Oslo Der Prozess - Anders Behring Breivik 9

Gerichtsverhandlung Tagesbericht

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Donnerstag, 26.04.2012

Als Zeichen des Widerstandes gegen die Thesen des Attentäters Anders Behring Breivik haben sich am Donnerstag in Norwegen zehntausende Menschen zum Singen eines Kinderliedes versammelt.


Im Nieselregen intonierten allein in Oslo 40.000 Menschen "Kinder des Regenbogens", eine norwegische Version des Lieds "My Rainbow Race" des US-Folksängers Pete Seeger.

Der Text stammt von Lillebjørn Nilsen, einem norwegischen Liedersänger. Breivik hatte ihn in seinen langen Tiraden vor Gericht als einen Marxisten bezeichnet, der die norwegische Kulturlandschaft unterwandert.

Breivik erklärte, das Stück werde zur Gehirnwäsche junger Norweger benutzt.


Die Norweger wollen beweisen, dass Breivik der einzige im Land ist, der so denkt.

Hier eine Version von Lillebjørn Nilsen

www.youtube.com/watch?v=GH972-mTB3I

Der norwegische Text:

Barn av regnbuen

En himmel full av stjerner.
Blått hav så langt du ser.
En jord der blomster gror.
Kan du ønske mer?
Sammen skal vi leve
hver søster og hver bror.
Små barn av regnbuen
og en frodig jord.

Noen tror det ikke nytter.
Andre kaster tiden bort med prat.
Noen tror at vi kan leve av
plast og syntetisk mat.
Og noen stjeler fra de unge
som blir sendt ut for å sloss
Noen stjeler fra de mange
som kommer etter oss

Refreng:
Si det til alle barna!
Og si det til hver far og mor:
Ennå har vi en sjanse
til å del e et håp på jord.

Norsk tekst: Lillebjørn Nilsen
Melodi og originalversjon: Pete Seeger



Hier eine Version von Donovan

www.youtube.com/watch?v=Sfe9bVHNYL0

Der englische Text:

MY RAINBOW RACE

One blue sky above us
One ocean lapping all our shore
One earth so green and round
Who could ask for more
And because I love you
I'll give it one more try
To show my rainbow race
It's too soon to die.

1. Some folks want to be like an ostrich,
Bury their heads in the sand.
Some hope that plastic dreams
Can unclench all those greedy hands.
Some hope to take the easy way:
Poisons, bombs. They think we need 'em.
Don't you know you can't kill all the unbelievers?
There's no shortcut to freedom.

2. Go tell, go tell all the little children.
Tell all the mothers and fathers too.
Now's our last chance to learn to share
What's been given to me and you.

Zwei Videos zum Protest-Gesang vom 26.04.2012

www.youtube.com/watch?v=o-aOKSP0YRo

www.youtube.com/watch?v=Mr5bU9WuYxA&feature=related

Wegen technischer Probleme bei der Übertragung in die zugeschalteten Gerichtsräume, begann der Prozess mit einer Stunde Verspätung.

Im Prozess sagte ein weiterer Überlebender des Bombenanschlags im Osloer Regierungsviertel aus. Er wurde bei der Explosion schwer verletzt und verlor knapp 80 Prozent seiner Sehkraft. Als die Bombe explodierte, habe er sofort gewusst, dass es ein terroristischer Anschlag war, sagte der 67-jährige Harald Føsker.

Breivik hörte ungerührt zu.

Er habe in seinem Büro schwer verletzt am Boden gelegen und nicht getraut, sich zu bewegen, falls die Explosion ein Loch in den Boden geschlagen haben sollte.

Noch immer leidet der ältere Herr unter ständigen Kopfschmerzen und Gedächtnisverlust.
Er war nach dem Anschlag zehn Wochen im Krankenhaus, rund 15 Kilo habe er abgenommen.

Føsker arbeitet seit Weihnachten wieder, ist aber oft krank geschrieben und befindet sich in psychologischer Behandlung. Weil er nicht selbst fahren kann, komme er jeden Tag mit dem Taxi zur Arbeit.

Als nächste Zeugin schilderte eine 24-jährige Frau, wie sie amTag des Anschlagsin der Rezeption als Empfangsdame nur knapp dem Tod entronnen ist.

Sie erinnert nur, dass sie die Wachzentrale anrief, weil ein Wagen kam und sie das Kennzeichen durchgab.

Ihre Kollegin, die damals neben ihr saß, kam bei dem Anschlag ums Leben.

Ihr wurden dann Fotos von sich selbst im Spital gezeigt.
Sie wurde bei der Detonation schwer im Gesicht verletzt. Noch heute habe sie Glassplitter im Körper, verspüre aber keine Schmerzen mehr, so die junge Frau.

Es folgte ihr Vater, Jan Henrik Lund, der den Leidensweg seiner Tochter im Detail schilderte und wie sie sich seit dem Anschlag verändert hat.
Er habe nach dem Anschlag erst spät am Abend erfahren, dass seine Tochter überhaupt noch lebte.

Breivik blickte währenddessen zu Boden und wirkte zunächst gelangweilt.
Erst als der Mann, der während seiner Schilderungen immer wieder gegen die Tränen ankämpfen muss, die schweren Verletzungen seiner Tochter beschrieb, schien das Interesse des Attentäters geweckt.


Immer wieder kämpfte der Vater mit den Tränen.

Der Vater erklärte, wie Schädel und Augenhöhlen der Tochter gebrochen waren.
Wochenlang lag die junge Frau auf der Intensivstation, bekam auch eine Lungenentzündung.

Zehn Tage lang befürchteten die Eltern, sie würde es nicht schaffen. Nach vier Wochen kam sie dann in ein anderes Krankenhaus, konnte aber noch nicht gehen oder essen.

Ein Drittel ihres Gewichts hat sie verloren, erzählte der Vater weiter. Aufgrund einer Verletzung im Sehzentrum (die Augen selbst sind in Ordnung, doch das Gehirn sei geschädigt worden), kann sie schlecht lesen, weil sie die Augen nicht richtig bewegen kann. Aber das bessert sich, gab er sich optimistisch.

Dass seine Tochter noch lebe, sei " einfach fantastisch", so der Vater.

Danach sagte die Zeugin Sissel Wilsgård aus.
Sie arbeitete zum Zeitpunkt des Anschlags im internationalen Direktorat für die Regierung.
Sie wirkte sehr mitgenommen, als sie berichtete.
Es sei ein regnerischer Tag gewesen, voller Hektik, weil sie ein Projekt fertigstellen musste.

Sie weinte, als sie erzählte, dass sie bei dem Anschlag zwei tolle Kolleginnen verloren hat.

Auf Fotos nach dem Anschlag war sie mit blutüberströmtem Gesicht zu sehen.
Sie musste an 15 verschiedenen Stellen im Gesicht genäht werden.

Seit dem Anschlag ist sie noch immer krank gemeldet, obwohl sie gern wieder arbeiten würde. Sie hat Probleme mit Treppen und vielen Menschen, kann nicht mehr so gut lesen, berichtete sie.


Eine weitere Zeugin, Line Benedikte Nersnæs, sagte nun aus.

Sie wurde durch einen Riesensplitter im Kopf verletzt.

Sie arbeitete damals in der Polizei-Abteilung des Justizministeriums im 11. Stock des Hochhauses.
Am Tag des Anschlags arbeitete sie an einer Analyse über häusliche Gewalt, die bis August fertig sein sollte. Ihre Kollegen gingen kurz nach 15 Uhr, aber sie wollte noch länger arbeiten...

Dass die Bombe nicht mehr Opfer forderte, lag daran, dass Breivik sich verspätet hatte, und viele Mitarbeiter schon nach Hause gegangen waren.

Plötzlich ein Knall. Sie fasste sich an den Kopf und merkte, dass sie blutete – ohne zu ahnen, was passiert war. Ansonsten kann sie sich kaum an etwas erinnern.

Sie berichtete weiter, draußen auf dem Gang sei alles kaputt gewesen. Dort traf sie ihren Kollegen Knut, sagte ihm, dass sie Kopfschmerzen habe. Da sagte er ihr, dass sie verletzt sei.

Über die Feuertreppe wollten die beiden Kollegen raus laufen, aber die Tür ging nicht auf! Deshalb mussten sie über die Haupttreppe hinunter. Doch das war ziemlich schwierig, überall waren Trümmer. Knut passte auf, dass sie sich wegen des Splitters im Kopf nicht bückte, sondern über die Trümmer hinweg stieg.

Draußen trafen sie dann die schwer verletzte Sissel.

Erst da begriff sie, was mit ihrem Kopf los war, doch sie beruhigte sich selbst:
alles nicht so schlimm, da sie ja gehen, hören und sehen konnte.
Erst später kamen die schlimmen Schmerzen.

Im Krankenhaus wurde der Splitter entfernt: ein etwa 20 cm langes Teil eines Fensterrahmens.
Die Ärzte sagten, dass sie wahnsinniges Glück gehabt hat, weil dieser Spieß zwar durch ihr Gesicht ging, aber nichts ernsthaft beschädigte.


Jetzt wird sie von ihren Gefühlen überwältigt, kämpft mit den Tränen und sagt: Ich habe einfach Glück gehabt. Ich hatte so viel Glück, dass es an ein Wunder grenzt.



Die Bombe habe ihr gesamtes Leben auf den Kopf gestellt.

Früher hatte sie immer ein Gefühl von Geborgenheit -

das sei nun weg.

(Quellen: dapd, Krone.at, Der Westen, Blick)


Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

SuzieQ

never ever perfect

SuzieQ

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