Make Revolution Not War

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Was mir am 1. Mai auf den Straßen in meiner Stadt am besten gefallen hat?

Die große bürgerliche Demo war es nicht. Allerdings war es erbaulich, zusammen mit meinen Genossen und Vertretern von x anderen Organisationen mal wieder fahnenschwenkend durch die Straßen zu ziehen. Die anschließende Kundgebung war es nicht. Ich habe da kaum hingehört, denn ich weiß ja schon, dass die kapitalistische Welt schlecht ist, dass es aber trotzdem keine reelle Alternative zum Kapitalismus gibt. Das Fest drumherum war es nicht. Allerdings war es schön, mit noch gutem Wetter und einer guten allgemeinen Stimmung. Die polizeiliche Absperrung hin zum Nazi-Laden war es nicht. Es war doch ein Bürgerfest, und wir braven Bürger haben dort schon vorigen Monat angemeldet und auflageneinhaltend friedlich demonstriert. Grüße übrigens an alle, die uns dort filmisch verewigt haben.

Zurück zum 1. Mai. Nach dem Ausruhen in unserem Infostand bin ich weitergezogen zum Internationalistischen Straßenfest ein paar Kilometer weiter (das Gegenstück zum Bürgerfest). Das war es auch nicht. Allerdings war es in Ordnung. Vorher hatte es eine Revolutionäre Demo (das Gegenstück zur Bürgerdemo) gegeben. Da ich einst Gewaltfreiheit geschworen hatte und auch zu Ostern für den Frieden marschiert bin, war mir die Friedensgöttin hold und ließ mich in einem gewaltfreien Zeitfenster ankommen. Brennende Müllcontainer und fliegende Gegenstände sind nicht meine Sache. Die robuste und martialische Staatsmacht mit ihren Knüppeln und Stiefeln gleichfalls nicht.

Was war es dann? Die R.I.P.-Kapelle war es. Ich habe sie kurz bei meiner Ankunft in der Entfernung marschieren sehen. Danach wiederum, wie sie ins Zentrum marschiert sind. Sie hatten die ganze Veranstaltung offensichtlich umrundet. Bei ihrer Ankunft haben sie treff- und zeitsicher die Titelmelodie von Star Wars gespielt. Kurz danach haben sich nämlich die imperialen Truppen in Kampfausrüstung herangepirscht und den ganzen Block abgeriegelt. Die Kapelle war in Richtung der brennenden Straßenbarrikade marschiert und dann abbiegend aus dem Sichtbereich entschwunden. Die revolutionäre Front hat die Staatsmacht in der Straße entdeckt, wo die Kapelle einmarschiert war, und ebenfalls zum nächsten Scharmützel Aufstellung genommen.

Die Friedensgöttin hat mir zugeflüstert, nun zu gehen, was ich getan habe. So hat sie mich und andere Zivilisten unbeschadet beim noch friedlichen Ende des Kessels durch die dortige Kampfreihe geleitet. Dort ist dann in Gegenrichtung die bewegliche Truppe hineingeströmt, um die revolutionäre Front von hinten aufzurollen. Derer habe ich am nächsten Tag still mit einem Lied zur gescheiterten 1848er Revolution gedacht, das ich in einer Vorabend-Veranstaltung zum 1. Mai gehört hatte.

R.I.P.-Kapelle. Nein, das steht hier nicht für requiescat in pace alias rest in peace. Tote hat es zum Glück keine gegeben, nur Verletzte. Es steht auch nicht für einen musikalischen Nachruf auf die sich ehemals symbolisch selber begraben Habenden: die Hippies in den 60ern, die Punx in den 70ern, die Alternativen in den 80ern.

R.I.P.-Kapelle steht hier für den von mir tagesgenau kreierten Begriff Revolutionär Internationalistische Punk-Kapelle, neben den friedlichen Teilnehmern und Besuchern die wahren Helden dieses Tages. Die Musikaktivisten haben den vermeintlich toten hippie-punk-alternativen Geist spielend wiederbelebt. Damit sind sie revolutionärer als die Revolutionskrieger, denn die Polizei hat gewiss keine so gute Kapelle wie sie Militärtaktiker hat.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Red Bavarian

Die Vergangenheit analysieren, die Gegenwart gestalten, die Zukunft erdenken.

Red Bavarian

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