Liebe als Geschäft

Kino Den Menschen hinter der Figur findet Peter Dörfler nicht, aber dafür zeigt er die Struktur der Figur: Der Dokumentarfilm „The Big Eden“ über den Berliner Playboy

Man kann Rolf Eden für eine Witzfigur halten. Ein alter Mann, dessen Geschäft darin besteht, nicht nur Unternehmer im Berliner Nachtleben und Immobilienhandel, sondern zugleich sein eigenes Maskottchen zu sein – ein „Playboy“, der für den Boulevard noch immer in Clubs geht und „partygeil“ ruft.

Lächerlich daran ist die Flachheit des Entwurfs. Selbst wer einem Männerbild anhängt, wie es der Playboy vorstellt, wird nicht von Rolf Eden träumen. Rolf Eden – das ist Jet-Set und Prominenz in der Streichholzschachtel. Die Häme, die Rolf Eden jenseits des Boulevards sicher ist, und das Desinteresse, das er in der Kultur verbreitet, resultieren aus dieser Flachheit. Es gibt über Rolf Eden nicht viel zu sagen. Erst recht nicht von ihm selbst.

Deshalb ist Peter Dörfler hoch anzurechnen, was aus seinem Dokumentarfilm The Big Eden geworden ist. Den Menschen hinter der Figur, den man sich von solch einem Film vielleicht erwarten würde, hat Dörfler nicht gefunden, womöglich gibt es ihn im Fall von Rolf Eden gar nicht, wie eines seiner sieben Kinder einmal sagt. Selbst die Szenen, die eine unbekanntere Seite von Edens Biografie zeigen und in Israel spielen, bleiben merkwürdig sprachlos. 1933 war die Familie aus Berlin geflohen, 1948 kämpfte Rolf Eden im Palästinakrieg unter Yitzhak Rabin, und jetzt spricht Eden mit dem Friedensaktivisten (und Freitag-Autor) Uri Avnery, aber man hat nicht das Gefühl, einen anderen Menschen zu sehen. Immerhin sagt Eden in Israel einen schönen Satz: „Wenn das Erinnern etwas ändern würde, täte ich es, aber es ändert nichts.“

Tel Aviv von oben

Edens Vergnügungsgeschäft im Land der Täter erklärt sich folglich in gewisser Weise als Flucht in die versöhnte Zeit vor der Barbarei. Eigentlich wollte er über Paris nach Amerika, aber dann stand in der Zeitung, dass Berlin-Rückkehrer 6.000 DM erhalten, und weil Eden nicht emotional aufs Gewesene reagiert, sondern rational mit der Gegenwart umgeht, kommt er zurück. Wird Barmann, Clubbesitzer, Rolf Eden.

Das Verdienst von Dörflers Film besteht darin, Rolf Eden etwas von seinem Glanz und damit seiner Würde zurückzugeben. Den Protagonisten filmt er vor schickem Weiß (Kamera: Dörfler), Berlin leuchtet wie eine wilde Großstadt, die Musik macht gut gelaunt auf Big-Band-Pop, und Tel Aviv sieht von oben weltläufig gut aus. Das heißt nicht, das The Big Eden den realen Eden überhöhte – der Film beschreibt nur die Struktur, die Eden sich geschaffen hat. Zu seiner Rolle gehört auch, den „Doofen“ zu geben, wenn das Fernsehen einen brauche, wie er angesichts einer Maischberger-Sendung erklärt. Was mehr über das Fernsehen sagt als über Rolf Eden.

Die familiären Beziehungen verwaltet der Geschäftsmann wie ein Unternehmen. Wenn eine Frau ein Kind von ihm bekommt, rutscht sie, nach dem Vaterschaftstest, vom Valentinstags- in den Muttertagsverteiler; Blumen und Aufmerksamkeit gibt es weiterhin. Nur das mit den Gefühlen fällt schwerer: Ein Sohn meint, er frage seinen Vater lieber nicht, was der von ihm halte, aus Angst, von den superlativen Phrasen enttäuscht zu werden.

Die Pointe von Edens Leben beschert die Biologie. Brigitte, die aktuelle Freundin, ist die erste, die bei ihm wohnen darf wegen Edens Krankheit – und Brigitte klingt in The Big Eden nicht so, als ob sie nach endgültiger Genesung diesen Zustand wieder rückgängig machen lassen wollte. So könnte, am Ende, doch noch Realität einziehen in ein Leben, das, wie Dörfler es zeigt, so lächerlich nicht ist.

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Geschrieben von

Matthias Dell

Filmverantwortlicher

Matthias Dell

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