Die ersten beiden Wochen der anhebenden Nach-Merkel-Zeit sind vorbei, die Vor-Sondierungen beendet und alle Zeichen stehen auf Ampel. Und damit endet – hoffentlich – auch die Kuschelzeit, jener penetrante Honeymoon zwischen den drei potenziellen Koalitionspartnern.
Den Anfang machten Grüne und Gelbe mit ihrem inzwischen ja schon fast legendären Selfie. Man konnte und sollte offenbar den Eindruck gewinnen, dass ab jetzt kein Blatt Papier mehr passen wird zwischen die Mitglieder dieser neuen hippen Boyband, mit Frontfrau Annalena Silbermond Baerbock in der Mitte. Es schien fast so, als hätten sich hier zwei schmachtende Partner lange füreinander aufgespart. Und als sei das alles nicht genug, setzte ausgerechnet der sonst so knochentrockene Olaf Scholz noch eines drauf und sprach vom Geist „echter Zuneigung“, in dem die Gespräche zu führen seien. „Ich sei in eurem Bunde der Dritte“, säuselte der Sozialdemokrat im besten „We-are-family“-Style.
Zum Glück kam da der Pandora-Skandal um Steueroasen genau zum richtigen Zeitpunkt. Denn, nomen est omen, die gleichnamige Büchse lenkt den Blick auf die kardinalen Unterschiede zwischen den künftigen Partnern. Und genau um diese – und das daraus potenziell erwachsende Unheil, sprich die Konflikte – muss es in den kommenden Koalitionsverhandlungen gehen, und keineswegs nur um die große Eintracht und das Eiapopeia vom rot-grün-gelben Himmel. So richtig es ist, eine gemeinsame Idee für diese Koalition zu formulieren, wäre es doch grundfalsch, die gewaltigen Interessenunterschiede zu vernebeln, die zwischen den drei Koalitionären existieren. Anderenfalls dürften vor allem die Grünen noch ein böses Erwachen erleben.
Denn so wenig sich Grüne und Liberale habituell und von der gemeinsamen bürgerlichen Herkunft her unterscheiden, so sehr doch von den Interessen und Inhalten. Die Pandora-Papers markieren den fundamentalen Unterschied im politischen Herangehen zwischen FDP auf der einen und Grünen wie SPD auf der anderen Seite. Das Steuerthema macht exemplarisch kenntlich, mit welch unterschiedlichen Anliegen wir es in dieser Koalition zu tun bekommen werden.
Da ist auf der einen Seite die Steuersenkungs- oder gar -vermeidungspartei namens FDP immer bereit, auch möglichst große Schlupflöcher für ihre Klientel der Bessersituierten zuzulassen. Auf der anderen Seite steht eine tendenzielle Steuererhöhungspartei, mit Olaf Scholz an der Spitze, die – siehe die Affäre um die Warburg-Bank – durchaus auch bereit sein kann, wenn nötig ein Auge zuzudrücken. Und drittens schließlich die Grünen, die, so sie eine echte ökologische Transformation erreichen wollen, schon im Ansatz sehr viel grundsätzlicher agieren müssen, nämlich nach der bewährten Devise: „Vertrauen (auf den Markt) ist gut, aber Kontrolle (durch den Staat) ist besser.“
Hier bereits zeigt sich, dass sich hinter der ominösen Modernisierungskoalition, als welche FDP, SPD und Grüne firmieren wollen, höchst unterschiedliche Ansätze verbergen, die nicht so einfach zu vereinbaren sind. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung zwischen Grünen, Roten und Gelben steht dabei die Frage: Wie hältst du’s mit dem Staat – und wie mit dem Markt? Wo der FDP eindeutig der Markt der dominierende Akteur ist, kommt bei den beiden anderen dem Staat eine weit größere Rolle zu. Allerdings schwebt den Grünen ausweislich ihres Wahlprogramms gerade keine harte Konfrontation mit der alten fossilistischen Ökonomie vor, sondern vielmehr eine „kooperative Wirtschaftspolitik“. Zu diesem Zweck plädieren sie für einen „Pakt mit der Wirtschaft“. Die Baerbock-Habeck-Grünen sollten dabei jedoch nicht zu gutmeinend sein: Bei aller Paktiererei wird die kapitalaffine FDP stets eine Klientelpartei bleiben, schon um ihren überlebenswichtigen Stimmensockel zu sichern.
Genauso falsch wäre es jedoch, von daher auf ein quasi symbiotisches Verhältnis von Grünen und Roten zu schließen. Denn auf der anderen Seite gibt es auch ein eklatantes Spannungsverhältnis zwischen den Grünen auf der einen und FDP und SPD auf der anderen Seite.
Sowohl FDP als auch SPD sind Verfechter eines wachstumsgetriebenen Fortschrittsmodells – die einen zu Gunsten der Arbeitgeber, die anderen zu Gunsten der Arbeitnehmer. In beiden Gedankengebäuden ist ein Ende des Wachstums nicht angelegt. Auch wenn Olaf Scholz immer wieder betont, SPD, Grüne und FDP verbinde „die Idee des Fortschritts“: Es gibt eine systemische Unvereinbarkeit der grünen Idee der ökologischen Grenzen des Wachstums mit dem Anspruch der Wirtschaftsliberalen wie der Sozialdemokraten auf ökonomisches Wachstum.
Gerade aus Sicht der Grünen wäre es daher verheerend, wenn sie mit Beginn der Koalitionsverhandlungen nicht endlich auch die Unterschiede der drei Koalitionäre herausstellen würden. Nur so können sie kenntlich machen, dass auch mit SPD und FDP die grünen Bäume nicht in den Himmel wachsen werden. Man kann daher nur hoffen, dass die Grünen mit dem Ausscheiden der Union sich nicht weiter selbst Sand in die Augen streuen und ihre permanente Weichzeichnung der Liberalen beenden. Denn wirklich gemeinsam ist allen Beteiligten bis auf Weiteres nur eines: der Wille zur Macht und zum Regieren.
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