Mehr Klamauk als Kritik

Tatort Thel und Boehne ermitteln im Priesterseminar: "Tempelräuber" - der Tatort aus Münster wird zum Balanceakt zwischen U und E

Wenn man abends, wie Professor Boerne (Jan Josef Liefers) durch die Straßen geht, kann es vorkommen, dass man Zeuge eines Verkehrsunfalles wird. Und wie es bei Professor Boerne immer so ist, denn der Mann zieht das Unheil einfach an, erweist sich der Unfall als Mord, und unser Pathologe gerät sogleich ins Visier des Täters - er wird ebenfalls angefahren. Die Mordwaffe: Ein altes Taxi Marke Mercedes. Das kennen wir doch? Aber was hat denn nun Vater Thiel mit dem allen zu tun?

So startet "Tempelräuber", Tatort-Folge Nr. 15 aus Münster, gleich klassisch - mit dem gewohnten Plot, dass Münster, das kleine Westfalen-Städtchen, die eigentliche Welt-Metropole unglaublichster Verbrechen ist. Und der bekannten Portion komischer Absurdität: Boerne bewegt sich die nächsten 90 Minuten mit vergipsten Armen durch den Fall.

Boerne und Thiel, die deutsche Slapstick-Version von Holmes Watson, ermitteln heute im tief im katholischen Milieu. Das Mordopfer ist Ludwig Mühlenberg ist, streng konservativer Regens des Priesterseminars St. Vinzenz. Das gesellschaftspolitische Thema dahinter: Die geheimen Kinder katholischer Priester. Gleich zwei davon – in Kirchenkreisen "Tempelräuber" genannt, weil sie der Kirche die Geistlichen entziehen, spielen eine Rolle. Ein brisantes Thema. Der Tatort wird zum Balanceakt zwischen Ulk und Drama, Kritik und Klamauk. Was als Versuch einer Krimikomödie anfängt, wird im Verlauf des Films todernst.

Ganz lustig: Wenn Kommissar Thiel zu Beginn seinen antikatholischen Ressentiments freien Lauf lässt: „Wussten Sie das Jesus Nichtschwimmer war? Der ist doch immer übers Wasser gelaufen.“ Oder: „ Die Bibel zum Beispiel. So‘n dickes Buch und kein einziger Witz drin“.

Kitschig: Boerne wird in diesem Tatort zum Ersatzvater. Und trifft auf so etwas wie sein Alter Ego, den 16-jährigen Jungen seiner Krankenschwester. Aber auf was für Einfälle ein Mensch kommen kann, nur um eine Scheibe Brot zu schneiden. Nicht schlecht.

Unglaubwürdig: Priester Wolff hat zwei Kinder und eine feste Lebensgefährtin, etwas dick aufgetragen für einen, der angeblich im Zölibat lebt. Und: Würde ein Priester einer Frau tatsächlich Geld anbieten, damit sie abtreibt?

Statt Kritik an den anachronistischen Zuständen in der katholischen Kirche inszeniert die Folge aber lieber eine Geschichte vom "Keiner werfe den ersten Stein." Denn in diesen Fall sind diesmal alle persönlich verstrickt: Ja, das Taxi war das Auto von Vater Thiel. Gast war die Frau, die auf dem Friedhof alles gesehen hat. Die Nachbarin und Lebensgefährtin des Priesters wird Boernes Haushälterin, der für den jungen Mörder Vatergefühle entwickelt.

Leider enttäuscht vor allem das Ende: Dass ein 16-jähriger Junge, ein ungeübter Autofahrer, sich ausgerechnet ein Taxi schnappt, um einen Menschen zu überfahren. Dass er anschließend noch lässig den Rückwärtsgang einlegt, wieder zuschlägt und dann noch abhaut. So etwas kann einem eben nur in Münster passieren.

Das ist kriminalistischer Dreisatz: "Ein toter Priester zählt so viel wie zwei tote Bürgermeister oder drei tote Polizisten." (Staatsanwältin Klemm)

Und das die eigentliche Frage: "Und was macht das in Staatsanwälten?" (Thiel)



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