Plagiate, Denunzianten, Chefs

Affäre um die "SZ" Auf der Jagd nach Plagiaten gerät immer mehr aus den Fugen - neben vermeintlichen Delinquenten betreten vor allem windige Denunzianten und souveränitätsarme Manager die Bühne

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Des Verständnisses halber sei vorab ein auf tagesschau.de zu lesender hervorragender Zusammenschnitt dessen dargestellt, was derzeit eine Affäre bei der Süddeutschen Zeitung zu nennen ist. Dabei geht es aus meiner Sicht weniger um den Plagiatsverdacht gegen die Vize-Chefredakteurin. Es geht vielmehr um die Frage,wie das Verlagshaus damit umgeht.

https://www.tagesschau.de/inland/gesellschaft/sueddeutsche-zeitung-vorwuerfe-100.html

Ich kannte jemanden, der ohne abzuschreiben niemals sein Abitur geschafft hätte. In Mathematik hatte er die Vornote 5. Er brauchte also eine 3, um da heil rauszukommen. Dem Zufall sei dank, dass er damals in Reichweite seines besten Freundes und Einserschülers saß. Der ihm zum Erfolg half und dies im Stillen genoss. Weiterer Zufall war, dass damals ein mit ihm in revolutionärem Geiste befreundeter Lehrer Aufsicht hatte. Ein Denunziant a la Reichelt war weit und breit nicht am Werke. Er rutschte also fein und entspannt, faul und ohne Scham, ohne jegliche Quellenangaben in seiner Abi-Arbeit ins weitere Leben. Eine Geschichte für Augenzwinkern.

Was ich sagen will ist: Was soll diese ganze Jagd auf Plagiatoren? Wenn Urheber irgendwelcher nicht kenntlich gemachter Worte, Sätze, Zeilen nicht ihre Urheberschaft geltend machen. Ja Wort-Raub nicht mal Arbeiten (seien es Doktorarbeiten oder journalistische Artikel) wesentlich prägt, es oft nicht um wissenschaftliche Exklusivität geht, Patentrechte nicht berührt werden oder man fremde Computer hacken muss. Richtig fies sind, blickt man mal etwas tiefer, im Grunde mögliche Denunzianten. Die nichts anderes zu tun haben, als andere zu verpfeifen, aus Lust oder Rache. Oder Aufsichtspersonen, die entlarven und den scharfen Hund spielen.

Dass Julian Reichelt im Falle der Süddeutschen Zeitung und seiner unter Plagiat-Verdacht stehenden Vize-Chefredakteurin nicht die Ehrenrettung der Journaille oder der Wissenschaft Triebkraft war, dazu bedarf es keiner ausufernden Fantasie. Dass ausgerechnet er, der die Medienwelt vielfach beschädigt und sich nicht nur als streitbar, sondern als ehrenrührig offenbart hat, Geld für das jüngste Hallali der Plagiatsjagd gab, ist nicht verwunderlich. Dass die Chefetage der Süddeutschen nichts weiter zu tun hatte, als im eigenen Verlagshaus eigenen Jagddrang zu üben, das ist freilich ein herber Tiefschlag für die als liberal geltende Süddeutsche-Welt.

Was immer da an vermeintlich Interessantem aus einer Redaktionskonferenz zur Causa Plagiate nach außen gedrungen war. Was immer da ein eifriger Verräter in den eigenen Reihen an Geheimbotschaften durchgestochen haben mag. Am Ende ging es worum? Ich weiß nicht recht, ob der Plagiator stets darauf zielt, Nichteigenes als Eigenes auszugeben. In betrügerischer Absicht, sich vorsätzlich mit fremden Federn zu schmücken. Ich weiß aber um eine Chefredaktion, die in der Redaktion durchaus heftig umstritten ist. Ihr Versuch jedenfalls, per Durchsuchungsaktion an einen Maulwurf heranzukommen, ist das Gegenteil von Souveränität.

Vielleicht sind es die mittlerweile nicht wenigen Fälle streitbarer Journalistenfehltritte, die SPIEGEL, Stern, jetzt Süddeutsche&Co irgendwie zart besaiten. Die abseits kritischer Medienpraxis Medien zunehmend selbst ins Blickfeld von Kritik rücken. Angesichts eigener Fehlbarkeiten aber die Contenance zu verlieren, die Verhältnismäßigkeit der Mittel zu missachten, noch vor einem Urteil über Unsauberkeiten im eigenen Haus das Haus auf den Kopf zu stellen, zeigt Schwäche. Statt sich angesichts einer geifernden Jägerschaft zunächst einmal vor die Gejagden zu stellen, Misstrauen ins eigene Feld zu säen, zeugt von brüchigem Vertrauen. Ob das Plagiate wert sind?

Man könnte einwenden, dass Plagiate dem Delinquenten verhelfen, eigenen Ruhm oder gar einen akademischen Titel zu erwirtschaften. Dass quasi der eigene Mehrwert gesteigert wird. Ich bezweifele allerdings, dass die Mehrzahl der bislang offengelegten Plagiate eine derartige am Ende auch ökonomische Ausbeute gezeitigt haben. Denn wer nicht mehr zu bieten hat, als sich bei anderen zu bedienen, wird, so mein Eindruck, kaum weit kommen. Das ist vielleicht eine kühne These. Andererseits kann ich bislang kaum erkennen, dass die Suche nach Ehrverlust-Opfern auf sonderliche Ehre gegründet war. Dann schon eher auf perfiden Vernichtungswillen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andreas Mijic

think-tank aus hamburg & bale (Istrien)

Andreas Mijic

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden