Küss´ die Hand

Linksbündig Wenn die Dame zum Frauentag eine rote Nelke bekommt

Keine Frau mag den Frauentag. Der 8. März ist ein unangenehmes Datum, zumindest wenn einem dazu etwas einfallen muss - und eines ist klar: Uns fällt dazu partout nichts ein. Wir sitzen vor besagtem Tag wie vor einem gottverdammten bräsigen Besinnungsaufsatz, und dass einem hier jeglicher Einfall im Keim erstickt, liegt nicht an der Phantasielosigkeit der Frauen, sondern an der Plattitüde und Widersinnigkeit des Gegenstandes: Der traditionelle 8. März ist eine contradictio in adjecto, ein sozialistischer Gedenktag, der mit Feminismus wenig zu tun hat und mit Frauen sowieso nichts.

Am Anfang und auch zwischendurch mal war er eine sinnvolle Sache, "große Propaganda für das Frauenwahlrecht und die Idee des Sozialismus veranstalten", lautete der Slogan 1911. Die Akteurinnen waren Frauen. Lange ist das her. Der oft schon tot geglaubte, im Westen wenig beachtete und im Osten staatlich verordnete Frauentag scheint in bestimmten Kreisen gerade jenen Geistesbürokraten besonders am Herzen zu liegen, denen Frauenbelange - nicht unbedingt Frauen - gemeinhin und für den Rest des Jahres am Allerwertesten vorbeigehen.

Pünktlich zum 8. März sollen die Frauen dann etwas sagen, und zwar zu einem festgezurrten Set an Themen, die man betulich abhaken kann - Frauen und Arbeit, Frauen und Familie, Frauen und Gesundheit, Frauen und sexuelle Ausbeutung, wenn´s hoch kommt. Kein queeres Quäntchen stört das Set. Nein, der Frauentag ist ein sozialistischer Kirchgang, und die den Damen galant verabreichte rote Nelke hat etwas vom "Küss´ die Hand" und "Darf ich Ihnen in den Mantel helfen". Nichts gegen Galanterie - aber in der Politik (und war da nicht mal was Politisches?) stört sie irgendwie.

Natürlich müssen die Alarmglocken klingeln, wenn für Frauen wie für bedrohte Tierarten Tage ausgerufen und zur Institution erklärt werden, die sie auf Nimmerwiedersehen zum Ritual tieffrieren. Rituale haben ihren guten Sinn, vor allem aber den, das Denken still zu stellen. Und das tut der 8. März, der - einem Zombie gleich - von toten Begriffen lebt, oder besser gesagt von untoten: Sozialismus, Feminismus, Frauen. Was bringt denn ein Frauentag im Zeitalter des so genannten Postfeminismus? Die Problemlagen haben sich verschoben und differenziert, die Kategorie Frau, sowieso hoch problematisch, greift nur noch im falschen politischen Lager, Männer-, Geschlechterforschung und Gender Mainstreaming haben nicht zu unrecht die alten Frauenfragen abgelöst. Die Vorsilbe "post" bedeutet auch, dass viele der alten Forderungen eingelöst und im Mainstream angelangt sind. Spätestens wenn der Spiegel zum Frauentag titelt: "Das starke Geschlecht" - sollten wir diesen Tag abschaffen.

Unangenehm ist am 8. März aber auch, dass er traditionell an eine politische Aktionsform appelliert, die nicht mehr zieht. Die Tristesse von Frauentagsdemonstrationen mit ihren mageren Häufchen von Unentwegten, die dem Stakkato schal gewordener Parolen hinterstreichen, ist kaum zu überbieten. Der alte Empörungsgestus hat längst ausgespielt, und was früher als "sexistisch" galt, heißt heute - zu recht oder zu unrecht - wieder sexy. Frau regt sich, wenn sie klug ist, nicht mehr ganz so kalkulierbar auf.

All das heißt nicht, dass "Frauen" kein politischer Gegenstand mehr sind. Im Gegenteil. Aber feministische Denkweisen sind, zumindest im dekadenten Westen, nicht mehr der adäquate Ausdruck ihrer Zeit. Und ein zelebrierter Frauentag ist nun wirklich die beste Art, "Frauen" abzuschaffen. Vielleicht sollten wir uns ja darüber freuen und auf eine dritte Frauenbewegung im Jahr 2040 warten. Sie scheint kaum wahrscheinlich.

Aber man sage niemals nie.

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