Wann kommt der Durchbruch?

Im Gespräch US-Solarexperte Attila Toth über die aktuelle Krise der Branche in Deutschland, die Chancen des Konkurrenzkampfes mit China und Sonnenstrom von der Autobahn

Freitag: Herr Toth in Deutschland steckt die Solarwirtschaft in der Krise. Wie sieht die Lage weltweit aus?

Attila Toth: Deutschland ist immer noch globaler Marktführer, was die Erzeugungskapazität betrifft. Fast die Hälfte der weltweiten Kapazitäten befindet sich dort. Die Deutschen waren da sehr zukunftsgerichtet, sie haben die Herausforderungen des Klimawechsels und der Energiesicherheit rechtzeitig erkannt. Jetzt, wo es in ganz Europa finanzielle Schwierigkeiten gibt, müssen aber auch die Deutschen schwere Entscheidungen treffen. Wegen der Einschnitte bei der Förderung in Deutschland ist Italien beim Megawatt-Zuwachs seit 2011 vorbeigezogen. In den USA sorgt eine bundesweite Bestimmung, der Renewable Portfolio Standard, für Zuwachs. Alle, die in erneuerbare Energien investieren, erhalten 30 Prozent Steuerbegünstigung bis Ende 2016. China ist ein neuer Herausforderer, wenn wir die Menge an installierter Kapazität nehmen.

Was wäre technologisch nötig, um die Solarenergie noch effizienter zu nutzen?

Es gibt eine Menge Lösungen in der Entwicklungsphase. Das Spektrum reicht von Mono-Kristall-Panels – das sind Solarpanels mit höchster Effektivität – bis hin zu intelligenten Trackingsystemen, die der Bewegung der Sonne folgen und den Energieertrag erhöhen können. Ein Durchbruch wäre es, wenn die Energiegewinnung erhöht und gleichzeitig die Systemkosten reduziert werden könnten. Dabei geht es auch um die Instandsetzungs- und Betriebskosten bis zum Lebensende einer Anlage. Das ist entscheidend, weil Sonnenkraftwerke langfristige Kapitalanlagen mit einer Lebenserwartung von 25 bis 40 Jahren sind.

Was behindert die Entwicklung zurzeit?

Es gibt mehrere Faktoren, zum Beispiel die erwähnten Subventionen oder der Zugang zu Krediten. Letztlich wird die Solarbranche auf sich allein gestellt sein. Der Durchbruch kommt, wenn die Solarenergie ohne Fördergelder rentabel ist. Die Installationskosten der Solarenergie sinken. Vor vier Jahren, als ich in die Branche kam, wurde ein Watt Solarkapazität für sechs bis neun Dollar installiert, heute sind es zwei bis drei Dollar. Der Preis der konventionellen Energien steigt stetig, auch die Netzkosten werden immer teurer. Also, wenn die Achse der Kosten der beiden Energieträger zusammentrifft, dann kann man von sogenannter Grid parity sprechen. Wir wollen uns auf Märkten etablieren, wo es eine reale Chance gibt, in absehbarer Zeit ohne Fördergelder auszukommen.

Ihre Firma, SunEdison ist zurzeit einer der größten Solarenergie-Lieferanten weltweit. Wie erklären Sie die negativen Entwicklung in Deutschland, die Insolvenz von Q-Cells und der Auszug von First Solar aus dem Europamarkt?

Dass die Regierung die Fördergelder für Projekte zur Solarenergie-Entwicklung eingestellt hat, bremst den Zuwachs eindeutig. Die Nachfrage ist enorm zurückgegangen. Dabei ist die Herstellungskapazität gewachsen und zwar in der gesamten Versorgungs- und Angebotskette. Das führte zu einer Überproduktion, die nun eine Wirtschaft nach dem Motto „survival of the fittest“ kreiert hat.

Sind Biomasse-, Wind- und Wasserkraftwerke große Konkurrenten für Solarenergie oder sie könnten sich ergänzen?

Unsere Firma glaubt an eine optimale Kombination mehrerer Ressourcen. Nur so können wir die Herausforderung bewältigen, dass unsere Gesellschaften inklusive Entwicklungsländern immer mehr Energie verbrauchen. Solarenergie hat jedoch eine Schlüsselposition. Eine Solaranlage generiert Strom, wenn er am meisten nötig ist. Das Erzeugungsprofil der Solarenergie stimmt mit Konsummustern am ehesten überein. Damit können die teure Auslastungsspitzen bei Kraftwerken vermieden werden. Solaranlagen können auch nahe am Energieverbraucher installiert werden, also auf dem Hausdach. Das vermeidet Netzverluste und reduziert den Bedarf an teuren Verteilernetzen.

Viele Firmen klagen über die chinesische Konkurrenz. Ist China eine reale Gefahr auf dem Solarenergie-Markt?

Es ist Tatsache, dass der Wettbewerb in der Branche sehr hart geworden ist, und dabei spielen die Kostenstrukturen der asiatischen Solarmodulhersteller eine wichtige Rolle. Sie bekommen sehr viel Kapital zu geringen Zinsen von der Regierung, haben billige Arbeitskräfte, billige Energie für die Herstellung. Das hat zum Bankrott anerkannter Firmen geführt. Dies ist aber in einer jungen Branche normal. Das löst sich auf, sobald die Kosten von konventionellen und erneuerbaren Energien gleich sind. Je niedriger die Errichtungskosten, desto besser für die Energieverbraucher. Wenn mehr Sonnenkraft genutzt wird, treibt das die Branche voran. Kostensenkung und zuverlässige Anlagen auch aus China sind letztlich eine gute Nachricht für die Branche.

Wie wird die Solarkarte der Welt in zehn bis 20 Jahren aussehen?

In dieser sich schnell entwickelnden Branche sind Vorhersagen über mehr als drei bis fünf Jahre schwierig. Aber wenn ich in meine Glaskugel sehe, würde ich eine strahlende Zukunft für Solarenergie ausmalen. Die Solarenergie wird zu einem alltäglichen Bestandteil des Lebens, wie heute das Internet. Bis 2015 werden sich die Kosten an die Marktpreise angleichen. In kommenden zehn Jahren, so hoffe ich zumindest, wird es Bewegung auf den Märkten USA und Japan geben. In 20 Jahren werden sich sicher die Entwicklungsländer an die Spitze der Solarrevolution setzen. Auf dem Gebiet der Technologie werden wir eine Menge Änderungen erleben. Meiner Meinung nach wird es einmal möglich sein, mit einem speziellen Farbstoff an Dächern oder an Häusermauern Sonnenenergie zu sammeln. Oder eben auf der Autobahn. Der Asphalt saugt sowieso Sonnenenergie ein, das muss nur gesammelt und gespeichert werden.

Das Gespräch führte Agnes Szabo

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Geschrieben von

Agnes Szabo

Hospitantin, Medienmittlerin

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