Große Koalition auf Schlingerkurs

Edathy-Affäre Die große Koalition auf Talfahrt und das scheinbar wegen eines Mannes, dem man bis vor kurzem eine glänzende Zukunft vorausgesagt hatte.

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Wie heißt es so schön! Das politische Berlin ist eine Schlangengrube. Kaum sind die Geburtswehen der großen Koalition überstanden, droht sie schon auseinander zu brechen. Und das wegen einer Person, die der Spiegel als Mann mit den zwei Gesichtern bezeichnet. Eine zutreffende Beschreibung wie ich meine. Ich möchte mich in meinem Blog jedoch auf die politische Dimension der Edathy-Affäre konzentrieren.

Ein Rückblick

Am Rande der Koalitionsverhandlungen nahm der damalige Innenminister Hans Peter Friedrich den SPD-Parteivorsitzenden Gabriel an die Seite und informierte ihn darüber, dass gegen Edathy wegen des Verdachts auf Kinderpornographie ermittelt wird. Edathy wurde wohl innerhalb der SPD für ein höheres Amt gehandelt, weil er sich als Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschuss einen guten Namen gemacht hatte. Gabriel wusste nun Bescheid und weihte in die Causa Edathy Frank Walter Steinmeier und Thomas Oppermann ein.

Friedrich machte als Innenminister keine gute Figur. Das betraf sowohl seine Äußerungen zum Rechtsextremismus als auch seine Statements zur NSA-Affäre. Das fiel auch CSU-Parteichef Seehofer und Bundeskanzlerin Merkel auf. Friedrich war also klar auf der Abschussliste. Retten konnte ihn nur noch der Regionalproporz, den er als Franke qua Geburt inne hatte. Friedrich war also unter Druck, nicht etwa, weil er sich in einem Gewissenskonflikt in der Causa Edathy befand, sondern weil er um das politische Überleben kämpfte. Deshalb biederte er sich der SPD an, um wenigstens dort Punkte machen zu können. Dass er dabei ein eindeutig rechtswidriges Verhalten an den Tag legte, störte ihn nicht weiter, weil er der irrigen Meinung war, Gabriel würde ihn als Informanten nicht preis geben. Ob er sich darüber klar war, welches Rechtsverständnis er hier an den Tag legt, sei dahingestellt. Als Jurist und Innenminister sollte er aber schon wissen, was ein Dienstgeheimnis ist. Schlussendlich ließ Seehofer Peter Ramsauer über die Klinge springen, der als Verkehrsminister in den Augen Seehofers auch keine gute Figur in der zentralen Frage der CSU – der PKW-Maut für Ausländer – machte. Interessant ist, dass Friedrich weder Bundeskanzlerin Merkel bzw. Seehofer über Edathy informierte. Es spricht aber für die These, dass er bei den beiden Letztgenannten bereits als nicht mehr ministrabel galt. Da fehlte schlichtweg die Augenhöhe. Friedrich ist wahrscheinlich menschlich betrachtet eine „gute Haut“ wie man in Bayern sagt. Er hat aber nicht die intellektuellem Fähigkeiten und nicht einmal das Gespür für das politisch Machbare, um in dem harten Politikgeschäft bestehen zu können. Es fällt im Übrigen auf, dass der CSU die guten Leute fehlen, die zumindest - aus handwerklicher Sicht betrachtet - einen soliden Job als Minister machen können. Dieser Erosionsprozess ist auch in der CDU und SPD zu beobachten. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der Macht der Dilettanten.

Ein Ausblick

Die Affäre Edathy wirft aber auch ein Schlaglicht auf den inneren Zustand der großen Koalition. Viele Kritiker der GroKo haben zu Recht auf die Machtfülle der beiden größten Parteien hingewiesen, die mit ca. 80% der Bundestagssitze eine erdrückende Mehrheit darstellen. Von Demokratieverfall war sogar die Rede, einer These, der ich grundsätzlich zustimme, wobei sich der Aggregatszustand unserer Demokratie ohnehin der Nullgrad-Kelvin-Grenze annähert.

Schon während der Koalitionsverhandlungen war ein zähes Ringen um politische Positionen erkennbar. Die SPD hat dabei augenscheinlich mehr herausgeholt, als sie von ihrem politischen Gewicht her gesehen erwarten durfte. Der Coup von Gabriel, die Union mit der SPD-Mitgliederbefragung unter Druck zu setzen, gelang weitestgehend. Viele in der Union waren unzufrieden mit dem Ergebnis der Koalitionsverhandlungen. Merkel ließ das Ganze laufen und Seehofer kochte innerlich vor Wut, zumal er bei der Vergabe der Ministerposten auch noch Federn lassen musste.

Die SPD dagegen sonnte sich mit ihrem Vorsitzenden Gabriel in dem Gefühl, viel mehr erreicht zu haben, als das Wahlergebnis der letzten Bundestagswahl hergab.

In einer solchen Gemengelage ist es nur allzu natürlich, dass es eines kleinen Funkens bedarf, um das hochexplosive Gemisch zwischen der Hybris auf der einen Seite und dem unterdrückten Selbstwertgefühl auf der anderen Seite zur Explosion zu bringen. Und dieser Funke war die Affäre Edathy. Thomas Oppermann, der frisch gebackene Fraktionsvorsitzende der SPD sah die Gelegenheit, die ungeliebte CSU innnerhalb der Koalition weiter politisch zu marginalisieren und nahm sich den intellektuell überforderten und ohnehin angezählten CSU-Landwirtschaftsminister vor, selbstverständlich nicht ohne vorher mit seinem Parteivorsitzenden Gabriel und wahrscheinlich auch mit seinem Förderer und Vorgänger Steinmeier Rücksprache zu halten. Dieser Vorstoß war natürlich auch ein gigantisches Ablenkungsmanöver, weil die Edathy-Affäre für die SPD-Spitze aus dem Ruder zu laufen drohte. Schließlich konnte man der Staatsanwaltschaft Hannover und den zusätzlich eigeschalteten Behörden (z.B. BKA) nicht trauen. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis die Causa Edathy an die Öffentlichkeit gelangt. Es musste also ein Bauernopfer her, das zudem noch nicht einmal aus den eigenen Reihen kam. Schlechtestenfalls war das Vertrauen zwischen der SPD und der CSU gestört, ein Kollateralschaden, den man von der SPD-Seite in Anbetracht der Gesamtsituation billigend in Kauf nahm.

Merkels Regierungskonzept war von vorneherein darauf angelegt, dass sich die SPD und die CSU gegenseitig in Schach halten und sie in aller Ruhe durchregieren kann. Jetzt hat sie aber beide Hände voll zu tun, dass die beiden Kontrahenten nicht aufeinander losgehen. Ohne die Fraktionsvorsitzenden läuft im Bundestag gar nichts. Sie bilden die Schnittstelle zwischen Regierung und Parlament. Und dort sitzt jetzt ein Herr Oppermann, von dem man genau weiß, der es sich nicht scheut, notfalls über Leichen zu gehen. Es wird in den kommenden Jahren nicht mehr viel passieren. Politischer Stillstand wird die Folge sein. Der Unmut in der Bevölkerung wird wachsen, aber auch die Lobbyisten werden zunehmend nervös, weil zentrale Gesetzesvorhaben in ihrem Sinne nicht umgesetzt werden.

Es kann natürlich auch sein, dass eine weitere Affäre dieses Zuschnitts die große Koalition zum Platzen bringt.


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