Nur ein müder Talk

TV-Runde im Ersten Eine Moderatorin will die SPD und ihren Vorsitzenden in die Enge treiben - doch die Angriffslust und die Attacke auf Begriffe wirken reichlich abgedroschen

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Wofür braucht es die SPD noch? Mit dieser Frage war schon die Richtung bei der Caren Miosga Talkshow in der ARD gesetzt. Sozi-Bashing. Ist das eine gute Basis für ein halbwegs intelligentes, interessantes Gespräch? Mitnichten. Es folgt einer Art Freibrief für Angriffe, die sich gerade – wie langweilig! – in nahezu allen Medien finden lassen. Angesichts der mediokren Phalanx ist denn auch eine Semantik unterwegs, bei der es um ideologisches Zurechtbiegen geht. Es wird nicht mehr hinter Begriffe geschaut, sondern die Oberfläche wird derart zurechtgeschmirgelt, dass am Ende eine glatte Fläche vermeintlich belastbarer Vorwürfe erscheint. Ein weites Feld für politische Linguistik.

Man fragt sich darob, wer mehr Mitleid verdient hat. Eine Moderatorin, die nicht moderiert. Oder ein Parteivorsitzender Lars Klingbeil, dem vor lauter Schreck über die Niveaulosigkeit des aggressiven Talks die angemessenen Worte verloren zu gehen scheinen. Dass sein Fraktionschef im Bundestag, Mützenich, kurz zuvor ins Gespräch gebracht hat, den Russland-Ukraine-Krieg einzufrieren, lässt Spielräume. Dass sich alle, auch Caren Miosga, nur das rausnehmen, was ihnen in ihren Kram passt, spricht weniger gegen Mützenich, als gegen die ihm feindlich gesonnene Interpretation. Einfrieren gleich kapitulieren. So einfach ist das. So schlicht das stromlinienförmige Framing.

Einfrieren. Was heißt das, hätte Klingbeil Miosga zurückfragen können, ja müssen. Heißt das, den territorialen Status Quo anerkennen? Oder könnte das, wenn man wollte, auch heißen, die Waffen niederlegen. Das Töten und Zerstören sein lassen. Zusammenzählen, was der Krieg Russlands gegen die Ukraine und umgekehrt schon gekostet hat. Die unmittelbar und mittelbar Beteiligten. Und wie lange das gehen soll. Und wer und was am Ende übrig bleiben dürfte. Ob ein solches Einfrieren was bringt, wer will das wissen. Es sieht aber so aus, als wüssten die, die sich über den Begriff empören, auch nicht gerade mehr. Auch sie glauben nur. Dass Angriff die beste Verteidigung ist.

Es ist schon erstaunlich, dass eine Talk-Moderatorin offenbar der Meinung ist, müde Attacken und nervöse Wimpernschläge reichten aus, um Begriffe nur in eine Richtung zu hinterfragen. Und es sei schon ein Geistesblitzgewitter, wenn man die Wolken anderen gemein über der Sozialdemokratie aufziehen lässt. Flankiert von einer ebenso unbekannten wie unbedarften Journalistin und einem Wirtschafts-Experten, der durchaus durchscheinen ließ, irgendwie missbraucht zu werden. Die deutsche Sprache hat eine Menge Bilder parat und lässt sich durch Einfältigkeit politischer Betrachtung nicht einfach beugen. Oder, um im Kontext zu bleiben, einfrieren.

Aber wer gerade auf den Krieg aus ist, ihn – von welcher Seite auch immer – nicht in Frage stellen will, der neigt auch dazu, der Sprache politische Gewalt anzutun. Und schnürt Worten nur allzu gern und grobschlächtig ihre Mehrdeutigkeiten ab. Zu Gunsten der eigenen Agenda. Zu Ungunsten eines möglichen Wohlwollens. Die SPD mitsamt ihrem Kanzler wird verdächtigt, alles, was sie um des Friedens und der Auswege aus dem Krieg Willen erwägt, nur der Wähler wegen zu tun. Es wäre mal angenehm gewesen, bei Caren Miosga auch tiefgründigeren Sichtweisen eine Stimme zu geben. Aber das hätte Mut erfordert – den haben Sendung und Moderatorin nicht.

Es scheint sich, auch im deutschen Fernsehen, eine unschöne Art von Angst breit zu machen, dass, wenn man auch anderen als seiner eigenen Stimme Gehör schenkt, so etwas wie Nachdenken zu Stande kommen könnte. Ein Nachdenken darüber, ob es ausreicht, sich Einzureihen ins das wilde Geschrei von Maulheldinnen und Maulhelden. Die freilich fern aller Schützengräben ihr Wesen treiben. Und ob man sich nicht der Möglichkeiten beraubt, in ruhigem Diskurs seine eigene Position bestätigt zu fühlen oder sie zu hinterfragen und zu einem anderen Schluss zu kommen. Für einen solchen Talk scheint aber keine Zeit. Man will schneller nachplappern, was andere vorkauen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andreas Mijic

think-tank aus hamburg & bale (Istrien)

Andreas Mijic

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