Von wegen Brandmauer

Die CDU und die Rechten EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen antichambriert beim rechten Lager - dem EKR-Block, zu dem auch Melonis Fratelli d'Italia gehört. Wenn es um die Macht geht, senken die Christdemokraten zunehmend die Hürden

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Immer wieder haben führende CDU-Politiker betont, man werde die Brandmauer zur Rechten, explizit zur AfD halten. Doch wie hoch diese Mauer ist, hat niemand so recht gesagt. Oder sagen wollen. Schon gar nicht der christdemokratischen EU-Komissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Für sie scheint die Mauer nicht allzu hoch. Schon gar nicht, wenn es um den Erhalt ihrer Spitzenposition in Brüssel geht. Jedenfalls ist sie bereit, sich sehr weit nach rechts hinüber zu beugen, um in ihrem Amt wiedergewählt zu werden.

Nach eigenen Worten ist sie durchaus offen für eine Zusammenarbeit mit der Partei der neofaschistischen italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni, der Fratelli d’Italia. Oder auch mit der polnischen PiS, die die Bevölkerung gerade mit ach und Krach von der Macht verdrängt hat – und die in ihrer Regierungszeit mit Blick auf Brüssel nicht sonderlich kooperativ war. Kurzum: von der Leyen, die dem Block der Europäischen Volkspartei angehört, streckt schonmal wenig vorsichtig die Arme zum rechts-konservativen EKR-Block aus.

Wer dachte, hier könnte ihr heftiger Gegenwind aus der CDU entgegenschlagen, hatte sich geirrt. Nicht mal ein laues Lüftchen der Kritik wehte aus der Merz-Führungsetage in Berlin in die EU-Zentrale. In der Union, so ist unter der Hand zu vernehmen, wisse man um die Gefahren derartiger Allianzen. Aber, so möchte von der Leyen offenbar herunterspielen: Die EKR sei ja nicht die Fraktion Identität und Demokratie, zu der die AfD gehört. Weswegen auch nochmal der EVP-Boss Manfred Weber die Stimme gegen die AfD erhob.

In der konservativ-bürgerlichen EVP und allen voran bei EU-Chefin von der Leyenwird ein Spiel gespielt, das perfider nicht sein könnte. Weil es da ganz rechtsaußen, im mit Europa auf dem Kriegsfuß stehenden Lager von AfD&Co, noch etwas gibt, was schlimmer als das ultrarechte Lager der Neofaschistin Meloni sei, ist es durchaus erlaubt, mit genau diesen Ultrarechten auf Tuchfühlung und Stimmenfang zu gehen. Denn ganz fatal wäre es für die CDU und ihre Brüsseler Ausläufer, wenn von der Leyen plötzlich den EU-Spitzenjob verlöre.

Den Vorsitzenden ihrer heimatlichen Christdemokraten wird von der Leyen damit kaum verprellen. Denn es passt zu ihm, je nach politischen Kräfteverhältnissen, die Brandmauer flexibel zu halten. Dass dieser Tage, mit Blick auf die Landtagswahlen in Ostdeutschland, das Wort Brandmauer von CDU-Granden so inflationär gebraucht wird, zeigt nicht etwa wie hoch diese Mauer ist. Sondern wie sehr man sich nach außen als gewiss darstellen möchte, dass nicht passiert, was vielleicht am Ende doch irgendwie passieren könnte.

Dass man nämlich zumindest in den Kommunen diese Brandmauer eher als Stufe in der Höhe einer Bordsteinkante sieht. Hier werden öffentlich, wenngleich schwankend, nach wie vor Signale ausgesendet, die mehr als missverständlich sind. Das angeblich Schlimme oder Schlimmere, so dünkt einem, dient im Zweifel dazu, dann doch mit Rechten gemeinsame Sache zu machen. Am Ende sind da AfDler, die nicht Höcke heißen, doch satifikationsfähig. Und auf örtlicher Ebene tragbarer als die teuflische Linke oder die Grünen.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat da schonmal mit Blick auf die Grünen vorgebaut. Und damit die Merz-Entourage gegen andere, weiter in der Mitte stehende Christdemokraten mit gewichtiger Meinung in Stellung gebracht. Wenn es Not tut, passt denn alles zueinander. In Brüssel werden die Ultrarechten um Meloni umgarnt, weil es das untragbare AfD-Lager gibt. In Deutschland wird die Brandmauer zur AfD immer mal wieder angekratzt, weil es ja nicht nur den üblen Höcke und seine braunen Konsorten gibt.

Diesem Geschiebe und Geplänkel liegt eine Strategie zu Grunde: Die Macht zu halten oder zu gewinnen, im Kleinen wie im Großen. Dafür werden die Grenzen nach rechts von Christdemokraten der Reputation wegen und weil es rechnerisch geht mal sehr hoch gezogen, mal werden rote Linien in Knöchelhöhe fixiert und ultrarechte Gesinnungen als nicht so tragisch gewertet. In jedem Fall wird sichtbar, dass es um die Brandmauer nach rechts in der CDU nicht sonderlich belastbar bestellt ist. Auch und längst nicht bei Parteichef Merz.

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Geschrieben von

Andreas Mijic

think-tank aus hamburg & bale (Istrien)

Andreas Mijic