Kein Rückzieher

Medienkritik Die Petition gegen Markus Lanz ist heftig kritisiert und inzwischen beendet worden. Dabei war sie kein Fehlschlag, sondern ein unglaublicher Erfolg
Darf man ihn kritisieren?
Darf man ihn kritisieren?

Foto: Sebastian Widmann / Getty Images

Die Diskussion um Markus Lanz' unterirdisches Wagenknecht-Interview flaut allmählich ab. Ein typisches Beispiel für kurzlebige Online-Hysterie? Nein. Vielmehr war dies ein lange überfälliges Signal an das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Ein Signal, das so sensationell erfolgreich war, dass die Initiatorin es sich leisten konnte, die Petition vorzeitig zu schließen. Durch die Medien kursieren seitdem allerdings Behauptungen, die einen anderen Eindruck erwecken.

Es heißt, die Initiatorin Maren Müller habe die Petition beendet und sich entschuldigt. Das klingt nach einem kleinlauten Rückzieher. Zwar hat Maren Müller sich tatsächlich dafür entschuldigt, Einzelne verletzt zu haben. Sie hat aber gleich im nächsten Satz betont, dass es ihr um das Anstoßen einer größeren Debatte ging. Sie beendet die Petition deshalb, weil der Erfolg längst überwältigend ist und sie ihr Ziel erreicht hat. Das ist kein reumütiges Einknicken, sondern eine Erfolgsgeschichte.

Ebenso heißt es, die Betreiber von OpenPetition, der Online-Plattform, auf der die Lanz-Petition gestartet wurde, würden nun aufgrund des angeblichen Shitstorms die Funktionsweise ihres Portals in Frage stellen. Auch das ist nicht richtig. Zwar haben die Betreiber von OpenPetition, ausgelöst durch die Kritik an der Lanz-Petition, vergangene Woche bekanntgegeben, dass künftig keine Petitionen mehr zugelassen werden, die sich gegen Einzelne richten. Die Lanz-Petition nahmen sie davon aber ausdrücklich aus. Aus dem Begründungstext gehe eindeutig hervor, dass es hier nicht vordergründig um die Person Lanz ginge. Vielmehr werde er zum Aufhänger genommen, um von den Öffentlich-Rechtlichen journalistische Qualitätsstandards einzufordern.

Shitstorm der Feuilletonisten

Es ist faszinierend, was für ein Schwachsinn zu dieser Petition gesagt und geschrieben worden ist. Stefan Niggemeier hat bereits darauf hingewiesen, dass all die Kulturjournalisten, die sich über den angeblichen Shitstorm im Internet empören, normalerweise ganz gut davon leben, selbst ein Exklusivrecht auf – durchaus auch sehr deutliche – Medienkritik zu haben. Otto Normalmensch hingegen hat üblicherweise das Problem, seine Kritik nur in Leserbriefen, Kommentaren und Online-Foren loswerden zu können, also geradezu zum Shitstorm gezwungen zu werden, der dann dennoch wirkungslos verpufft.

Die Petition ist insofern durchaus ein revolutionärer Schritt: Endlich meldet sich eine nennenswerte Zahl an Fernsehzuschauern in einer angemessenen Weise zu Wort und kritisiert das von ihnen allen bezahlte Fernsehprogramm. Aufhänger ist eine Person, aber die Petition geht darüber hinaus. Und anonym ist diese Art der Online-Meinungsäußerung gerade nicht: Man kann bei OpenPetition zwar „nicht öffentlich“ unterschreiben, aber eben nicht anonym. Man muss sich registrieren, nur wird der Name nicht veröffentlicht, wenn man es nicht will.

Man weiß nicht so recht, was der Schauspieler Ottfried Fischer sich gedacht hat, als er behauptete, den Unterzeichnern der Petition passe einfach die Nase von Lanz nicht, und das ZDF aufforderte, Markus Lanz „auf keinen Fall dem Pöbel vorzuwerfen“. Als würde auf dem Lerchenberg ein Mob zur Steinigung bereit stehen und darauf warten, dass Lanz das Gebäude verlässt, während das ZDF ihm dort ein lebensrettendes Asyl bietet. Mittelalter oder was? Aber es gibt tatsächlich kein Niveau, das nicht unterboten werden kann – Josef Joffe von der ZEIT zog gar die Nazi-Keule und verglich die Hetzjagd auf Lanz mit der Judenhetze der Nazis. Klar, bekanntermaßen wird im Dschungel schon am Lanz-KZ gebaut. Was ist in diesen Hirnen eigentlich los? Was ist an einer Petition von gebildeten, interessierten und digital vernetzten Menschen so schlimm?

Selbst das traditionell ergraute ZDF ergötzt sich inzwischen penetrant an der Anzahl der Tweets zu einer Sendung und baut immer häufiger „Onliner“ in die Sendungen ein, die permanent erzählen, was „im Netz“ gerade so abgeht. Das kann man auch als Aufforderung zum Shitstorm werten. Da mutet es sehr merkwürdig an, dass der Sender gleichzeitig aber dieser Onlinepetition keine annähernd vergleichbare Bedeutung einräumt – obwohl hier, im Gegensatz zu Twitter, die Wahrscheinlichkeit recht groß ist, dass es eben wirklich über 200.000 Menschen sind, die sich äußern, und nicht womöglich nur 200, die jeweils 100 Tweets abfeuern.

Diese Menschen empören sich auch deshalb so, weil seit dem 1. Januar 2013 die Rundfunkgebühren einer Pauschalsteuer gleichkommen. Gleichzeitig sind die Möglichkeiten, zu beeinflussen, was man dafür bekommt, aber noch geringer als beim Steuerzahlen. Da kann man zumindest alle vier Jahre grob die Richtung vorgeben. Zwar sitzen in den Rundfunkräten Vertreter der Parlamentsfraktionen, doch die Einflussnahme des Bürgers geht damit um noch mehr Ecken als bei den Steuern.

Teurer Speichel

Und das ZDF selbst scheint es einfach nur geil zu finden, wenn seine Sendungen niemandem gefallen. Eine beliebte Redensart im Sender lautet „Auch schlechte Presse ist gute Presse“. Nach Markus Lanz' Mallorca-Desaster im letzten Sommer klopfte man sich intern auf die Schultern und sagte „Jetzt erst recht weiter so“. Zwar gibt es eine – schon oft zu Recht kritisierte – Quotenorientierung, aber bei genauerer Betrachtung sagt die Quote herzlich wenig über die Anzahl zufriedener Zuschauer aus, weil ihre Erhebung wenig transparent ist und sie ohnehin nur den Konsum eines gegebenen Programms misst. Und alles, aber auch wirklich alles andere als die Quote ist dem ZDF egal.

Dieser Sender speit der Öffentlichkeit seit Jahren ins Gesicht. Spätestens seit der Speichel von allen bezahlt werden muss, ist es Zeit, dagegen etwas zu tun. Da laufen alle „Dann schaltet doch um“-Argumente ins Leere. Darum geht es nicht. Es geht darum, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen sich den Qualitätsstandard leisten muss, den es sich durch die allgemeine Gebührenpflicht auch leisten kann. Es bleibt zu hoffen, dass die Debatte, die Maren Müller angestoßen hat, nun nicht im Sande verläuft und dass vielleicht sogar das ZDF die von einer Viertelmillion Menschen unterzeichnete Petition ausnahmsweise nicht als „Weiter so“ interpretiert. Bisher sieht es leider danach aus.

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Mit Lust am guten Argument

Geschrieben von

Andrea Wierich

Praktikantin in der Freitag-Redaktion

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