Die Opposition hat für ihre Anträge auch schon mit flammenderen Argumenten geworben.
In der Debatte zum Lobbyistenregister im Bundestag sagte die Berliner SPD-Abgeordnete Eva Högl vor wenigen Tagen: Lobbyismus sei „unerlässlich“ für die Demokratie, und in Deutschland regiere nicht die Korruption. Doch erklärten in Umfragen sieben von zehn Bundesbürgern, dass die Politik zunehmend bestechlich wirke. Am Lobbyistenregister müssten die Parlamentarier daher „ein eigenes Interesse haben.“ Deutlicher konnte Högl kaum formulieren, dass sie die Idee eines solchen Registers für weiße Salbe hält, aber gut genug für die unverständige Wählerschaft.
Auch Raju Sharma von der Linksfraktion sagte: Ein Lobbyiste
te: Ein Lobbyistenregister sei „keine revolutionäre Großtat“, bloß ein „erster Schritt“.Union und FDP mussten sich angesichts solch argumentativer Zurückhaltung nicht anstrengen, um sich das Lobbyistenregister vom parlamentarischen Leib zu halten: Transparenz, höhnte Stefan Ruppert (FDP), werde dadurch nicht geschaffen. Es glaube doch wohl niemand, „dass die konkrete Einflussnahme ausgeschlossen ist“, nur weil auf einer Liste aufgeführt wird, welcher Vertreter welchen Unternehmens oder Verbands für wie viel Honorar im Bundestag vorstellig wird.Ein flüchtiger Stoff Ganz recht. Lobbyismus ist ein flüchtiger Stoff. Hat man sich erst darauf geeinigt, dass von Pharmaindustrie bis Naturschutzbund jeder das Recht hat, Politiker zu beeinflussen, stellt sich sofort die Frage danach, was denn der intransparente Lobbyismus ist, den es zu verhindern gilt. Auch ist der verdeckte Lobbyismus, einmal aufgedeckt, sofort nicht mehr da, und dafür aber woanders – noch verdeckter.Großartig sind die Veröffentlichungen von LobbyControl: Der LobbyPlanet, ein Reiseführer über die Niederlassungen der Hauptstadtlobbyisten, oder die Plattform LobbyPedia, wo liebevoll aufbereitet wird, welche Lobbyisten die Regulierung der Finanzmärkte scheitern lassen. An diese Arbeit wird auch das frisch gegründete Netzwerk Finance Watch in Brüssel anknüpfen.Verdienstvoll war auch, wie das Fernsehmagazin Monitor 2006 aufdeckte, dass in den Bundesministerien Dutzende Angestellte von Industrie und Verbänden mitarbeiten. Seither überprüft der Bundesrechnungshof diese Praxis der „externen Beratung“. Jüngstes Ergebnis: Der Rechnungshof sieht keinen Anlass, „die Erosion staatlicher Kernkompetenzen zu befürchten“. Die – mittlerweile dezimierten – „externen Berater“ wirkten nur an wenigen Gesetzen und Verordnungen mit. Doch hätten die Ministerien immer noch nicht begriffen, dass durch die Externen Interessenkonflikte entstünden. Die Warnung ist erkennbar: Wir behalten euch im Blick.Trotz solcher unzweifelhafter Fortschritte drängt sich der Eindruck nicht auf, dass auf Gesetze jetzt weniger unstatthafter Einfluss genommen würde. Laut neuem Bericht des Innenministeriums sitzt etwa in Dirk Niebels Entwicklungsministerium immer noch ein Mann vom BDI. Doch hilft dieses Wissen wenig. Der Draht zwischen BDI und den FDP-geführten Ministerien ist so eng, dass die dort verfassten Gesetzentwürfe ohnehin erst über die Schreibtische des Industrieverbands gehen dürften, bevor sie das Parlament erreichen.Der verdeckte Lobbyist hat den Lobbyismuskritikern zudem stets noch eines voraus: Er wird hervorragend dafür bezahlt, im genau abgepassten Moment mit genau der richtigen Person zu sprechen, um etwas herbeizuführen oder – und das dürfte der Regelfall sein – etwas zu verhindern. „Die Kontakte zwischen Wirtschaft und Politik funktionieren möglicherweise nicht so, wie Lieschen Müller sich das vorstellt“, sagte der PR-Profi von Publicis/MSL-Group Axel Wallrabenstein auf dem Medienkongress von Tageszeitung und Der Freitag am Wochenende in Berlin. Er handelte sich den Unmut des Publikums damit ein. Doch wollte er vielleicht auch nur helfen, das Themenfeld zu sortieren.Denn die Werbung, die Empfänge, die Geschenke, die freundlichen Besuche bei Abgeordneten, selbst die „Politischen Salons“, bei denen Wallrabenstein Politiker und Wirtschaftsvertreter bei gutem Essen zusammenführt – sie sind ja alle bloß dazu da, Stimmung zu machen. Agenda-Setting ist zwar ein wichtiges Geschäft. Es ist vom Kapitaleinsatz stark abhängig, findet aber gerade in der Öffentlichkeit, im offenen Meinungswettstreit statt. Viel konkretere, messbare Folgen hat Lobbyismus oft dort, wo ein bestimmter Halbsatz, ein Wort vielleicht nur, aus der Arzneimittelnovelle oder aus dem Lebensmittelkontrollgesetz herausgestrichen werden muss, am besten aus dem allerersten Entwurf.Nicht bloß SchnittchenDie Verbände haben ihr zahlreiches Personal schließlich nicht dafür, Schnittchen für die Hauptstadtpresse zu schmieren. Es dient dazu, zu jedem Zeitpunkt eine Expertise über zu verhindernde Maßnahmen vorzuhalten. Der Informationsstand muss dem der Medien und des Parlaments überlegen sein – und zwar genau in jenem feinziselierten Detail, das nie in eine Schlagzeile und nicht in die Fernsehnachrichten passt, aber im Zweifel viele, viele Millionen Euro schwer wiegt.Nur wollen Kanzlerin, Minister oder Fraktionschef ja nicht mit dem fleißigen Abteilungsleiter vom Verband sprechen. Den Zugang muss jemand schaffen, der mit ihnen auf Du und Du ist. Dann schlägt die Stunde all der Leute, die gerade noch Spitzenpolitiker oder Spitzenministeriale waren, nun aber in die Industrie gehen oder zum Verband, zu Unternehmensberatungen, wirtschaftsberatenden Anwaltskanzleien und PR-Agenturen wie WMP Eurocom oder Wiese Consult wechseln. Der Ex-EU-Kommissar Günter Verheugen (SPD) hat nach Amtsabgabe gleich eine eigene Lobbyagentur gegründet. Egal, in welchem Register Friedrich Merz, Hans Eichel, Hildegard Müller und Klaus Theo Schröder (Ulla Schmidts Staatssekretär ist jetzt bei der Privatassekuranz) je auftauchen – sie werden nie zu zwingen sein, von dem Gespräch zu berichten, in dem sie einem Gesetz den entscheidenden Stups gegeben haben.Wichtiger als die Forderung nach einem Register ist vermutlich daher die nach einer „Abklingphase“, einer Karenzzeit nach dem Ausstieg aus der Politik. LobbyControl schlägt drei Jahre vor, in denen Politiker sich wirtschaftlich-lobbyistisch nicht betätigen dürfen. Je einzeln haben SPD, Grüne und Linkspartei dies zwar schon befürwortet. Einen konzertierten Vorstoß wie zum Lobbyistenregister hat es aber noch nicht gegeben.Möglicherweise können auch in der Opposition viele dem Lebensplan etwas abgewinnen, sich die mühsam errungenen politischen Kontakte eines Tages vergolden zu lassen. Wer sich jetzt für eine denkbare Machtübernahme ab 2013 zu sehr festlegt, könnte es schon 2017 bereuen.