Platz machen für Teheran?

USA/Irak Der kompakte Abzug der US-Armee aus dem Irak ist für den 31. Dezember angekündigt, aber noch nicht besiegelt. Es geht um den künftigen Einfluss des Iran

Mit eingelösten Wahlversprechen kann Präsident Obama nicht übermäßig glänzen. Was wird alles liegen geblieben sein, wenn er sich 2012 um eine zweite Präsidentschaft bewirbt? Seine republikanischen Gegner dürften ihm davon absolut nichts schenken, auch wenn sie das Unerledigte mit zu verantworten haben. Ein vollständiger Truppenabzug aus dem Irak bis zum Jahresende wäre da mehr als willkommen. Wenigstens dieser kriegerische Nachlass der Ära Bush belastet Amerika nicht länger, ließe sich zugunsten des Präsidenten sagen.

Kaum ein Iraker wird den Abziehenden Blumen hinterher werfen, und doch ist Vorsicht geboten. Vor kurzem noch war von einem US-Rest-Kontingent die Rede, das dem Irak aus Stabilitätsgründen erhalten bleiben sollte – auf Basen verteilt, weitgehend abgeschottet, ohne Besatzungsmandat und durch einen Stationierungsvertrag legitimiert. Der jetzt avisierte kompakte Ausstieg am 31. Dezember hat einen konkreten Anlass, der das Weiße Haus möglicherweise animiert hat, unverzüglich vollendete Tatsachen zu schaffen. In Bagdad steht Premier Nuri al-Maliki heftig unter Druck: Entweder er setzt durch, dass künftig US-Soldaten für im Irak begangene Verbrechen vor irakische Gerichte gestellt werden oder seine heterogene Koalition läuft auseinander. Seit jeher ist es für die US-Armee unannehmbar, eigene Soldaten fremder Rechtsprechung auszusetzen. Ist das eherne Festhalten an diesem Prinzip Grund genug, in zwei Monaten ein Land sich selbst zu überlassen, das gegen innere Zerreißproben wenig gefeit ist und seit 2003 immer wieder am Abgrund zum Bürgerkrieg entlang balanciert?

Inzwischen ist durchaus denkbar, dass Bagdad die helfende Hand des iranischen Nachbarn dankbar ergreift. Damit freilich würde der amerikanische Abgang vom militärischen Fiasko zur politischen Schmach. Zwar steht die Islamische Republik nicht auf dem Sprung, ein von den Amerikanern hinterlassenes Vakuum auszufüllen. Aber sie dürfte sich einem Irak verbunden fühlen, den eine von schiitischen Parteien dominierte Allianz regiert. Zu deren Galionsfiguren gehört Muqtada al-Sadr, ein radikaler Prediger, der Jahre des Exils im Iran verbracht hat, um vor der US-Besatzungsmacht in seiner Heimat sicher zu sein.

Es ist daher zu fragen: Hält Obama den Vorwurf aus, durch seinen Abzug dem Iran als regionaler Ordnungsmacht den Weg zu bereiten? Und das in einem Augenblick, da sich der Nahe und Mittlere Osten nach dem Arabischen Frühling neu sortieren? Erst wenn kein Zweifel mehr besteht, dass die US-Regierung diese Begleitumstände des Komplett-Abzugs verkraftet, sollte man daran glauben, dass er tatsächlich stattfindet.

Teheran wird es sich nehmen lassen, den amerikanischen Abschied als Eingeständnis einer strategischen Niederlage zu feiern, die dem eigenem Aushalten gegen den Erzfeind zusätzliche Legitimation verschafft. Dafür trägt niemand sonst als George W. Bush mit seinen hegemonialen Attitüden und einem gescheiterten Feldzug die Verantwortung. Und dennoch: Kein republikanischer Herausforderer Obamas wird das eingestehen, sondern ihm stattdessen vorwerfen, sein Exit-Programm habe der iranischen Theokratie zu einem kolossalen Triumph verholfen.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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