Juhu, endlich Werbung für Abtreibungen!

219a - Werbung für Abtreibung? "Kein Bock auf Schwangerschaftstreifen, schlaffe Bauchdecke und Stress mit Kids - jetzt abtreiben! Wir, die Abortion-Profis sorgen in unserer Wohlfühlklinik mit 3-Sterne Buffet und für Ihre All-Inklusive-Abtreibung im stylischen Ambiente"

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Man stelle sich folgendes Szenario vor: Wir sitzen im Kino und nach einigen Werbungen für Eiscreme, pappsüße Limonaden und andere Konsumgüter, angepriesen von fresh-fröhlichen jungen Menschen in launiger Gesellschaft und Atmosphäre, erscheint dann ein flott frisierter Doktor und erzählt wie er uns sein Team Schwangerschaftsabbrüche anbieten:

"Kein Bock auf Schwangerschaftstreifen, schlabberige Bauchdecke und Stress mit den Kids - jetzt abtreiben! Wir, die Abortion-Profis sorgen in unserer Wohlfühlklinik mit 3-Sterne Buffet und für Ihre All-Inklusive-Abtreibung im stylischen Ambiente"
Und sollte dem tatsächlich irgendwann so sein, dann ist es mit dem Verfall unserer Sitten doch schlimmer, als ich je zu träumen gewagt habe.
Aber erst mal wird man das wohl kaum befürchten müssen, denn de facto wird eine Abtreibung von einem Arzt durchgeführt und nach wie vor ist es so: "Sachliche berufsbezogene Informationen (!) sind den Ärzten erlaubt, verboten ist dagegen die so genannte berufswidrige Werbung. Dies ist zum Beispiel anpreisende, irreführende oder vergleichende Werbung."

Egal ob (mehr oder weniger radikaler) Abtreibungsgegner oder Abtreibungs-Befürworter oder als jemand, die irgendwo eine vernünftige, differenzierte Mitte zwischen all dem Aktivismus finden möchten:

Wie schrecklich, dramatisch oder unerträglich ist die Lage in Deutschland denn wirklich?
Zum Vergleich: In den USA wird eine Abtreibung für Frauen, selbst wenn sie vergewaltigt wurden, immer schwieriger, in einigen Regionen sogar schier unmöglich.
Hier in Deutschland hingegen übernimmt bei medizinischer Indikation oder Gewalthintergrund die Krankenkasse die Abtreibung. Wer "einfach so" abtreiben will, der kann das letztlich auch.

Meinetwegen kann man nach Rücksprache mit Wissenschaftlern, die datieren können, wann ein ungeborenes Leben eigentlich lebensfähig ist/wäre, im Bundestag umformulieren, dass Abtreibung unter Einhaltung aller Rahmenbedingungen eigentlich keine Straftat ist, denn als solche wird sie hier in Deutschland m.E ohnehin schon lange nicht mehr behandelt, es sei denn man verstoße insbesondere gegen Paragraph 218/2. Weiß jeder was der besagt? Kommt weiter unten noch...


Zumindest ist eine Abtreibung an einige Bedingungen geknüpft, deren Sinn/Unsinn man z.T. vielleicht diskutieren kann: Es muss mindestens drei Tage vorher eine professionelle Beratung stattgefunden haben. Das klingt nicht so, als wäre das wirklich kaum jemanden zuzumuten.

Ein Arzt, der nicht diese Beratung vorgenommen hat, kann dann die Abtreibung vornehmen (Das soll wohl verhindern, dass ein Arzt, der im Bereich Abtreibung eine Art Business sieht, einfach wahllos seinen Patientinnen zur Abtreibung rät, um sich daran zu bereichern?), zumindest wenn die zwölfte Woche nach der Befruchtung noch nicht verstrichen ist oder aber seit der sog. "Empfängnis" nicht mehr als 22 Wochen verstrichen sind. (Klingt für mich auch machbar. In schweren Fällen und Ausnahmefällen sind nämlich Spätabtreibungen auch immer noch möglich.)
Warum gibt es gewisse Regelungen eigentlich?

Warum kann nicht jeder Abtreibungen vornehmen, selbst abtreiben oder gar ganz nach Lust und Laune 5 Tage vor der Geburt abtreiben? Ich habe einige Standpunkte in den sozialen Netzwerken gelesen, von Geistern, das wirklich nicht begreifen können und ich begreife - umgekehrt - deren Argumente nicht.

Ich kann verstehen, wenn Menschen sich wünschen, dass der Staat tunlichst wenig in ihr Privatleben eingreift.
Aber in dem geistigen und ethischen Gesamtzustand in dem sich diese Menschheit befindet, kommen wir nun mal um einige Regelungen und Absprachen nicht herum.

Es gibt inzwischen Leute, die am liebsten die Polizei ganz abschaffen wollen, selbst aber keine Antwort dafür haben, wen man zur Hilfe holen soll, wenn es tatsächlich zu Gewalt, Mord, Diebstahl usw. kommt...

Ich glaube, dass viele Frauen, womöglich die meisten, sehr verantwortungsbewusst, vernünftig und achtsam mit dem Thema Schwangerschaft und Abtreibung umgehen.

Einige aber leider nicht. Und leider haben wir viele Gesetze, Regelungen und Vorgaben nur deswegen, weil eine Minderheit sich nicht an - vermutlich - eigentlich ethische Selbstverständlichkeiten hält, die zu einem friedlichen und sicheren und gesunden Miteinander eigentlich unerlässlich sind. In einer besseren Welt bräuchten wir auch keine Fahrradschlösser, sag ich mal.

Doch wieder zurück zum eigentlichen Thema:
Derzeit sammeln sich allerdings auch Leute und kämpfen für die pauschale Streichung des Paragraph 218.
Frage: Haben sich wirklich durchgelesen, was da eigentlich steht?
Der Paragraph 218 sollte meines Erachtens nicht komplett gestrichen werden.

Warum?
Im Absatz 2 heißt es nämlich, dass ein Schwangerschaftsabbruch insbesondere auch DANN strafbar ist, wenn er gegen den Willen der Frau stattfindet. Und auch - salopp formuliert - wenn er von irgendeinem Nicht-Experten durchgeführt wird. Wer kann ernsthaft wollen, dass das gestrichen wird?

Und zu denen, die Abtreibung als solche per se kriminalisieren wollen und auch nicht erlauben möchten, dass bei einer Vergewaltigung abgetrieben werden darf oder die mit irgendwelchen verquasten religiösen Begründungen daherkommen:
Ich denke nicht, dass es gegen die christlichen Werte geht, wenn ein Arzt endlich vernünftige Informationen über Abtreibung - Pro & Contra - auf seiner Webseite bereitstellen kann, um zu zeigen, dass er sich a) wirklich mit dem Thema und allen psychischen, medizinischen usw. Aspekten befasst hat und b) sich wirklich damit auskennt.

Im Falle einer Vergewaltigung oder schweren medizinischen Bedenken (auch Verhütungsmittel können manchmal nicht wirken), ist es besser zu jemanden zu gehen, der vom Fach ist und über den ich mich vorab auch selbst gut informieren kann. Ich finde die derzeitige Regelung in Deutschland vernünftig und durchaus mit sog. "christlichen Werten" oder "muslimischen Werten" vereinbar.

Ich weiß nicht, was der siegreiche Mohammed zu dem Thema erzählt, aber der gute Jesus sagt sinngemäß ohnehin, dass man sich erst mal um die eigenen Angelegenheiten kümmern solle, bevor man sich in die anderer Menschen einmischt, was m.E. erstaunlich wenige Christen wirklich beachten - so dass man sich mitunter ernsthaft fragen muss, ob die ihr eigenes Buch eigentlich wirklich gelesen haben.

Zweitens ist es m.E. nicht "unchristlich" sich mal darüber Gedanken zu machen, was das für ein Leben für ein Kind ist, dessen Zeugung schon mit Gewalt verbunden ist/war, das entweder von seinen Eltern nicht gewollt wurde oder aber in Verhältnissen aufwachsen muss, wo es womöglich eher traumatisiert würde. Mal ganz davon abgesehen, was es für die Mutter bedeutet, wenn sie den Vergewaltiger auch noch heiraten muss/soll...

Wenn man sich die Lage und das Miteinander in einigen Familien so ansieht, dann ist es vielleicht auch besser, wenn einige Leute von den Ärzten besser informiert würden, wie sie legal eine ungewollte Schwangerschaft abbrechen, anstatt einem Kind zuzumuten herum geschoben zu werden oder nur geduldet zu sein...

Ich bin, trotzdem ich für die Möglichkeit zur Abtreibung UND eine Selbstbestimmung der Mütter - auch unter Berücksichtigung der Väter - bin, auch nicht für wahllosen Schwangerschaftsabbruch oder gar Spätabtreibungen, nach Lust und Laune, anstatt vernünftiger Verhütung, die natürlich auch mal versagen kann. Noch bizarrer finde ich "Post-Natale Abtreibung", aber das ist ein eigenes Thema.

Ich habe auch Dokus über Menschen mit Trisomie 21 gesehen, die leben wollen und Abortion-Surviver, die erzählen, wie sie ihre Abtreibung überlebt haben und nun froh sind, auf der Welt zu sein. Auch die müssen gehört werden.

Trotzdem: Und selbst, wenn es wirklich vereinzelt Frauen geben sollte, die (wer ist so blöd?) mehrfach im Jahr einfach abtreiben, statt Kondome usw. zu benutzen, dann kann vielleicht dieses Gesetz trotzdem nützlich sein, denn mit Sicherheit wird es keinen seriösen Arzt geben, der wirklich Abtreibungen marktschreierisch bewirbt. Sondern der Arzt kann nun auch darüber informieren, was eine Abtreibung tatsächlich für den Körper bedeuten kann. Das sollte man als Frau vielleicht auch genau wissen und bedenken. Nur wer sich wirklich gut informieren kann, muss später nichts bereuen. (Was ja auch vorkommt...)

Übrigens - was sagte der jetzt gestrichene Paragraph 219a eigentlich:
Hier mal der genaue Text:
"§ 219a Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft
(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) seines Vermögensvorteils wegen oder in grob anstößiger Weise
1. eigene oder fremde Dienste zur Vornahme oder Förderung eines Schwangerschaftsabbruchs oder
2. Mittel, Gegenstände oder Verfahren, die zum Abbruch der Schwangerschaft geeignet sind, unter Hinweis auf diese Eignung
anbietet, ankündigt, anpreist oder Erklärungen solchen Inhalts bekanntgibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Absatz 1 Nr. 1 gilt nicht, wenn Ärzte oder auf Grund Gesetzes anerkannte Beratungsstellen darüber unterrichtet werden, welche Ärzte, Krankenhäuser oder Einrichtungen bereit sind, einen Schwangerschaftsabbruch unter den Voraussetzungen des § 218a Abs. 1 bis 3 vorzunehmen.
(3) Absatz 1 Nr. 2 gilt nicht, wenn die Tat gegenüber Ärzten oder Personen, die zum Handel mit den in Absatz 1 Nr. 2 erwähnten Mitteln oder Gegenständen befugt sind, oder durch eine Veröffentlichung in ärztlichen oder pharmazeutischen Fachblättern begangen wird.
(4) Absatz 1 gilt nicht, wenn Ärzte, Krankenhäuser oder Einrichtungen
1. auf die Tatsache hinweisen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche unter den Voraussetzungen des § 218a Absatz 1 bis 3 vornehmen, oder
2. auf Informationen einer insoweit zuständigen Bundes- oder Landesbehörde, einer Beratungsstelle nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz oder einer Ärztekammer über einen Schwangerschaftsabbruch hinweisen."

Fällt Euch was auf? Es ändert sich gar nicht so viel... ;)

Eingebetteter Medieninhalt

Foto: Bärbel Miemietz (Wikimedia Commons)
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Geschrieben von

Anja Gsottschneider

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