Putin – der mit dem Bär tanzt

Ukraine Fast scheint es so, als ob Putin mit dem Westen spielt. Wer zündelt, muss aber auch wissen, wie lang die Zündschnur ist.

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Putin – der Unterschätzte und Geschmähte

Laut Bundeskanzlerin Merkel lebt Putin in einer anderen Welt. Tut er das wirklich? In den Augen von Merkel und dem Westen schon, in den Augen der russischen Bevölkerung wohl eher nicht. In Russland hat er den Rückhalt, den er braucht, um seine Politik durchzuziehen. Gewiss, Putin ist ein Autokrat. Zumindest hat er sich zu einem Staatsmann entwickelt, den es wenig schert, was man außerhalb seines Einflussbereiches über ihn denkt. Das Buhlen Russlands um die Gunst des Westens hat ein Ende gefunden, sofern Putin diese Strategie jemals ins Kalkül gezogen hat. Zu viele Demütigungen hat es gegeben. Und ständig diese Belehrungen, warum in Russland die Demokratie nicht so richtig vorankommt. An ihren Taten sollt ihr sie messen und das hat der Westen keine Gelegenheit ausgelassen, Russland zu provozieren. Das Heranrücken der Nato an die russische Grenze war letztendlich der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Merkel hat es vielleicht geahnt, als sie bei Georgien ihre Zustimmung zum Nato-Beitritt verweigerte. Wie viel Heuchelei seitens des Westens verträgt eine politische Beziehung, deren handelnde Akteure noch nicht einmal richtig begriffen haben, dass der Zusammenbruch der UDSSR Spuren hinterlassen hat, gerade bei einem „Großrussen“ wie Putin? Da braucht es dann schon den Durchblick eines alten Mannes wie Ex-US-Außenminister Henry Kissinger. Aber gerade die konservativen Europapolitiker legten in dem Zusammenhang eine Ignoranz an den Tag, die mit Geschichtsvergessenheit nur ansatzweise erklärt werden kann. Letztendlich lässt sich festhalten, dass Putin der Politikerkaste in den USA und in Europa nicht mehr vertraut und demzufolge eine national gepräte Interessenpolitik verfolgt, die darauf setzt, die Uneinigkeit zwischen den USA und Europa einerseits sowie die Uneinigkeit zwischen den Überschuss-Staaten und Defizit-Staaten innerhalb Europas andererseits für seine Zwecke zu nutzen.

Die Ukraine – Die Bühne zwischen Ost und West

Ein Staat zerfällt und keiner kriegt es mit. So scheint es. Nur hat es diesen Staat jemals gegeben? Seit seiner Unabhängigkeit dümpelt die Ukraine vor sich hin. In der Regierung in Kiew saßen schon immer Marionetten, die zunächst einmal dafür sorgten, dass sie selbst und ihre Familie gut versorgt waren. Nicht zu vergessen die Oligarchen, die im Hintergrund die Strippen zogen und sich wohlfeil auf die politische Seite schlugen, die dem Wachstum ihres Portfolios nützlich erschien. Alle schauten zu, auch die Russen, solange die Marionettenregierung nach der Pfeife Russlands tanzte. Janukowitsch war sich dieser Rolle wohl bewusst, Timoschenko dachte, sie könne sich von Russland emanzipieren und sich ihre eigenen Taschen mit den EU-Fördergeldern füllen. Für die Bevölkerung ist es letztendlich egal, wer sie ausbeutet. Hier spielt man mit den Ängsten der Normalbevölkerung – auf beiden Seiten übrigens.

Der Konflikt geht in die nächste Runde. Zunächst einmal geht es ums Geld. Die Ukraine hat über 2 Mrd. USD Gasschulden und die fordert Putin nun ein. Ein Faustpfand wie man so schön sagt. Das zweite Faustpfand sind die prorussischen Aktivisten in der Ostukraine, die nicht daran denken, die Besetzung der Verwaltungsgebäude und Polizeistationen zu beenden. Warum auch, die ukrainische Armee ist faktisch nicht existent. Man muss sich das einmal vorstellen. Da werden Soldaten losgeschickt, die für „Ordnung“ sorgen sollen und am Ende überlassen diese Personen ihre Panzer dem Gegner, laufen entweder gleich über oder kehren zurück in ihre Garnison. Das ist der politische Offenbarungseid einer Regierung in Kiew, die in ihrer Zusammensetzung einem Hühnerhaufen gleicht und jegliche Reputation verspielt hat. Und mit so einer Regierung verhandelt der Westen, ganz abgesehen davon, dass in dieser Regierung Faschisten zentrale Ministerposten bekleiden. Wenn die politische Mitte fehlt, dann fransen die Ränder eben aus. So sieht keine glaubwürdige Politik aus, auf die der Westen doch angeblich so viel wert legt.

Putin der Retter?

Viele im Ausland sehen in Putin den Reformer. Nicht nur, dass er westliche Politiker mit dem Nasenring durch die Manege führt, er beherrscht auch die Methoden der Propaganda. 4 Stunden Putin life im russischen Fernsehen, garniert durch einen Auftritt von Snowden. Putin demonstriert Stärke und Entschlossenheit. Er packt die westliche Dekadenz an ihrer empfindlichsten Stelle „dem Geld“. Soll doch der Westen zahlen für die Schulden der Ukraine, sonst werden bald die einstigen Bruderstaaten im Kalten sitzen. Dass Putin zum gegebenen Zeitpunkt Snowden als „politische Waffe“ einsetzen wird, lag auf der Hand. Tief sitzt der Frust in Europa, dass nicht nur der Normalbürger abgehört wird, sondern auch führende Politiker. Jetzt steht das Freihandelsabkommen mit den USA vor der Tür und es ist noch nicht einmal klar, wer künftig unter welchen Voraussetzungen abgehört werden darf. Die Ostukraine tendiert eindeutig zu Russland. Aber auch die Bürger der EU-Staaten merken langsam, dass die Staatsschuldenkrise auf ihrem Rücken ausgetragen wird. Der Begriff Staatsschuldenkrise ist darüber hinaus auch irreführend. Es ist vielmehr die Akkumulation von Kapital und Vermögen bei ca. 1% der Bevölkerung zulasten der restlichen 99%. Das hat Putin erkannt und obwohl in der Russischen Föderation auch so mancher Oligarch die Milliarden aufhäuft, gewinnt man nicht den Eindruck, dass Putin deren Marionette ist. Er duldet vielmehr die Oligarchen, solange sie ihm nicht in die Suppe spucken. Hier wird klar, wer der Koch und wer der Kellner ist. Im Westen sitzen die Lobbyisten auf dem Schoß der Parlamentarier. Das Schlimme ist nur, es stört niemand so recht. Hier haben die Medien ganze Arbeit geleistet. Wir brauchen keinen Geheimdiensteinfluss in den Medien. Die Lobbyisten agieren wie Viren. Sie suchen sich die Wirtszelle in Form der politisch Handelnden und saugen sie so lange aus, wie sie ihnen nützlich erscheinen. Putin stellt somit die Systemfrage und legt den Finger in die Wunde, indem er nicht direkt aber indirekt die Austeriätspolitik neoliberaler Prägung westlicher Industriestaaten an den Pranger stellt.

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