#Fressehalten

Verstummenskultur Warum das Verstummen in der #Aufschrei-Debatte besonders schamlos ist.

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Neulich gab es die #Aufschrei-Debatte. Die nahm man hier und da zum Anlass, mal ganz grundsätzlich über das Verhältnis von Männern und Frauen nachzudenken. Also: man hatte das vor. Denn alles ist schon wieder vorbei.

Nun, könnte man gegen die Relevanz dieser Beobachtung einwenden, Debatten werden nie weiter geführt, wenn die erste Aufregung zu Ende ist. Kindesmissbrauch am Canisius. Noch im Bild? Machtergreifung-re-rewind von Putin. War da nicht was mit Verfassungsänderung?

Keiner interessiert sich für Themen, die älter als zwei Wochen sind. Alle sind Adenauer, wenn es um ihr Geschwätz von gestern geht. Dass die Debatten um Canisius, Putin, Wiesenhof und Organspenden nach nie mehr als ein paar Wochen wieder enden, gehört zur politischen Diskussionskultur dazu.

Aber bei #Aufschrei war etwas anders, als bei den genannten Debatten. Es ging nach nur wenigen Tagen nämlich nicht mehr um den Auslöser (den Anmachspruch eines alten Mannes), nein, man war sich vielmehr einig, die Diskussion abstrahieren zu müssen.

Der #Aufschrei sollte aus den Niederungen der Aufregung um Hotelbarsprüche emporgehoben werden, hinauf zu einem der edelsten unserer Grundsätze: dem von der Gleichbehandlung von Mann und Frau. Man war sich nach wenigen Tagen einig, dass der Abend an der Theke nicht allein Skandal sein sollte, sondern auch Anlass und zwar Anlass, um über Frauenrechte und Gleichberechtigung von Grund auf zu diskutieren: systematisch und zwar so, dass sich was ändert. Anders als andere Debatten, hatte #Aufschrei damit das Debattieren zum zentralen Gegenstand erhoben.

Nun, nach einer Weile nicht mehr reden zu wollen, ist nach Canisius und Co. freilich nichts Neues. Aber bei #Aufschrei ist die Schamlosigkeit, mit der das geschieht, besonders frappierend. Unter dem Schlachtruf, eine Debatte entfachen und etwas ändern zu wollen, zu verstummen, stellt die Gleichgültigkeit der politischen Öffentlichkeit nach #Aufschrei nämlich umso deutlicher bloß. #Fressehalten ist in diesem Fall besonders verwerflich.

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