Feuilleton und Pavillon

Biennale in Venedig Die deutschen Kulturredaktionen feiern Yael Bartana - und drücken sich vor der vielschichtigen Sichtweise der israelischen Künstlerin. Und damit vor der großartigen Aussagekraft ihrer Arbeit

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Wenn die Biennale in Venedig öffnet, wird es ein Hauptaugenmerk geben. Gerichtet auf den deutschen Pavillon – und die israelische Künstlerin Yael Bartana, die ihn in diesem Jahr gemeinsam mit dem deutschen Regisseur Ersan Mondtag zum Nachdenken erweckt. Eine Israelin im deutschen Pavillon. Dessen von den Nazis 1938 umgestaltetes Entree noch immer statt der ursprünglich ionischen Portal-Säulen monumentale rechteckige Pfeiler zieren. Lediglich Hoheitsadler und Hakenkreuze wurden im Auftrag der Nachkriegs-Bundesrepublik entfernt. Yael Bartana, ein Statement. Auch im Zuge dessen, was sich gerade in Israel und den Palästinensergebieten abspielt.

Die Feuilletons der deutschen Medien werden dieser Tage nicht müde, das Besondere zu betonen. Mit dem quasi ein Zeichen gesetzt würde. Ein mutiges. Reflexion jüdischer Geschichte, mit all ihren widerstrebenden Facetten, gegen das Monumentale. Das schreckliche Monumentale, von dem der Pavillon-Bau zeugt. Aus gestanzten, rituellen Positionierungen, so verspricht es die Kuratorin Çağla Ilk, sollen neue Perspektiven hervortreten. Künstlerisch dürfte in Frage gestellt werden, was politisch, je nach Ausrichtung, gewiss erscheint. Yael Bartana jongliert mit vermeintlichen Wahrheiten, um sie, auch ironisch, zu hinterleuchten. Das mag eine nicht leichte Herausforderung sein.

Was sich abzeichnet, in all den medialen Vorausblicken, ist der Versuch, Yael Bartana irgendwie zu vereinnahmen. So wird kaum noch erwähnt, dass sie eine Stellungnahme unterschrieb, gerichtet gegen den Bundestagsbeschluss zur Israel-Boykott-Bewegung BDS. Der jedwede Nähe zu der Bewegung als antisemitisch einzustufen nahelegt. Ein entsprechender Umgang wird nicht vorgeschrieben, das kann eine Resolution auch nicht, aber moralisch eingefordert. Die oben erwähnte Stellungnahme solidarisiert(e) sich mit der Initiative GG 5.3. Weltoffenheit, die in dem Bundestagsbeschluss einen breiten Diskurs über die Politik Israels gefährlicherweise zensiert sieht.

Die Zeitschrift monopol hat sich bereits Mitte Januar zu Wort gemeldet. Und weist darauf hin, dass Yael Bartana sich genau mit den Themen beschäftigt, die derzeit diskutiert würden: dem jüdischen Nationalismus, dem Verhältnis von Jüdinnen und Juden zu europäischen Gesellschaften, der jüdischen und israelischen Identität. Schon Letzteres, der Hinweis darauf, dass die jüdische nicht unbedingt die israelische Identität sein muss und umgekehrt, ist ein Narrativ, das hierzulande in aktuellen Debatten gern unter den Teppich gekehrt wird. Um Israel-Kritik in Antisemitismus umzumünzen und sie darin zu ersticken. Statt notwendige Trennlinien zu tolerieren.

Und weiter lässt der monopol-Beitrag wissen, dass Yael Bartana in ihrer Arbeit immer wieder versucht habe, arabische, jüdische und andere internationale Akteure zusammenzubringen, um Krieg und Spaltung zu überwinden. Mit wem und in welcher Form sie das mache, lasse sie sich dabei nicht vorschreiben – vor allem nicht vom deutschen Feuilleton. Das deutsche Feuilleton, so ist zu beobachten, schreibt im Biennale-Vorfeld nichts vor. Jedenfalls nicht direkt. Statt dessen verschweigt das deutsche Feuilleton die ausgesprochen umfassende Haltung der Künstlerin zum aktuellen Konflikt in Israel. Das, so ist zu hoffen, wird sich im Biennale-Sein rächen.

Denn es ist zu erwarten, dass sich Yael Bartana eben nicht brav in die mainstreamhafte deutsche Rezeption der politischen Geschehnissen in Israel und Gaza fügt. Angst ist der Künstlerin nämlich fremd. Anders, als es beim Berliner Tagesspiegel dieser Tage über den Bundestag zu lesen ist. Der Beitrag fragt sich, warum im Bundestag das Thema Gaza (Hunger, zivile Opfer, Dauerbeschuss) nicht auf der Tagesordnung steht. Und findet Antworten, die nicht überraschen. Von Unsicherheit, etwas Falsches zu sagen, ist die Rede. Eine Phalanx des (Ver)Schweigens steht, so darf man meinen, gegen notwendiges Benennen des ganzen Dramas im Nahen Osten, inklusive Gaza.

Es wird also spannend, zu sehen, wie Yael Bartana auf der Biennale agieren wird. Im deutschen Pavillon. Und inwieweit das deutsche Feuilleton es sich (möglicherweise) noch leisten kann, dem Ausblenden von Realitäten und dem Strammstehen vor einer unkritischen Israel-Solidarität zu huldigen. Ob dann das Verschweigen der Positionen, die Yael Bartana vertritt, noch hilft. Oder ob man sich, gerade in den Räumen des Monumentalen, zu einer allen Seiten gerecht werdenden Betrachtung von Geschichte und Geschehnissen durchringen kann, ja muss. Yael Bartana, so kann man annehmen, wird es dem Feuilleton schwer machen, hier feige zu kneifen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andreas Mijic

think-tank aus hamburg & bale (Istrien)

Andreas Mijic

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