Im Zweifel für die Fäkaldebatte

Netzgeschichten Im Netz kloppen sich Feministinnen und Juristen: Ist das Rechtsstaatsprinzip sexistisch? Der Feminismus undemokratisch? Oder die Art der Diskussion einfach unterirdisch?

Am spektakulärsten Ereignis dieses frühen Sommers hatte das Internet ausnahmsweise keinen Anteil. Der ehemalige IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn wurde ganz ohne Wikis oder Leaks in New York verhaftet und könnte trotz Aufhebung seines Haus­arrests angeklagt werden wegen versuchter Vergewaltigung, sexueller Belästigung und Freiheitsberaubung einer Hotel-Angestellten.

Während die klassischen Medien seither fleißig ihr Geld mit „Machtgeil“-­Geschichten (Stern-Titel) verdienen, verhandelt das Netz die Vorkommnisse auf seine Weise: die der fäkaldemokratischen Debatte – jeder hat das Recht, „scheiße“ zu sagen. Wer die Sau nicht spazierenführen will, sondern mal so richtig rauslassen, geht eben nicht durchs Dorf, sondern ins Internet. Besonderes Bedürfnis hierzu verspüren Feministinnen und Juristen, die sich zur Zeit dort mal wieder bekriegen.

Den Anfang machte Nadine Lantzsch, die in ihrem Blog medienelite in nachvollziehbarer Aufregung über maskulinistische Einlassungen von Ex-FAZ-Feuilletonist Eberhard Straub nebenbei Dominique Strauss-Kahn einen „Wichser“ nannte, der „trotz relativ eindeutiger Beweislage wohl am Ende freigesprochen“ werde. Noch schlimmer als diese Tatsache sei, dass sie mit dem „Rechtsstaatlichkeitsprinzip, der Aufklärung und all dem Rotz“ begründet werde, die weiße Männer aus Machterhaltungstrieb eingeführt hätten.

Klare Sache, dass sich hier der frisch gekürte Grimme-Preisträger und Strafverteidiger Udo Vetter auf seinem Law Blog einschalten muss: „Der Rotz, der unser Leben lebenswert macht“ – eine inhaltlich nachvollziehbare Verteidigung des Rechtsstaates und seines Unschuldsprinzips. Woraufhin für Nadine Lantzsch jedoch bewiesen war, dass die Gesellschaft reaktionärer geworden sei, weil sie dieses „Gewäsch“ mit der Meinungsfreiheit decke. Reden da nun zwei Fraktionen aneinander vorbei, wie "allesevolution"-Blogger Christian konstatierte? Oder will man sich um des Kraches wegen missverstehen?

Spätestens zu diesem Zeitpunkt lohnt sich ein Blick in eines der Print-Produkte am Markt, der SZ, wo Andreas Zielcke darauf hinweist, wie stark „die Logik des Strafprozesses und die Interessen des Geschlechterdiskurses voneinander abweichen“. Denn meistens käme die Unschuldsvermutung den Männern zugute, da sie den Löwenanteil der Täter stellten. In diesen Gerichtsprozessen spiegele sich daher das allgemeine Macht(un-)verhältnis, woraus aber nicht die Abkehr vom Rechtsstaat und der Unschuldsvermutung gefolgert werden könne.

Angenommen, hierbei handelt es sich um eine treffende Analyse - wofür vieles spricht. Warum lässt sie sich in der Internet-Öffentlichkeit nicht ohne Rotz und Wortvergewaltigungen debattieren?

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Geschrieben von

Susanne Lang

Freie Redakteurin und Autorin.Zuvor Besondere Aufgaben/Ressortleitung Alltag beim Freitag

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