimmt ihre Behauptung der inneren Emigration. Man sollte mit der politischen Beurteilung einzelner Menschen in Deutschland nicht leichtfertigt umgehen, sofern man nicht sorgfältig recherchiert hat und stichhaltige Dokumente vorlegen kann“, erklärte Dr. Jeonghi Go kategorisch.

Ein unangepasstes Leben

Immer schon lebte Herta Hammerbacher ein unangepasstes Leben. Dass sie – dabei geht es nicht um sie allein, sondern um die Bornimer Arbeitsgemeinschaft Foerster-Mattern-Hammerbacher – Aufträge annahm, die sie auch von NS-Verantwortlichen akquiriert hatte, war ein dunkler und bitterer Punkt in ihrem Leben. War es Gewinnstreben oder das Ziel, die Bornimer Arbeitsgemeinschaft auch wirtschaftlich weiter zu erhalten? Wer kann das sagen? Darüber wird wenig geforscht. Über Karl Foerster, der übrigens zu Zeiten der DDR sehr gewürdigt wurde, sagen Zeitzeug:innen, dass er Bedrängten und Verfolgten sehr geholfen hat.[3] An ihrem Lebensende hat sie eine bittere, aber ehrliche Bilanz jener Jahre gezogen.

Ambivalenz, Konflikt, Trauer

Es ist ohnehin schwer die Lebensentscheidungen von Menschen in jener Zeit, sofern sie nicht eindeutig von persönlicher Schuld bestimmt sind, zu beurteilen. Wenn es etwas nicht gibt in solchem Leben, dann ist es eine Eindeutigkeit, die die Gegenwart zu verlangen scheint.

Hammerbachers Leben und auch ihre beruflichen Entscheidungen aber zeigen gelebtes Leben „in seinem Widerspruch“.

In Pankow sei es auch darum gegangen, demokratischer mit dem Thema Straßenbenennung umzugehen, erklärte die Vertreterin des BVV-Kulturausschusses, Hannah Wettig. Aber es gibt Regelungen, die durchaus solche Möglichkeiten enthalten. Außerdem sollte die Verfolgung eines solchen Anliegens nicht über die Skandalisierung einer Straßenbenennung führen.

Herta Hammerbachers Leben ist von Ambivalenz geprägt, von Konflikten und heftiger Trauer über die Vergangenheit. Es geriet in die Fänge starker Vereinfachung. Die kleine Straße in Pankow-Heinersdorf wird wohl nach einer anderen verdienten Frau benannt werden. In Potsdam gibt es übrigens längst auf dem Bornimer Feld auch eine Herta Hammerbacher Straße.

Anmerkungen:

[1] Der Begriff „Bornimer Kreis“ umfasst einen Personenkreis, der vornehmlich in den 20er und 30er Jahren mit Karl Foerster eng zusammenarbeitete, aber auch Freunde, die die Naturphilosophie und den Gartengedanken Karl Foersters teilten.“ (Jeong-Hi Go)

Hierzu heißt es im Antrag der BVV: Die Gartenarchitektin Herta Hammerbacher wirkte in den 1930er und 40er Jahren im in der Gartenkunst renommierten Bornimer Kreis, der sich am Konzept des Naturgartens nach Willy Lange orientierte. Der Bornimer Kreis entstand um den Gärtner Karl Foerster, der Mitglied der NSDAP war.

In der Zeit des NS erfuhr der Naturgarten eine völkische Aufwertung entsprechend seines Erfinders Willy Lange, der schon seit 1900 den Naturgarten als höchste Stufe des Gartens propagierte und den formalen Garten als quasi minderwertigen gartenkulturellen Ausdruck der „südalpinen“ Rassen diffamierte. Entsprechend erhielt der Bornimer Kreis Aufträge von obersten NS-Stellen. Herta Hammerbacher selbst soll an "kriegswichtigen" Aufträgen, unter anderem für die Organisation Todt, mitgearbeitet haben.

[2] Jeong-Hi Go „Herta Hammerbacher (1900-1985) Virtuosin der Neuen Landschaftlichkeit – Der Garten als Paradigma“ – TU Berlin 2006

[3] In der Nazi-Zeit beschäftigte Foerster in der Gärtnerei jüdische Freunde, die so überleben konnten. Der Gartenarchitekt Walter Funcke, damals Mitarbeiter Foersters, berichtete, dass er als Mitglied der KPD 1933 verhaftet, nach einem halben Jahr entlassen und von Foerster sofort wieder eingestellt worden sei, wozu zweifellos Mut gehörte“ „Der ganze Foerstersche Betrieb wurde insgeheim Rote Gärtnerei genannt. Zwei Frauen mit jüdischem Hintergrund, Eva-Marie Koneffke und Renate Trökes, berichteten mir von Hilfestellungen durch Foerster. Für beide war es nicht möglich, einen offiziellen Lehrvertrag abzuschließen. Erstere durfte jedoch in den Tiefen der Gärtnerei lernen und arbeiten, die andere, später die Frau des Malers Heinz Trökes (s.a. Huth), erhielt durch Foersters Vermittlung eine ähnliche Möglichkeit in Süddeutschland.“

(Zitiert nach Vroni Heinrich „„Hermann Mattern - Gärten - Landschaften-Bauten-Lehre Leben und Werk“) Universitätsverlag der Technischen Universität Berlin)

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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