Oslo Der Prozess - Anders Behring Breivik20/2

Gerichtsverhandlung Tagesbericht

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Mittwoch, 16.05.2012
20. Prozesstag, Teil 2


Der nächste Zeuge ist Glenn Martin Waldenstrøm (20). Er war einer von jenen, die in der kleinen Halle überlebten, nachdem er in den Kopf geschossen wurde. Der Zeuge hat beantragt, dass Breivik den Saal verlässt. So geht Breivik in das Hinterzimmer, um die Aussage zu verfolgen.

Staatsanwältin Engh fragt
Waldenstrøm, wo er war, als das Massaker begann.
"Ich war im Café, als ich draußen Schüsse hörte und die Menschen in das Gebäude rannten.

Ich folgte dann einem Freund in den kleinen Saal. Die meisten waren in einer Ecke.
Ich erinnere mich nicht daran, dass andere angeschossen wurden, nur an mich selbst.
Wahrscheinlich hat der Körper das andere blockiert."

Engh fragt, was er von der Umgebung erinnert, nachdem er wieder zu sich kam.
"Ich erinnere mich, dass es Tote gab, aber nicht so sehr an mich.
Nach einem Schuss in der großen Halle, hörte ich Schüsse außerhalb des Gebäudes.

Ich verlor sieben Freunde.
Ich beobachtete Breivik, und er sah ratlos aus.
Er betrat den Raum und hob die Waffe. Ich verstand, dass er gefährlich ist, und ergriff meinen Freund und zog ihn zu Boden. Wir waren etwa in der Mitte des Kleinen Saals.
Nachdem ich getroffen wurde, begannen wir zu laufen.
Als ich getroffen wurde, sah ich nur noch 'Weiß' und hörte nichts anderes als ein hohes Pfeifen. Als ich wieder zu mir kam, war es ziemlich ruhig geworden.
Ich hörte einen Mann schreien: nicht schießen, nicht schießen, gefolgt von Schüssen.
Die Kugel Breiviks traf mich knapp unter dem rechten Auge.

"Weißt du noch etwas von dem, was du dachtest, wo du dich befindest?"
"Ich dachte an meine Familie und dass sie mich nicht verlieren."
"Andere Zeugen sagten, dass ihr hörtet, als die Polizei endlich ankam?
"Ingvild [die ersten Zeugin] sagte, es gab drei Überlebende. Wir wurden in den Flur getragen, und ich versuche, zuhause anzurufen, um zu sagen, dass ich lebe. Einige fragten nach der Telefonnummer, aber ich konnte sie nicht sagen. Ich schrieb die Zahl mit Blut auf den Boden.
Ich wusste, wo ich am Hals getroffen wurde, fasste an den Hals und steckte den Finger in die Wunde. Ich versuchte, um Hilfe zu rufen, aber das ging nicht. Ich nahm das Telefon und schlug es gegen den Boden, bis die Batterie herausfiel.

Ich hörte Breiviks Schritte im Inneren des Gebäudes. Ich hielt den Atem an, bis ich hörte, dass Breivik das Gebäude verlassen hatte. Ich wischte mir so viel Blut aus dem Mund, damit ich atmen konnte.

Jemand betrat den Kiosk und brachte Limonaden und Süßigkeiten.
Ich sagte, ich könne kein Soda trinken, so bekam ich eine Flasche Wasser und konnte den Mund spülen.

Wir wurden dann hinunter zum Kai gebracht, wo einige andere und ich in einem kleinen roten Boot an Land transportiert wurden.
Schließlich war ich an Bord eines Hubschraubers. Einer der Crew erzählte mir, dass es nur 15 Minuten dauern würde, bis wir im Krankenhaus wären.

Im Krankenhaus wurde ich anhand meiner Brieftasche identifiziert.
Dann weiß ich nichts mehr, bis ich ein paar Tage später aufwachte."

"Welche Art von Verletzungen hast du?"
"Ich bin teilweise taub im Gesicht und hatte ein offenes Loch im Gaumen, das nicht heilt. Ich habe auch nur etwa zehn Prozent Sehkraft auf dem rechten Auges. Der Schaden ist dauerhaft.

"Hast du Schmerzen?"
"Nein, nicht wirklich. Aber es gibt einige Stellen im Gesicht, an denen habe ich kein Gefühl. Ich sehe Doppelbilder, weil das Auge verzerrt.

Seit dem 22. Juli war ich zu 90% krank."

"Wie geht es dir sonst?"
"Ich werde schneller müde als früher. Und ich kämpfe ein wenig mit Schuld, statt sich meinem Freund anzuschließen, lief ich in den kleinen Raum.
Nun denke ich, dass ich besser etwas anderes getan hätte."
"Du konntest nicht anders handeln", sagt Engh.
"Du sagst, der Angeklagte schien verwirrt. War noch etwas mit seinem Gesicht, an das du dich erinnerst?"
"Sein Gesicht wirkte etwas verzerrt. Er schaute im Stirnbereich wütend aus, und er lächelte.
"Wie sah sein Lächeln aus?"
"Sein Mund war geschlossen."

Verteidiger Lippestad fragt:
"Es ist von einiger Bedeutung, herauszufinden, wie Breivik sich im Inneren des Gebäudes verhalten hat. Du hast gesagt, er ging leise in den Raum. Hast du ihn gesehen, als er hereinkam?"
"Ja. Als er den Arm hob."
"Hat er etwas gesagt?"
"Ich kann mich nicht erinnern, dass er etwas sagte."
"Nachdem er den Raum verließ, hast du Geräusche gehört oder irgendetwas, von dem, was auf der Außenseite ist passiert?"
"Nichts als ein paar Schüsse."
"Hast du geweint?"
"Ich erinnere mich nicht."


Breiviks Verteidiger haben alle drei Zeugen gefragt, ob sie hörten, dass Breivik weinte oder etwas sagte. Der Grund dafür ist, dass mehrere andere Zeugen, darunter Tonje Brenna, erklärt hatten, dass Breivik mit einem Schlachtruf und Jubelgeschrei daher kam. Breivik selbst bestritt, dass er dies getan hätte.

Die Anwältin des Zeugen, Elisabeth Hagen, fragt nach den Tagen, nachdem er aufwachte.
"Nach ein paar Tagen ging ich in die
Kathedrale, um Blumen niederzulegen. Ich suchte ruhelos, bis ich ein Bild von meinem Freund fand.
Im letzten Herbst wollte ich an einer Volkshochschule beginnen und machte die Aufnahmeprüfung unter Vorbehalt.
Der Plan war, mit der Schule zu starten und herauszufinden, was ich wirklich arbeiten möchte."
"Wenn du sagst, dass das Leben rauf und runter geht, was meinst du damit?"
"Stimmungsschwankungen, es gibt wirklich die ganze Bandbreite von Emotionen."



"Möchtest du noch etwas hinzufügen?"

"Als ich in den Interviews las, dass Breivik sagte, er hätte im Café-Gebäude eine Person auf dem Boden liegen sehen, die stark aus dem Hals blutete, da dachte ich bei mir: das war ich. Und ich bekam ein ganz starkes Gefühl:
'Haha, ich hab dich zum Narren gehalten!'"

20. Prozesstag Teil 3

aftenposten.no Tag 20

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Geschrieben von

SuzieQ

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