Ich freu mich schon auf meine Atomprämie

Ökoblog RWE-Chef Großmann hat mir 3.000 Euro versprochen, wenn ich seine Atommeiler länger laufen lasse. Ich weiß schon genau, was ich mit dem Geld mache

Diese Woche hat sich das Deutsche Atomforum mal wieder mit der Frage beschäftigt, „wie in Zukunft eine sichere und umweltfreundliche Energieversorgung zu bezahlbaren Preisen gewährleistet werden kann“. Und, was soll ich sagen? Ich hatte schon vorher eine leise Ahnung, welche Antwort die Herren Energieversorger darauf wohl geben könnten. Es war die 54. Auflage des Bestsellers „Kippe den Atomausstieg – in fünf einfachen Schritten“. Erstaunlich finde ich nur, wie sicher sich die Konzernchefs inzwischen sind. Die meinen das ernst.

„In der Not steht nicht nur die Schafherde dichter beisammen“, mahnte jüngst bereits RWE-Chef Jürgen Großmann. „Auch wir Deutsche müssen zusammenrücken.“ Schluss mit dem „hysterischen Stillstand“ in der deutschen Energiepolitik. Weg mit den Nimbys (Not in my backyard), Bananas (Build absolutely nothing anywhere near anybody) und den Nopes (Not on Planet Earth).

Gerade Atomkraft sei doch „ein beachtlicher Energieträger“, meinte Großmann. Niedrige Energiekosten, üppige Uranvorräte, preisdämpfende Effekte zum Wohle aller. „Eine Verlängerung der Kernkraftwerks-Laufzeiten um 25 Jahre auf ein international übliches Niveau von 50 bis 60 Jahren würde eine zusätzliche volkswirtschaftliche Wertschöpfung von 250 Milliarden Euro bringen, das heißt 3.000 Euro pro Bürger.“ Und das Beste: Es dauert nicht mehr lange, bis der Traum wahr wird. Denn bald ist Bundestagswahl und dann ist es vorbei mit dem Atomausstieg.

Na schön, die Konzerne haben im Jahr 2000 ein rechtsverbindliches Abkommen mit der Bundesregierung geschlossen, die damals 19 Atomkraftwerke bis 2021 vom Netz zu nehmen. Das zugehörige Gesetz gilt, die meisten Wähler in Deutschland sind meistens immer noch dafür. Nur die Buchhalter der Energieriesen haben noch mal nachgerechnet und finden: Mit einem abgeschriebenen Atomkraftwerk eine Million Euro am Tag verdienen, das ist doch irgendwie schöner als sich über Gezeitenkraftwerke den Kopf zu zerbrechen.

So verkündete auch der freundliche Vattenfall-Chef Lars Josefsson vor kurzem wohlgemut, ja, man wolle die Kapazitäten der konzerneigenen Kernkraftwerke ausbauen, auch in Deutschland. Die Pläne liegen in der Schublade, bereit für den Tag der reumütigen Rückkehr der deutschen Politik zum Pfad der atomaren Tugend. In Schweden ist es ja bereits soweit.

Natürlich widerspricht Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) pflichtschuldig den Atomfantasien seines Duzfreunds Großmann, die auch Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) in Endlosschleife auslebt. Aber selbst wenn die Sozis nach der Bundestagswahl in der Regierung noch eine Rolle spielen sollten – das große Wackeln hat schon begonnen. Gaskrise, Wirtschaftskrise, Finanzierungskrise und obendrauf noch die kohlekritischen Bürgerinitiativen, wer will da noch die ach so sicheren deutschen Atomkraftwerke abschalten? Wir haben wahrlich andere Probleme, als der letzten Boombranche der Republik die paar wohlverdienten Kröten wegzunehmen, oder?

Deshalb dürfen auch wir uns schon einmal freuen, wir kleinen Bürgerlein. Denn bald gibt es ja die 3.000 Euro für uns. Eine Atom-Antiabwrackprämie für jederfrau und jedermann. Ich werde Herrn Großmann gleich mal meine Kontonummer schicken. Wenn wir mit den Nachbarn zusammenlegen, reicht es für das niedliche kleine Blockheizkraftwerk, das wir uns sowieso in den Hinterhof stellen wollten. Tschüssi, Atomstrom. Aber kommt mir nicht wieder an, wenn ihr euren Strahlenmüll verbuddeln wollt. Not in my backyard – der ist schon voll.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden