Tanz um die Gleichstellung im Ballhaus-Ost

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Das war ein prima Donnerstags-Freitags-Frauensalon gestern im Berliner Ballhaus-Ost. Wenn man – wie ich – schon geraume Zeit frauenbewegt zugange ist, dann sind manche Debatten schon wegen ihres Wiedererkennungswertes richtiggehend traulich. Es hat sich nicht so rasend viel geändert und das hat seine guten und seine schlechten Seiten.

Jakob Augstein meinte einleitend – und belegte das auch mit allerlei Statistik – im „war of talents“ hätten Frauen zunehmend die besseren Karten. Na gut, die Damen die er geladen hatte, hatten sehr gute Karten, deshalb hatte er es nicht leicht mit ihnen, aber, wie ich finde, ziemlich gut.

Erfreulich „altmodisch“

Alle drei waren frauenpolitisch voll auf dem Laufenden und ließen sich nicht ablenken, waren erfreulich „altmodisch“ und erteilten dem aufpolierten „neufeministischen“ Kram eine Absage. Nichts da mit der neusprech-postfeministischen „Alles-ist-erreicht-Attitüde“

Die sehr faktenstarke und kompetente IT-Managerin Anke Domscheit, die energische taz-Chefin Ines Pohl, und die Journalistin und Fernsehredakteurin Güner Yasemin Balci, die meist die Beispiele beisteuerte, sie servierten die bekannten gläsernen Diagnosen auf den Tisch des Hauses und wiederholten jene Forderungen, von denen hierzulande immer mal wieder behauptet wird, sie seien doch längst überholt oder vom Tisch oder sonst wie mega out. Das ist ja der Trick in der Gegenwart, dass man andauernd den Frauen neue Probleme andefiniert, - zum Beispiel mit dem Aussehen – und glaubt, damit vergäßen sie, die alten Fragen zu stellen.

Alle drei bestätigten dass sich auch in der Beurteilung von Frauen, die an der Spitze sind, die bekannten Klischees zeigen. Frauen werden nach wie vor auch nach dem Äußeren beurteilt und was bei einem Mann Machtinstinkt heißt, ist bei Angela Merkel Machtgeilheit. Das wurde schon oft thematisiert, aber es hat sich nicht viel geändert. Darauf wies Ines Pohl besonders hin.

Beispiel neue Länder

Erfreulich für mich als Ossi (oder Ossa?), dass Anke Domscheit die Verhältnisse in Deutschlands Osten mit den frauenpolitischen Wellenbewegungen noch mal zur Sprache brachte und beschrieb, wie sich die bis 1989 rein weiblichen Sparkassen-Filialleitungen kurz nach der Wende alle vermännlichten und erst jetzt wieder mehr Frauen dort einfinden.Sie stellte in den neuen Ländern mehr Bewegung fest, was Frauen in Führungspositionen aber auch in der Erwerbsarbeit generell betrifft. Es hängt damit zusammen, dass es hier mehr mittlere Betriebe gibt und natürlich jene besseren Vereinbarkeits-Voraussetzungen, wie Kinderbetreuung, was die Tendenz zu der von Frauen gewollten Vollzeit-Arbeit, einer Voraussetzung für die Karriere verstärkt.

Was die Lage generell betrifft, so stimmt es sicherlich, dass Männer vieles eingesehen haben, hin und wieder auch bloß „einräumen“, aber nicht gern das Feld räumen, wenn es um Karrieren geht, weshalb rasende Fortschritte nicht zu verzeichnen sind. Es müssen Sachen gültig und einklagbar geregelt werden. Der Appell an die Freiwilligkeit funktioniert nicht.

Anke Domscheit mit ihrem Rundblick über den deutschen Tellerrand führte das am deutlichsten vor Augen: Es hat sich viel geändert – in der Welt, nur in Deutschland nicht so richtig. Deutschland ist in der Lohnpolitik und auch in der Geschlechterpolitik ein altmodisches Land. Und deshalb bleiben auch die alten Forderungen, nach mehr Vereinbarkeit, und z.B. nach Quotenregelungen in der Politik und in der Wirtschaft bestehen.

Homosoziale Reproduktion

Männer sind ja auch nicht andauernd böswillig oder im Abwehrkampf, aber sie verhalten sich unbewusst stereotyp. Homosoziale Reproduktion heißt der Begriff, der dieses Verhalten definiert und die gläserne Decke erzeugt. Er meint, dass sich das Milieu, in dem die Männer bisher gewohnt sind, den Existenzkampf zu führen, immer wieder herstellt. Man will die berufliche Umgebung so haben, wie gewohnt. Und da sind eben Männer in der Mehrzahl.

Was wollen die Frauen?

Diese klassische Männerfrage entrang sich Jakob Augstein in der Mitte der Debatte, was ein bisschen für Heiterkeit sorgte.Er fragte zweifelnd nach, ob Frauen wirklich anders oder besser wirtschaften oder ob die gegenwärtigen Krise nicht ohnehin und überhaupt ein Problem des Kapitalismus sei und ob eine Lehman-Sisters-Bank wirklich anders gewirtschaftet hätte. Ja, meinte Anke Domscheit, aber auch die anderen Diskutantinnen, es ist eine kapitalistische Männerwelt, wenn Frauen in ihr mitwirken, könnte sie sich vielleicht wandeln. Das wurde als die alte Behauptung von den Frauen als den „besseren Menschen“ bemängelt. Nein, nicht besser, aber anders, vielleicht.

Dass Frauen Karriere umfassender meinen als die Männer, nämlich Erfolg und Familie und soziale Beziehungen, wurde postuliert, aber ob es im Alltag wirklich so ist, blieb mir zweifelhaft, auch wenn Anke Domscheit immer wieder nachwies, wie sie das in ihrer Arbeit zu Wege bringt. Wenn sich die „andere“ Art von Frauen in der Führung, im Wirtschaften mit der von Männern zusammenfände, wie es ausgeführt wurde, dann wäre schon manches erreicht.

Bislang aber passen sich Frauen noch immer an eine vorgefundene Männerwelt an – in der Politik und im Beruf. Wenn Frauen sich durchsetzen wollen, werden sie wie Männer, so Güner Yasemin Balci.

Die alte Männerfrage an die Frauen – sie ist eigentlich eine Frage an das eigene Geschlecht.

An die Politik aber geht die Forderung, das umzusetzen, was sie verspricht, someinte Ines Pohl. Denn: Es hat sich schon durchaus einiges getan, aber es wird nicht genug getan, damit es bei den Frauen ankommt.

Noch einige Einsichten vom Podium gepflückt:

Linke Männer sind nicht emanzipierter als die anderer politischer Gruppierungen. aber sie haben – wenigstens – ein stärkeres Bewusstsein für die Fragen, die damit zusammenhängen. (Ines Pohl),

Unter den frauenbewegten Männern sind manche so um die60, weil sie sich von erfolgreichen Frauen nicht mehr bedroht fühlen. Wenn sie vielleicht noch eine Tochter haben, der sie eine Karriere wünschen, verstärkt das die Einsichten. (Ines Pohl)

Der Mensch ist kein homo oeconomicus, wenn er es wäre, wären die Kompetenzen und Stärken von Frauen in der Wirtschaft längst effektiv genutzt. (Anke Domscheit)

Neudefinitionen des Männerbildes in der Familie sind auch nötig (Jakob Augstein).

Die jüngsten Redakteure sind am lautesten (Güner Yasemin Balci)

"Heutzutage gibt es vor allem eine Vereinnahmung verschiedener vulgarisierter feministischer Themen in populären Serien und Filmen, die auf ein weibliches Publikum zielen“ (Die Regisseurin Tatjana Turanskyj zitiert von Jakob Augstein )

Frauen müssen lernen, besser um ihr Einkommen zu verhandeln. (Anke Domscheit)

Community:

Auch diesmal gab es neue und bekannte Gesichter zu begrüßen. Unter anderem : kay.kloetzer und amanda, katharina, merdeister sowie der von mir mit Neugier erwartete Goedzak. Na, es ist schon so, wenn man sich eine Weile schriftlich unterhalten hat, so ungefähr hat man sich dann auch die Person vorgestellt. Vom Wesen her vom Äußeren wirkt er viel jünger, als es seine gelassenen postings vermitteln.

Mich freut es immer wieder, dass die realen Kontakt sich so erfreulich gestalten. Der archinaut wurde vermisst.

Wir haben ganz schön lange zusammengehockt, bis eine soziale Seele (wars eine Frau?) zum Aufbruch mahnte.

Auch der Salon-Gastgeber saß eine Weile mit dabei. Er und Christian Berlin, sehr erkältet, diskutierten die Käßmann-Frage. Einer meinte, Rücktritt war richtig, der andere meinte, war falsch.

Von der Quotierung her waren wir, glaube ich, fast ausgeglichen. Und wir alle waren gut im „war of kindness“. Erster Sieger war Christian, der mich schniefend nach Hause gefahren hat, schon wieder. Wenn so was einreißt...Vielen Dank.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden