Zwischen Pest und Cholera

Wahlen in Kroatien Die ehemalige jugoslawische Teilrepublik auf dem Weg zu einer neuen Regierung - es winken Populismus, weitere Korruption und Rechtsruck. Keine schöne Aussichten für Europa

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Kroatien hat gewählt. Das ist einerseits gut, weil Wahlen in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union Zeichen einer bürgerbeteiligenden Demokratie sind. Andererseits aber problematisch, wenn man, nachdem die Frist zur Stimmabgabe ausgelaufen ist, feststellen muss, dass ein Land im Großen und Ganzen nun entweder von Pest oder Cholera regiert wird. Denn es gibt zwei gewichtige Lager, an denen sich entscheidet, in welche Richtung die ehemalige jugoslawische Teilrepublik steuert. Das des bisherigen Ministerpräsidenten Andrej Plenković. Und das Lager des Präsidenten Zoran Milanović.

Und diese Lager haben es in sich. Plenković und seine konservative Demokratische Union HDZ kommen, nach außen jedenfalls, europafreundlich daher. Doch die Konservativen, die seit der Unabhängigkeit Kroatiens 26 von 33 Jahren regierten, stehen vielen seit jeher für Korruption und autokratisches Gehabe. Nicht gerade ein Ausweis rechtsstaatlicher Trittfestigkeit. Milanović von der sozialdemokratischen SDP wiederum macht als Russlandfreund und Fremdenfeind von sich reden, ein nationalistischer Populist im Linksgewand. Auch er mit gespaltenem Verhältnis zum Rechtsstaat.

Ein nicht unwesentliches Indiz dafür: Milanović, präsidialer Manieren offenbar nicht mächtig, scherte sich einen feuchten Kehricht darum, dass das Verfassungsgericht ihm, der als Staatsoberhaupt der Neutralität verpflichtet ist, untersagte, Wahlkampf zu machen. Er düpierte öffentlich die Richter, trommelte fürs SDP-Bündnis, bot sich als neuer Regierungschef an. Und setzt darauf, dass nach dem Wahlkampf alle Missachtung schnell vergessen sein und er irgendwie aufs Schild gehoben wird. Das freilich dürfte, da sich der gewünschte Wahlerfolg nicht einstellte, einigermaßen schwierig werden.

Das Bündnis, das die SDP zu den Wahlen geschmiedet hat, um die HDZ politisch zu enthaupten, schaffte es nur auf Platz zwei. Es könnte sich nur um den Regierungsvorsitz bemühen, wenn der Wahlsieger HDZ und sein Bündnis mit dem Wunsch nach Machterhalt scheitert. Was beiden Seiten den Weg steinig macht, ist, dass es ohne weitere Partner nicht geht. Und da tun sich ausgesprochen düstre Welten auf. Denn ohne die nationalistisch-rechte Heimatbewegung (DP) dürfte nichts laufen. Zwar bietet sich der SDP die linksgrüne Partei Možemo (Wir können) an, aber das brächte noch keine Mehrheit.

Die politische Macht-Melange in Kroatien wird, so ist zu befürchten, wenn denn überhaupt ein Lager regierungsfähig ausgebaut werden kann, von erheblicher Sprengkraft sein. Entweder das Land hat es mit der HDZ und den Rechtsextremen zu tun, dann wird es eine Mixtur aus Korruption und nationalistischem Bollwerk. Und Plenković wird immer größere Mühe haben, seine Europa-Zugewandtheit glaubhaft rüberzubringen. Oder die SDP und ihr Orbán-Abziehbild Milanović schmieden mit der Heimatbewegung DP ein Kabinett horrible, in dem sich seine Vertreter an den populistischen Rändern treffen.

Das alles ist freilich nur Grund, sich aufzuregen, nicht aber für Panik. Denn Europa verabschiedet sich ja auch anderswo von sich selbst. Italien mit seiner neofaschistischen Regierungschefin, der Rechtsaußen an der Spitze Ungarns, Luis Montenegro in Portugal, der Rechtsruck in Finnland, dazu vielerlands rechte oder rechtsextreme Kräfte in den Startlöchern: Europa erlebt derzeit an allen Ecken und Enden prekäre Entwicklungen. Das Europa der Offenheit, der Toleranz, des demokratischen Zusammenhalts, das es mal sein wollte, wird zunehmend Abgrenzungen und Ausöhlungen der Rechtsstaalichkeit geopfert.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Andreas Mijic

think-tank aus hamburg & bale (Istrien)

Andreas Mijic

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