In der Endzeit der Sowjetunion begann Dmitri Peskow damit, erfolgreich eine diplomatische Karriere aufzubauen, was sich auszahlen sollte. Fließend Türkisch sprechend, stieg er Anfang der 1990er-Jahre bis zum Ersten Sekretär der russischen Botschaft in Ankara auf. Ein Wendepunkt seiner Karriere sollte der OSZE-Gipfel von 1999 werden, als er durch einen Arbeitsauftrag des damaligen, bald abtretenden Präsidenten Boris Jelzin in den Kreml wechselte. Wie sich zeigte, passte Peskow perfekt ins Team von Wladimir Putin, den Jelzin zur Jahrtausendwende zum Nachfolger ernannt hatte. Im Stab des neuen Staatschefs taugten die Erfahrungen eines Presseattachés im auswärtigen Dienst als Empfehlung.
Dmitri Peskow hatte das Zeug zur Medienarbeit und gehörte bald zu denen,
zu denen, die es für angebracht hielten, der Meinungsfreiheit in Russland Zügel anzulegen. Das hieß unter anderem, auf die Redaktions- und Personalpolitik führender Medien Einfluss zu nehmen. Peskow hatte keine Skrupel, Fernseh- oder Hörfunksender aus dem Kreml anzurufen, wenn die sich eine aus seiner Sicht zu scharfe Kritik an Behörden erlaubten. Bei solchen Eingriffen waren die verschiedenen Zeitzonen des riesigen Landes von Vorteil: Ein in Wladiwostok bereits gesendetes Sujet, das auf Widerspruch stieß, verschwand, bevor es in Moskau oder St. Petersburg über den Äther ging.Ab Mitte der 2000er-Jahre trat Peskow zusehends selbst öffentlich in Erscheinung, um Angriffen auf den Kreml zu begegnen. So war er einer der Verantwortlichen für die Informationspolitik nach dem Terroranschlag auf eine Schule in der nordossetischen Stadt Beslan am 1. September 2004. Kaukasische Terroristen hatten dort mehr als 1.100 Menschen als Geiseln genommen. Nach offiziellen Angaben starben 331, darunter 186 Kinder, als Sondereinheiten zum Sturmangriff antraten. Putins Entourage, darunter Peskow, bestritt den Einsatz schweren militärischen Geräts. Nur hatte genau das – zusammen mit einer unklaren Befehlslage – zu der hohen Zahl an Opfern geführt.Dmitri Peskow schillerndes Privatleben2008 schließlich wurde Peskow, damals 40 Jahre alt, Pressesprecher Wladimir Putins, als der nach seinen ersten beiden Amtszeiten die Position des Ministerpräsidenten übernahm und die Präsidentschaft dem loyalen Dmitri Medwedew überließ. Von da an wurde Peskow endgültig zum Multiplikator der Ideen und Ideologie seines Dienstherrn – er leitete dessen Pressekonferenzen und kümmerte sich um populäre Gesprächssendungen wie Direkter Draht, wenn Putin dort auftrat.Mit dem Wechsel in die erste Reihe erregte auch Peskows schillerndes Privatleben mehr öffentliches Interesse. Er sorgte mit drei Ehen für reichlich Gesprächsstoff, besonders aber mit der letzten, die ihn mit der ehemaligen Eiskunstläuferin Tatjana Nawka zusammenbrachte. Zur Hochzeit am 1. August 2015 trat Peskow mit einer exklusiven Schweizer Uhr auf, die 500.000 Euro wert gewesen sein soll. Das Ausstellen eines solchen Luxus galt für einen russischen Staatsbeamten als suspekt. Peskow nahm es gelassen und sprach von einem Geschenk seiner Frau – Putin schwieg.Sohn Nikolai aus Peskows erster Ehe lebte lange in Großbritannien, bis er dort wegen Diebstahls wie Körperverletzung 15 Monate in Haft saß und danach in die Heimat zurückkehrte. Die Zuwendungen des Vaters gestatteten einen komfortablen Lebensstil, Nikolai posierte auf Instagram vor teuren Fahrzeugen, versuchte sich als Autohändler und arbeitete ohne qualifizierte Ausbildung für den Kremlkanal RT (bis 2009 Russia Today). Als 2012 mit den Massenprotesten gegen Korruption und Amtsmissbrauch der Ton in der russischen Innenpolitik härter wurde, trat Peskow mit dem berüchtigten Spruch hervor: Für verwundete Polizisten müsse „die Leber der Demonstranten auf den Asphalt geschmiert werden“. Und er prägte einen Standardsatz, um heikle Statements zu vermeiden. Der lautete: „Dieses Thema steht nicht auf der Tagesordnung des Kreml.“ Als Aussage eine Ansage und als solche wiederum die Antwort auf unbequeme Fragen, etwa zu den häufig menschenunwürdigen Verhältnissen in russischen Gefängnissen. Im Umfeld Peskows gibt es offene Gegner des KriegesZuletzt wirkte der Sprecher zusehends wie ein Propagandist. Peskow bezeichnete Warnungen vor einem russischen Einmarsch in die Ukraine wenige Wochen, bevor es dazu kam, als „Provokation“ oder „westliche Hysterie“. Nach dem 24. Februar konzentrierte er sich darauf, Gräueltaten russischer Militärs auf ukrainischem Territorium zu leugnen und zum Gegenangriff überzugehen. In den ermordeten Zivilisten von Butscha sah er eine „gut inszenierte, tragische Show“. Fast paradox mutet es an, dass sich Peskow durch die Tatsache, dass er weder mit einer Besetzung der gesamten Ukraine noch dem Einsatz von Kernwaffen droht, innerhalb der Kremlführung im Lager der „Tauben“ wiederfindet. Mit erkennbarem Unmut pariert er hin und wieder die martialischen Verlautbarungen des Tschetschenen-Führers Ramsan Kadyrow. Der revanchiert sich, indem er Peskow dafür tadelt, russische Bürger, die das Land nach Kriegsbeginn verlassen haben, nicht als „Staatsfeinde“ geschmäht zu haben. Im Umfeld Peskows gibt es offene Gegner des Krieges wie seinen engen Freund, den Banker Oleg Tinkow, der nach dem erzwungenen, unter Wert erfolgten Verkauf seines Firmenimperiums in einem Interview den überraschenden Eindruck formulierte, die Leute in Putins und Peskows innerem Zirkel seien „allgemein gegen den Krieg“.Was kann aus Peskow noch werden? Lange wurde er intern als Nachfolger von Außenminister Sergej Lawrow gehandelt. Was denkbar erscheint, beide nehmen sich nicht viel, aber hat das im oder nach dem Ukraine-Krieg Bestand?