ZWIEGESPRÄCH von Peter Handke

Rezension Das Burgtheater Wien gastierte beim Berliner THEATERTREFFEN (in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz)

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Mein Lieblingshandke ist und bleibt dessen weit über tausendseitiger Klopper Mein Jahr in der Niemandsbucht, den las ich vor knapp 20 Jahren, kurz nachdem er (in Leinen gebunden; sowas gab's da noch!) herausgekommen war. Ich las ihn intensiv und also Wort für Wort, und ich genoss es; wie in Trance. Paar Jahre später, 2007 und 2013, sah ich noch zwei Handkestücke am BE - und zwar die uraufgeführten Spuren der Verirrten und Die schönen Tage von Aranjuez als deutsche Erstaufführung. Wobei mir das erstgenannte bedeutend besser gefallen hatte als das zweite. Jedenfalls verebbte ab da meine Neugier und mein Interesse auf weitere Handkes, auch seine Prosa nahm ich ab da aus einer mir nicht näher erklärlichen Lustlosigkeit heraus nicht mehr zur Kenntnis - bis gestern.

Und jetzt soll Peter Handke schon 80 geworden sein? Nicht möglich!

Seinen im vorigen Jahr erschienenen Prosa-Dialog Zwiegespräch (nur 70 Buchseiten) widmete er Otto Sander & Bruno Ganz, die in Wim Wenders' filmischem Kunstmärchen Der Himmel über Berlin (1987) die beiden stummen Engel spielten; Handke war damals am Drehbuch mitbeteiligt.

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Im Wiener Burgtheater fand dann im Dezember 2022 die Uraufführung einer Vertheaterung der neuerlichen Handke-Prosa statt, und Valeria Heintges, unsere Lieblingsjurorin vom THEATERTREFFEN (apropos "10 bemerkenswerteste Inszenierungen") statementete ihren Favoriten so:

"Peter Handkes Zwiegespräch verzichtet weitestgehend auf Handlung und Figuren, umkreist vielmehr das Phänomen des Erzählens selbst. Regisseurin Rieke Süßkow bricht die Sprechakte auf, verteilt den Text einerseits auf die Burgtheater-Granden Hans Dieter Knebel, Branko Samarovski und Martin Schwab, die hier als bedauernswerte Bewohner eines Altenheims auftreten. Andererseits kommen die Nachwuchskräfte Maresi Riegner und Elisa Plüss als gnadenlose Pflegerinnen zum Zug. Zwei Generationen stehen einander gegenüber, das Machtgefälle zwischen Heimbewohner*innen und Pflegedienst ist anschaulich definiert: Mögen die alten weißen Männer plappern, so viel sie wollen – zu sagen haben sie rein gar nichts (mehr)./ Der Generationenkonflikt ist in Handkes Vorlage zwar so nicht angelegt, macht aber szenisch viel her: Die Regisseurin legt mit dem albtraumhaften Seniorenheim und der herzlosen Routine im Umgang mit dem Sterben eine starke visuelle und narrative Setzung neben, unter und über die Textvorlage, ohne diese dabei zu beschädigen. Süßkow schärft an, spitzt zu. Ihr gelingt am Akademietheater mit Zwiegespräch ein schaurig-schöner Totentanz." (Quelle: berlinerfestspiele.de)

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Was war zu sehen und zu hören?

Das Bühnenbild von Mirjam Stängl mit dem spektakulär-raumverdrängenden Paravent, der sich gleich zu Beginn der Aufführung nach und nach auseinanderfaltete (tolle Idee!), befand die 3sat-Preis-Jury für derart wert, dass sie die Künstlerin hierfür mit 10.000 Euro belobigte; die offizielle Preisverleihung fand im Anschluss an das Burgtheater-Gastspiel in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz statt.

Die Regisseurin hatte Handkes Text, der (wie bereits erwähnt) kein Stücktext ist, auf mehrere Personen aufgeteilt, d.h. das eigentliche Zwiegespräch der beiden Alternden, in dem es a) um den Großvater des einen und b) die Kindertheatererinnerung des anderen zu gehen schien, entpuppte sich schlussendlich überhaupt nicht mehr, und all das Aufgesagte wirkte irgendwie fast frei von (dramaturgischer) Logik.

Immerhin: Martin Schwab mal wieder gesehen und gehört zu haben, war für mich der persönliche Mehrwert, den ich dieser merkwürdigen Produktion abwringen wollte.

Langweiliger Text, langweilige Aufführung.

[Erstveröffentlicht auf KULTURA-EXTRA am 28.05.2023.]

ZWIEGESPRÄCH (Volksbühne Berlin, 27.05.2023)
von Peter Handke

Regie: Rieke Süßkow
Bühne: Mirjam Stängl
Kostüme: Marlen Duken
Musik: Max Windisch-Spoerk
Licht: Marcus Loran
Choreographie: Daniela Mühlbauer
Dramaturgie: Sandra Küpper
Mit: Hans Dieter Knebel, Elisa Plüss, Maresi Riegner, Branko Samarovski und Martin Schwab sowie Sara Abci, Nicolas Altmann, Katharina Franzel, Kolja Gerstmann, Hannah Lou Harrison, Katharina Hochreiter, Karla Howorka, Marko Jovanovic, Wilfried Kovarnik, Edmund Lobinger, Hannah Pichler, Maximilian Schwertführer, Heidelinde Sedlecky, Sara Siedlecka, Felix von Gässsler, Julia Carina Wachsmann, Brigitte Weinberger als wie Adam Hadj Mabrouk, Thomas Kern und Levi Powell
UA am Burgtheater Wien: 8. Dezember 2022
Gastspiel des Burgtheaters Wien zum Berliner THEATERTREFFEN 2023

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Geschrieben von

Andre Sokolowski

Andre Sokolowski ist Inhaber, Herausgeber und verantw. Redakteur von "KULTURA-EXTRA, das online-magazin"

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