Arsch hoch, grüne Basis!

Habeck und der Krieg Es ist schon erstaunlich, wie der deutsche Wirtschaftsminister ohne Kritik aus den eigenen Reihen Kriegsangst schüren und für eine Aufrüstung in Deutschland und Europa plädieren kann - sowas wäre früher undenkbar gewesen!

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Als Joschka Fischer 1999 wegen seiner Zustimmung zum Kosovo-Einsatz der NATO auf dem Bielefelder Sonderparteitag der Grünen vor nunmehr 25 Jahren ein Farbbeutel traf, war das sicherlich sträflich. Eine never ever akzeptable Form der politischen Auseinandersetzung. Eine Missachtung auch bei Grünen (und Linken) Gottseidank geltender Benimm- und Konfliktregeln. Und selbst mit dem Hinweis, dass der Kosovo-Einsatz völkerrechtlich problematisch, wenn nicht gar, so vieler Leute Urteil, völkerrechtswidrig war, lassen sich derartig rüpelhafte Protestaktionen bis heute nicht rechtfertigen.

Dass aber dieser Tage einem in seiner Selbstgefälligkeit Joschka Fischer in nichts nachstehendem quasi Nachfolger Robert Habeck nicht mal verbal Einhalt geboten wird, provoziert die Frage: Ist die grüne Basis eine Ansammlung von Hosenscheißer:innen? Sieht sie nicht, wohin das Aushängeschild Habeck nebst seinem weiblichen Pendant Annalena Baerbock die Partei rückt? Oder will sie das nicht sehen – was denn eine wahrlich streitbare Komplizenschaft wäre. Jedenfalls kann Habeck noch so waffenstrotzend reden. Niemand gebietet Einhalt. Keine Kritik weit und breit. Nirgendwo.

Man hatte es kommen sehen können, nein: müssen! Habeck mit Stahlhelm und Schutzweste in der Ostukraine. Im Mai 2021. Lange nachdem der Ukraine-Konflikt (das wording damals) seinen Anfang genommen hatte. Fast ein Jahr vor dem völkerrechtswidrigen, verbrecherischen Überfall Russlands auf den Nachbarstaat. Schon damals war der Grünen-Häuptling der Meinung, nur Waffen für die Ukraine könnten vor Schlimmerem bewahren. Habeck schlug da noch eine Welle der Entrüstung entgegen. Von SPD, Grünen, Linken, sogar der CDU. Nur der ukrainische Botschafter Melnyk sprang ihm bei.

„Eine Aufrüstung der Ukraine würde Russland als Vorwand für eigene Truppen auf der Krim, in der Ostukraine sowie an der russisch-ukrainischen Grenze benutzen“, sagte damals CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Das war, natürlich, nicht verharmlosend gemeint, würde Hardt vermutlich heute einwerfen. Anders als die SPD, die Putin ja seit jeher stets bewussts und ohne Selbstzweifel in den Allerwertesten habe kriechen wollen, habe man selbst nur nicht gleich die Katze aus dem Sack lassen mögen. Anders als der Robert. Der Rausposauner.

Jetzt also rückt alles nach vorne, an die Front. Voran Wirtschaftsminister Habeck, der schon immer ahnte, wohin die Reise geht, gleich dahinter Strack-Zimmermann&Co. Zwar nur verbal. Aber immerhin. Annalena Baerbock versucht derweil, dem Taurus eine irgendwie weibliche Note zu verleihen. Das war ja ihr Slogan, dem bleibt sie treu: Feministische Außenpolitik. Gelenkt von kraftvollen Männern, so what! War ja schon immer klar, dass Frau mehr Mann sein muss, um ganz Frau sein zu können. Wer da als grüne Basis mit Farbbeuteln komme, mache sich geschlechtsneutral schuldig.

Es wäre ein Leichtes für die grüne Basis, Habeck und seine Gesinnungs-Entourage via Sonder-Parteitag zurückzupfeifen. Doch da ist noch nicht mal ein Pfeifen im Walde zu hören. Vielleicht weil die Grünen erst dann gerne einsteigen, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Siehe 1999 in Bielefeld. Unterdessen hat sich Habeck, der mit dem Ruf nach weitreichender Lieferung auch weitreichender Waffen bei seinem Kanzler (Scholz&Friends) nicht durchdringt, auf eine alternative Strategie geworfen. Er macht dem Land Angst. Wenn wir nicht liefern, sind wir geliefert!

Aber auch das verfängt nicht. Eine Mehrheit seiner Landsleute denkt, dass es besser wäre, den Krieg da drüben im Osten nicht ohne Weiteres zu eskalieren. Wenn alles Ernst ist, was da ernsthaft an die Wand gemalt wird, warum dann nicht besser reden statt Schulen zu Bunkern umbauen, mit Schießscharten, aus denen Bundeswehrsoldat:innen feuern können? Was, wenn wir nach einem kriegerischen Überschwappen am Abend morgens nicht mehr aufwachen? Der Krieg ist komplex, Lösungen sind schwierig. Habeck findet das naiv, will zurückfeuern können, wenn auch mit ein bisschen Stirnrunzeln.

Das bisschen Stirnrunzeln wäre der Moment, wo die grüne Basis ihn vielleicht packen könnte. Da soll es ja auch ein paar kluge Mitglieder geben, die sich nicht stillschweigend im widersprüchlichen Stegreif-Theater des politischen Mäandertalers vereinen. Wenn man nämlich Habeck genau zuhört, das könnte ein Ansatzpunkt sein, spielt hinter vordergründiger Gewissheit eher hintergründiger Zweifel eine Rolle. Er hat auf einer für ihn viel zu großen politischen Bühne die Peilung verloren. Hallo, Robert, hier sind wir! Deine Basis! Könnte die Basis sagen. Das würde ihm vielleicht helfen.

Aber die Basis sitzt schweigend im Parkett und wartet, bis der Vorhang fällt. Sie denkt (das wäre natürlich verständlich): Vielleicht ist dem Mann nicht mehr zu helfen? Vielleicht ist er und bringt alles durcheinander – Kriegs-Einflüsterer, Rüstungslobby, der mutige Selenskyi, Macron, FAZ und Konsorten – und spürt, dass ihn einfach das grüne Etwas verlassen hat. Und er soldatischen Durchhaltemut braucht. Ganz oben in der Loge, allerhöchsten Ranges, sitzt derweil der Kosovo-Joschka und kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen: Genau in diesem Moment traf mich damals der Farbbeutel….

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Geschrieben von

Andreas Mijic

think-tank aus hamburg & bale (Istrien)

Andreas Mijic

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