Obama bittet zum Dreikampf

Gipfel Der US-Präsident hat Israels Premier Netanjahu und Palästinenser-Präsident Abbas zum Gipfel nach New York zitiert. Er wird nicht mehr erbringen als Fototermine

Am Rad der Geschichte zu drehen, ist ein Kraftakt ohnegleichen. Es zurückdrehen zu wollen, kommt einer Sisyphus-Arbeit gleich. Barack Obama sollte das nicht unterschätzen. Wenn er Benjamin Netanjahu und Mahmud Abbas zum Gipfel nach New York zitiert, steht eher ein Fototermin als der große Durchbruch auf dem Programm. Und das hat Gründe, die der jetzige US-Präsident nicht zu verantworten hat, aber bedenken muss.

Es lässt sich nicht ungeschehen machen, dass US-Regierungen Israel jahrzehntelang toleriert und protegiert haben – egal, was geschah. Ob dessen Armee 1982 und 2006 in den Libanon einmarschierte, ob die syrischen Golan-Höhen annektiert wurden, ob von Städten in der Westbank nach israelischen Strafaktionen nur Scherbenhaufen blieben, ob der Gaza-Streifen ausgehungert und zusammen geschossen wurde – in Washington nahm man daran nie wirklich Anstoß, ob die Präsidenten nun Johnson, Nixon, Ford, Carter, Reagan, Clinton oder Bush hießen. Israel verfügte stets über viel Macht von Amerikas Gnaden. Manches davon war geliehene Macht. Der Obama jetzt möglicherweise die politische Deckung entzieht? Das zumindest ließe sich fragen.

Premier Netanjahu muss nichts dergleichen befürchten. Was von ihm erbeten wird, kann noch nicht einmal Zugeständnis genannt werden. Es geht um eine lächerliche Selbstverständlichkeit. Er soll die Palästinenser nicht als zweitklassige Bittsteller, sondern ebenbürtige Verhandlungspartner respektieren. Von ihm wird nicht einmal verlangt, sie als Staatsgründer in spe anzuerkennen. Auch unter dem Nahost-Schirmherrn Obama werden Mahmud Abbas und sein Premier Fajad das vorerst kaum sein. Es ist alles andere als sicher, ob sie einem eigenen Staat wirklich näher gekommen sind, wenn die jetzige US-Administration wieder abdankt. Was bestenfalls in Aussicht steht, sind Schritte zu einer geregelten Koexistenz zwischen dem israelischen Staat, dem Protektorat Westbank und der Isolierstation Gazastreifen. Nur kann Präsident Abbas darüber um seiner selbst und seiner politischen Existenz willen nicht verhandeln, solange sein Volk auf stetig schrumpfendem Gebiet zusammengedrängt wird, weil die Israelis mit neuen Siedlungen vollendete Tatsachen schaffen. Barack Obama riskiert schon sehr viel, wenn er in New York nur so tut, als wolle er ausholen, um diesen Gordischen Knoten zu treffen. Er riskiert mehr als beim Verzicht auf Patriot-Raketen in Polen, denkt man an die Entrüstung der Pro-Israel-Lobby in der Demokratischen Partei. Er riskiert so viel, dass er sich nicht einmal zu einem Gefallen gegenüber Abbas durchringen kann: Die Grenzen von 1967 als bindende Demarkationslinien eines Palästinenser-Staates anzuerkennen. Das wäre der geradlinigste und konsequenteste Weg, jeden israelischen Siedlungsbau als das zu charakterisieren, was er ist: illegitim. Einem amerikanischen Präsidenten freilich suggeriert die Geschichte: Das ist der gefährlichste Weg.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

Lutz Herden

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