Alle Jahre wieder ist es soweit: An Silvester betrinkt man sich, um das alte Jahr zu verabschieden und das neue zu begrüßen. Einige lieben, einige hassen das – insbesondere den sozialen Druck, gut gelaunt und euphorisch sein oder überhaupt feiern zu müssen. Mir ist das eigentlich ziemlich egal, wobei ich als Abstinenzler meistens recht froh bin, wenn alles wieder vorbei ist.
Beverlys Song "Happy New Year" jedenfalls hat damit überhaupt nichts am Hut. Es beginnt mit einer Pianofanfare, die so laut ist, dass die Nadel des Plattenspielers fast wieder vom Teller springt. Eine verzerrte E-Gitarre à la Jimmy Page setzt ein, dann hebt eine kraftvolle Stimme mit den Zeilen an: „The world's a little older / As distant sounds loom / The night's a little older / And now I'm alone – happy New Year!“
Beverly ist nicht glücklich. Um sie herum haben alle Spaß, sie aber wurde verlassen: „ A cheer of new year spirit / Dies on the still night air / I shout but you can't hear me / And you don't care, happy New Year / Baby you don't care happy New Year“. Dann folgt ein schneller Gogo-Teil, der von der verzerrten Gitarre und einem pulsierenden Piano bestimmt wird. Selbst der Kummer muss sich dem stampfenden Beat unterordnen.
Nach einem Break findet Beverly ganz zu ihrem Rhythmus: „The year is lined with promise so greet it joyfully / A time so full of promise holds none for me, happy New Year“. Wenn sie bei der letzten Strophe angekommen ist, hat sie sich so in Rage gesungen, dass das Ganze in Bezug auf den Grad der Verneinung fast an den späteren Punk heranreicht: „No bridges left to cross now / No dragon left to slay / I've never been this lost / You've gone away, happy new Year!“
Pure Energie
Das Großartige an Beverlys Performance besteht darin, dass sie in ihrer Litanei nie winselt und jammert, was sich teilweise ihrer vollen, dunklen Stimme verdankt. Sie lässt sich auch nicht von der vollen, schallenden Begleitung beeindrucken, die so typisch für den Session Sound ist, der 1966 populär war. Dem Ganzen hängt etwas eindeutig Genüssliches an, wenn sie den sarkastischen Refrain herausblafft: „Frohes Neues“. Die Frau rächt sich.
Die Stammtisch-Meinung über die Musik der Sechziger sagt, sie sei von einer oberflächlichen Pop-Fröhlichkeit gewesen, aber wie viele andere Platten, die in diesem Jahrzehnt und insbesondere 1966 aufgenommen wurden, entspringt "Happy New Year" einer ausgesprochen negativen, wenn nicht sogar feindseligen Geisteshaltung. Denken Sie nur an "Have you seen your mother, Baby, Standing in the Shadow" von den Stones, "Seven and Seven Is von Love" oder "Substitute" von The Who.
Gegen Mitte des Jahrzehnts wurde die pure Energie der Jahre 63 und 64 zu einer Musik transformiert, die die Vorstellung des Möglichen erweiterte. Gleichzeitig wurde dem wichtigsten Thema von Popsongs, den Gefühlen, wieder mehr Platz eingeräumt. Den Text hätte es so schon ein paar Jahre früher geben können, Beverlys Interpretation jedoch auf keinen Fall. Das war erst 1966 möglich.
Auch wenn aus "Happy New Year" kein Hit wurde, so kündigte sich Beverly mit ihm doch zumindest als kraftvolle neue Stimme an. Man würde wieder von ihr hören – am bemerkenswertesten auf den Gemeinschaftsproduktionen mit ihrem damaligen Mann John Martyn, den Alben Stormbringer und Road to Ruin. Aber ihre Debüt-Single konkurriert mit Bill Fayes "Scream in my Ears" um den Titel des gnadenlos sarkastischsten Party-Muffel-Songs aller Zeiten. Frohes 2010!
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