Das gefährliche AfD-Dilemma

Widerstand gegen rechts Die Republik pendelt im Kampf gegen die "Alternative" zu Demokratie und Rechtsstaat zwischen öffentlichem Protest und Verbotsdebatte - es bedarf freilich größerer Entschlossenheit

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In Bayern wurden ehrenamtliche Verfassungsrichter gewählt. En-Bloc, wie 2018. Mit dem Ergebnis, dass erneut auch verfassungsrechtlich zweifelhafte Juristen der AfD das höchste Gericht im Freistaat bestücken. Man hätte sie – per Einzelabstimmung – verhindern können. Es gab aber Ängste, dass dies am Ende keinen rechtlichen Bestand haben könnte. Nun sitzen die fragwürdigen Gestalten in demokratischen Schlüsselpositionen und können das hohe Gericht nach rechtsextremer Laune unterwandern. Und eine Institution, die eigentlich dafür sorgen soll, dass die Demokratie und der Rechtsstaat geschützt sind, liefert sich potenziellen Gegnern aus.

Die FAZ hat das Dilemma geschildert. Was wiederum die Frage aufwirft: Können die demokratischen Kräfte im Land 1) die AfD per unablässigen und stärker werdenden Protesten in die Enge und in die Bedeutungslosigkeit treiben und damit einem weiteren Rechtsdrall Einhalt gebieten. Und die AfD zumindest unter die 5%-Marke steuern. Und also auch ihren Weg in Institutionen wie dem Verfassungsgericht verbauen? Das dürfte dauern. Zumal die Menschen im Land spät aufgewacht sind. Eigentlich erst, nachdem Recherchen das ganze Ausmaß potenzieller Bedrohung für die deutsche Demokratie schonungslos deutlich gemacht haben.

Oder ist es 2) nicht doch angemessen, die rechtsextreme Alternative zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit per Verbot dorthin zu stellen, wo sie hingehört. Ins deaktivierende Abseits. Und ihr damit sowohl das öffentliche als auch das über politisch und juristische Schaltstellen mögliche klandestine Aushebeln all dessen, was unsere demokratisch-freiheitliche Grundordnung ausmacht, zu versperren. Das wäre, würde das Bundesverfassungsgericht unser Grundgesetz so anwenden, wie das Gesetz es verdient, der kürzere und zumindest fürs Erste effektivere Weg. Auch wenn sich die AfD darüber erwartbar als Märtyrerin gerieren würde.

Noch wird ein Verbot nur diskutiert. Und es gibt in der Debatte Gründe, warum viele skeptisch sind. Erstens liegen die Hürden für ein Verbot hoch. Wer es verlangt, muss seine Forderung juristisch belastbar unterfüttern. Formal und inhaltlich. Und das BVerfG müsste den Mut haben, der AfD seinerseits kräftig auf den Zahn zu fühlen – und nachweisen, dass die Partei weit abseits unseres Grundgesetzes steht. Manche halten das angesichts brauner Parolen für durchaus machbar. Andere legen die verbriefte Meinungsfreiheit so weit aus, dass auch demokratiefeindliche Positionen und das Antasten der Menschenwürde noch darin Unterschlupf finden.

Was sich zeigt, ist vor allem ein Dilemma. Nämlich, dass die Öffentlichkeit, wieder einmal, viel zu lange abgewartet hat, massenhaft Stellung gegen die rechtsextreme AfD zu beziehen. Die Zurückhaltung wurde dabei von einer Phalanx der Medien gestützt, die bis zuletzt glaubten, es gehe darum, die Schar der AfD -Anhänger bei ihren Ängsten, vor allem den Ängsten um ihren sozialen Status abzuholen. Und bei den Ängsten vor Flüchtlingen, die aus welchem Grund auch immer Schutz bei uns suchen. Und wenn das, insbesondere mit einer gnadenlos restriktiven Migrationspolitik gelänge, würde alles gut und die AfD könnte für alle Zeiten ihre braunen Koffer packen.

Das Gegenteil ist der Fall. Und während, nun endlich, Hunderttausende gegen rechts und die AfD auf die Straße gehen, darf ein Herr Chrupalla, zwar im Schlagabtausch mit einem Investigativ-Journalisten, dann doch weiterhin den Wolf im Schafspelz geben. Und so tun, als lägen Welten zwischen ihm und dem rechtsextremen Einpeitscher Höcke. Dabei trennt die beiden nicht mal eine Pfütze politischen Schlamms. Da werden Worte hin und her gewechselt – und niemand scheint zu merken, dass da auf eine unterschwellige Art und Weise jemand satifikationsfähig bleibt. So unterschwellig, wie die AfD versucht, Demokratie und Rechtsstaat zu unterlaufen.

Es gibt, durchaus, geschichtliche Parallelen. Das lange Abwarten bis zum breiten Widerstand gegen rechts. Die Hoffnung, begleitet vom Gros der Medien, man könne das Abscheuliche via parlamentarischem Streit entlarven. In dem man seine Protagonisten stellt. Ihnen durch ein Entgegenkommen in heiklen Fragen den Wind aus den Segeln nimmt. Hinzu kommt die Furcht, man könnte auf juristischem Wege scheitern und die AfD, statt sie zu schwächen, stärker machen. Während dessen freilich nimmt in einem Meer der Halbherzigkeiten der Glaube der AfD an Fahrt auf, auf Dauer im politischen Spektrum vor Anker gehen zu können.

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Geschrieben von

Andreas Mijic

think-tank aus hamburg & bale (Istrien)

Andreas Mijic